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dieser den Blutdruck selbst prüfte.

      »Neunzig zu vierzig«, sagte der Mediziner.

      Die Krankenschwester biss sich auf die Lippe und warf Gloger einen ratlosen Blick zu. Der Patient bekam eine Glukose-Infusion und hatte eine Zweier-Nadel im Arm.

      Erich Gloger war einer der Pfleger, die nicht nur ausführten, was man ihnen auftrug. Er dachte mit, konnte das, weil er immerhin auch einige Semester Medizin studiert hatte.

      Finanzielle Schwierigkeiten hatten ihn gezwungen, das Studium abzubrechen. Da er Kranken aber unbedingt helfen wollte, stellte er ihnen seine Kraft eben auf eine andere Art zur Verfügung.

      Der Arzt nahm noch einmal die Kurve in die Hand. »Vielleicht sollten wir ihm das bereitstehende Blut geben.«

      »Wenn ich mir eine Bemerkung erlauben darf«, begann Erich Gloger vorsichtig, denn manche Ärzte ließen sich nicht gern etwas sagen - vor allem von Nichtmedizinern. Einige nahmen einen Rat ganz gern an, aber er durfte nicht wie eine Belehrung klingen.

      Der Ton macht die Musik - wie überall.

      »Wenn der Patient das Blut bekommt, kann man die Knochenmarksuntersuchung morgen vergessen. Die Diagnose würde dadurch verzögert«, sagte Erich Gloger.

      Der junge Arzt nickte nachdenklich. »Sie haben recht.«

      Er setzte die Infusion ab und injizierte ein Herz- und Kreislauf stärkendes Mittel, und allmählich verlor sich die graue Gesichtsfarbe des Mannes.

      »Ich bleibe bei ihm«, sagte Erich Gloger.

      Der Butdruck des Patienten stieg allmählich wieder.

      »Sollte es ihm erneut schlechter gehen, rufen Sie mich unverzüglich«, sagte der Nachtarzt.

      »Ich glaube nicht, dass das nötig sein wird«, erwiderte Erich Gloger, und er hatte recht. Die Krise war überwunden - und Gloger saß neben dem Bett des ruhig schlafenden Mannes und dachte an Jutta Sibelius.

      Hoffentlich kann sie schlafen, ging es ihm durch den Kopf. Sie würde vor der Prüfung sehr viel Ruhe brauchen.

      Je ausgeruhter sie vor die Kommission tritt, desto größer ist die Chance, dass sie es diesmal schafft.

      Er dachte an die eigene Fahrprüfung. Er hatte damals vermutet, einem der Prüfer nicht sympathisch zu sein. Der Mann hatte ihn zu zerlegen versucht, aber er hatte einfach alles gewusst und jede Frage beantwortet.

      Beim Fahren wäre es dann beinahe schiefgegangen. Auf dem Gehsteig hatten Kinder gerauft, und sie hatten Erich Gloger abgelenkt. Dadurch hätte er beinahe einen Autobus übersehen, der plötzlich von rechts auftauchte.

      Gerade noch rechtzeitig brachte er das Fahrzeug zum Stehen, ohne dass es sämtliche Insassen nach vorn riss - und damit war für ihn die Prüfung positiv gelaufen gewesen.

      Ein kleines Lächeln umspielte Glogers Lippen, während sich seine Hände um die Daumen schlossen. Er hoffte, dass er Jutta damit half.

      10

      Es gibt nichts Nüchterneres und Unattraktiveres, als Heizkessel, dachte Antje Büchner am nächsten Vormittag und seufzte unglücklich. Wie soll man dafür >menschlich< werben?

      Sie hatte Fotos vor sich liegen und zerbrach sich seit einer Stunde den Kopf darüber, wie sie dem Heizkessel ein sympathisches Image verleihen konnte.

      Einige Skizzen und Notizen waren im Papierkorb gelandet, und nun grübelte Antje erneut. Für gewöhnlich hatte sie auf Anhieb zwei, drei Ideen, die sich ausbauen ließen, doch diesmal war ihr Kopf ziemlich leer, und ihre Gedanken schweiften immer wieder ab.

