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sich der werdende Vater zur Feier des Tages einen großen Schluck vom Besten, was im Haus war. Die werdende Mutter bekam natürlich nichts, wegen des Kindes, das sie unter dem Herzen trug.

      Antje ging nicht zu Gideon - sie wusste nicht einmal, ob er zu Hause war -, sie begab sich in die Stadtbank, in der ihre Freundin Jutta Sibelius arbeitete.

      Jutta war ein hübsches Mädchen mit langem brünettem Haar und dunklen Samtaugen. Antje beneidete Jutta um ihre schönen Naturwellen, sie bewunderte deren Selbstsicherheit.

      Es schien nichts zu geben, womit Jutta nicht fertig werden konnte. An diesem Tag war von Juttas gelassener Selbstsicherheit jedoch nichts zu sehen.

      Jutta wirkte fahrig und nervös, unkonzentriert und hektisch. Es gab Schreibtische, an die sich die Bankangestellten mit Kunden setzten, wenn vorauszusehen war, dass das Gespräch länger dauern würde.

      An so einen Tisch setzte sich Jutta mit Antje und zündete sich eine Zigarette an.

      Sie schob der Freundin die Packung zu. »Hier, nimm dir auch eine.«

      »Ich rauche nicht«, sagte Antje und schob die Packung zurück.

      »Ach ja, richtig. Du hast ja noch nie geraucht. Entschuldige, aber ich bin mit den Nerven völlig runter. Was ich heute schon alles falsch gemacht habe, geht auf keine Kuhhaut. Ich bin einfach zum Wegschmeißen. Die Kollegen sind goldig. Sie halten von mir fern, was nur möglich ist. Ich kann mich wirklich nicht beklagen.«

      »Wann hast du deinen Termin?«, fragte Antje Büchner ihre Freundin.

      »Morgen. Ich werde die Prüfung wieder nicht bestehen«, antwortete die Bankangestellte.

      »Das darfst du dir nicht einreden«, meinte Antje.

      »Ich bin schon einmal durchgerasselt. Sieh dir meine Hände an. Sieh nur, wie sie zittern. Ich bin zu nervös. Ich werde nie einen Führerschein besitzen«, sagte Jutta Sibelius.

      »Unsinn. So viele Menschen haben die Fahrprüfung schon bestanden.«

      »Ich frage mich, wie die das gemacht haben«, erwiderte Jutta nervös.

      »Bestimmt haben sie sich nicht in eine solche Hysterie hineingesteigert«, sagte Antje. »Du bist ja nicht wiederzuerkennen.«

      »Ich erkenne mich selbst kaum wieder, und diese andere Jutta Sibelius wird morgen vor die Prüfungskommission treten und wieder alles vermasseln. Oh, ich hasse dieses dumme Stück«, entgegnete Jutta und schüttelte den Kopf.

      »Dann lass sie doch zu Hause und geh selbst hin«, sagte Antje. »Du bist eine intelligente Frau ...«

      »Aber mit der Technik stehe ich auf Kriegsfuß«, unterbrach Jutta ihre Freundin.

      »Niemand wird von dir verlangen, dass du einen Motor komplett zerlegst und wieder richtig zusammenbaust. Du brauchst doch nur ein paar Fragen zu beantworten. Ich habe dich abgehört. Du weißt alles«, meinte Antje.

      »Ja, heute. Aber morgen ist mein Hirn mit Brettern vernagelt. Und dann muss ich auch noch fahren. Das kann einfach nicht gutgehen«, entgegnete die Bankangestellte.

      »Du musst dir immer sagen, dass es dich nicht den Kopf kostet«, erwiderte die werdende Mutter.

      »Ich werde wieder purzeln. Ich weiß es«, jammerte Jutta.

      »Na wenn schon, dann schaffst du es eben beim nächsten Termin. Ist doch auch kein Beinbruch«, meinte ihre Freundin.

      »Aber diese Schande. Jede dumme Ziege hat einen Führerschein, nur ich nicht. Die Kollegen werden anfangen, mich aufzuziehen. Sie tuscheln ja jetzt schon hinter meinem Rücken«, sagte die Bankangestellte ärgerlich.

      »Vorhin sagtest du, sie wären goldig«, entgegnete Antje Büchner und lächelte.

      »Ja, aber hinter meinem Rücken schließen sie wahrscheinlich schon Wetten ab, dass ich’s wieder nicht schaffe. Ich muss mir heute noch eine Riesenpackung Nerventee besorgen.«

      »Wie viele Packungen hast du denn schon verbraucht?«, fragte Antje.