      Sie konnte sich nicht konzentrieren. Mal dachte sie an das Kind in ihrem Bauch, und sie versuchte, es mit ihren Sinnen wahrzunehmen, indem sie in sich hineinhorchte - ohne Erfolg natürlich, denn das Baby war noch zu klein, um sich bemerkbar zu machen.

      Mal dachte sie an Gideon Arendt, der sich immer noch nicht bei ihr gemeldet hatte... allmählich fand sie sein Benehmen merkwürdig.

      Mal war sie mit ihren Gedanken bei Jutta Sibelius, die sich erbarmungswürdig durch den Vormittag schlotterte.

      Mit allem beschäftigte sie sich gedanklich mehr als mit diesem verflixten Heizkessel! Sie griff nach dem Zeichenstift und steckte den Kessel in den Beutel eines Kängurus.

      Es war eine Alibizeichnung, damit sie ihrem Chef vorerst irgend etwas vorlegen konnte. Schließlich musste sie für das Geld, das sie bekam, eine sichtbare Leistung erbringen.

      Sie legte ein zweites Blatt vor sich hin und ließ den Heizkessel von einem Eskimo glücklich umarmen. Von beiden Ideen war sie selbst nicht sonderlich überzeugt, aber wenn sie Glück hatte, kam sie damit durch.

      Wenn nicht, würde sie weiter grübeln müssen. Sie war sicher, morgen einen besseren Tag zu haben. Tage wie dieser waren bei ihr eine Ausnahme.

      Sie verfeinerte die Entwürfe und begab sich damit in Bernd Riepels Büro.

      »Wie war das Konzert?«, fragte sie.

      »Ich war überhaupt nicht da«, antwortete er. »Ich habe die Karten einem Freund überlassen.«

      »Das tut mir leid«, meinte die werdende Mutter.

      »Oh, ich verbrachte einen aufregenden Abend mit einer ziemlich scharfen Lady. Bloody Mary war ihr Name«, entgegnete der Werbetexter.

      »Du hast dich betrunken. Deshalb siehst du so verkatert aus. Warum hast du das getan?«, fragte die junge Frau und sah ihren Kollegen ernst an.

      Er hob die Schultern. »Mir war einfach danach.«

      »Hoffentlich nicht meinetwegen«, meinte Antje Büchner.

      »Ich hatte ein allgemeines Tief zu überwinden«, entgegnete Bernd Riepel.

      »Ist es dir gelungen?«, fragte Antje.

      »Keine Ahnung. Die Bloody Mary hat mich ziemlich hergenommen. Zur Zeit leide ich noch an den Nachwirkungen«, antwortete er.

      »Du bist ein ausgemachter Dummkopf«, sagte Antje vorwurfsvoll.

      »Bist du denn immer in Hochstimmung?«, wollte Bernd wissen.

      »Nein, aber ich hänge mich nicht an die Flasche, wenn es mir seelisch mies geht, denn der Alkohol löst keine Probleme. Damit schafft man höchstens weitere«, gab sie zur Antwort.

      Bernd Riepel seufzte. »Herrlich, diese Kopfwäsche. Sie ist genau das, was mir heute noch gefehlt hat.«

      »Du kannst so wunderbar sarkastisch sein«, meinte Antje.

      »Soll ich überhaupt keinen Vorzug haben?«, gab Riepel zurück.

      »Ich denke, ich lasse dich mit deinem Schmerz besser allein. Hast du genügend Alka-Seltzer bei der Hand?«, fragte sie schmunzelnd.

      »Die ganze Schreibtischlade ist voll davon«, antwortete der Werbetexter und hielt sich den Kopf,

      »Wenn die Lade leer ist, wird's dir besser gehen«, sagte Antje und wollte den Raum verlassen.

      »Sehe ich richtig? Hast du eine Zeichenmappe unterm Arm?«, fragte Bernd Riepel.

      »Ich wollte

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