      »In dieser Woche? Die vierte«, antwortete Jutta Sibelius. »Man wird mir bald den Titel Miss Baldrian verleihen. Mein Gott, ich rede ununterbrochen von dieser idiotischen Prüfung, obwohl ich weiß, dass ich damit allen schon fürchterlich auf die Nerven gehe. Wechseln wir das Thema. Was gibt es bei dir Neues? Gibt es etwas Neues?«

      »Ja, deshalb bin ich eigentlich hier«, gab Antje nachdenklich zur Antwort.

      »Und ich lass dich nicht zu Wort kommen. Wie unhöflich von mir. Verzeih.« Jutta drückte die Zigarette in den Aschenbecher, auf dessen Rand der Name der Bank zu lesen war. »Schieß los, ich bin ganz Ohr.«

      »Ich war beim Frauenarzt. Ich... «

      »Nein!«, Jutta riss die Augen auf und legte die Hand auf ihren Mund.

      »So lass mich doch ausreden«, meinte ihre Freundin ärgerlich.

      »Ist nicht nötig. Du bekommst ein Kind, das finde ich großartig. Lass dich umarmen. Ich muss dich küssen. Herzlichen Glückwunsch. Ist das eine Freude. Ich könnte glatt heulen. Wann ist es denn soweit?«, wollte die Bankangestellte unbedingt wissen.

      »Im Mai nächsten Jahres«, gab die werdende Mutter zur Antwort.

      »Im Mai. Ich finde das toll, Antje. Ehrlich. Weißt du was? Ich beneide dich fast um dein Baby«, sagte Jutta Sibelius und strahlte.

      »Du könntest dir doch jederzeit auch eins anschaffen«, meinte Antje Büchner.

      »Wie denn? Ich habe etwas gegen ein Mutterglück von der Samenbank, und einen Mann, mit dem ich ein Kind haben möchte, gibt es in weitem Umkreis nicht. Natürlich würden sich genügend Männer mit dem größten Vergnügen dafür zur Verfügung stellen. An erster Stelle mein Chef... Aber bevor ich nicht weiß, dass ich den Richtigen gefunden habe, ist bei mir nichts zu machen, Reichlich altmodisch, wie? Aber so bin ich nun mal, und ich habe keine Veranlassung, mich zu ändern.«

      »Du brauchst dich nicht zu ändern. Bleibe, wie du bist, du bist schon in Ordnung. Ich bin sicher, dass dir der Richtige bald begegnen wird.«

      Jutta seufzte. »Hoffentlich hast du recht. Ich möchte nämlich nicht als alte Jungfer enden. In meinem Leben muss sich was tun. Das Haus muss voll sein mit Kindergeschrei, und ich möchte einen Mann an meiner Seite haben, auf den ich stolz sein, den ich herzeigen, mit dem ich glücklich sein kann. Verlange ich zu viel vom Leben Antje?«

      »Bestimmt nicht. Jeder Mensch hat das Recht, glücklich zu sein«, gab Antje Büchner zur Antwort.

      »So, wie du es mit Gideon bist«, meinte Jutta Sibelius.

      Antje senkte den Blick.

      »Hast du was?«, fragte Jutta. »Ach, ich verstehe. Der Gute weiß noch nichts von seinem Glück.«

      »Ich weiß nicht, wie er es aufnehmen wird«, sagte Antje leise.

      »Na wie schon? Er wird dich vor Freude erdrücken«, entgegnete ihre Freundin.

      »Ich mache ihm einige Träume kaputt. Er wollte noch so viel vom Leben haben«, erwiderte die werdende Mutter.

      »Hör mal, du schenkst ihm ein Kind.

      Mehr kann er vom Leben nicht erwarten. Ein Kind, eine Frau, die ihn liebt, ein behagliches Zuhause, eine glückliche Familie. Gibt es etwas Schöneres?«, fragte Jutta erstaunt.

      »Wir hatten am Beginn unserer Beziehung abgemacht, uns mit Kindern Zeit tu lassen«, antwortete Antje Büchner.

      »Hast du etwa Schuldgefühle?«, fragte Jutta. »Die müsste Gideon genauso haben, schließlich war er an der Entstehung des Kindes ja maßgeblich beteiligt. Von nichts wird nichts.«

      »Ich werde einen günstigen Augenblick abwarten, und es ihm dann vorsichtig beibringen«, sagte Antje.

      »Vielleicht wird es zunächst ein kleiner

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