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mit den aufsässigen Bewohnern von Paris, die sich seiner Gewalttaten nicht einfach so ergeben wollten. Innerhalb der Stadt hatte er das Kriegsrecht ausrufen lassen, das jedermann zu befolgen hatte, wenn er nicht gleich an Ort und Stelle erschlagen werden wollte. Hierzu gehörte auch, dass man sich nach Sonnenuntergang nicht mehr auf der Straße blicken lassen durfte. Selbst kleinere Vergehen wurden fast immer mit der gleichen Strafe belegt. Standrechtliche Hinrichtung war eine sehr elegante Methode, Vergehen zu ahnden und gleichfalls durch das Schwarzpulver auch so einfach geworden. Man musste keine Galgen mehr bauen, und auf den Henker konnte man ganz verzichten.

      Die Pariser, die es sich leisten konnten, zogen daher aus der Stadt - aufs Land. Andere versuchten sich zu organisieren, scheiterten aber meist an der überlegenen Militärgefolgschaft des Prinzen. Insbesondere weil die Soldaten jetzt auch Musketen besaßen - mit denen man auf einige Entfernung seine Gegner zur Strecke bringen konnte - war der Kampf sehr aussichtslos geworden. Daher zogen sich viele ärmere Bewohner anfangs in die Wälder zurück, was dem Prinzen überhaupt nicht zusagte »… schließlich muss ja einer die Arbeit machen, oder?« sagte er und befahl, die Stadt nach außen abzuriegeln. Seit diesem Tag konnte man nur noch nach Paris hinein, aber kaum mehr hinaus. Nur wer einen besonderen Passierschein besaß, durfte die Stadt verlassen. An einen solchen heran zu kommen war allerdings fast unmöglich.

      Robert hatte davon gehört. Deshalb machte er einen großen Bogen um Paris. Doch die Umrundung kostete die beiden mehrere Tage und sie war sehr anstrengend, da jeder Weg der von Norden kam, nach Paris hinein und keiner drum herum verlief. Gerade wenn sie einen befestigten Weg gefunden hatten, der scheinbar östlich an Paris vorbei zu laufen schien, mussten sie ihn schon wieder verlassen und querfeldein fahren, weil er nach einiger Zeit doch wieder direkt nach Paris abdrehte. Und weniger gefährlich waren die Wege durch die Wildnis auch nicht, denn schon zwanzig Meilen außerhalb der Stadt waren die Gegenden voll mit trotzigen Waldbewohnern, die nichts lieber taten, als den Tyrannen von seinen Reichtümern zu trennen. Oft konnte dabei zwischen dem Eigentum der Königsfamilie, und dem völlig Unbeteiligter, kein Unterschied gemacht werden. Zu hungrig war die Bevölkerung, die ihr Leben jetzt unter einem Blätterdach fristen musste.

      Erst als die beiden bereits südöstlich an Paris vorbeigefahren waren, konnten sie wieder die vorhandenen Straßen benutzen, die nun sehr eilig aus der Stadt wegzulaufen schienen. Hinter einer der vielen Brücken, die sie überquert hatten, brachte Robert den Wagen zum Stehen. »Wir werden heute hier in der Nähe übernachten« sagte er zu David. Dann ließ er das Pferd wenden und schwenkte den Wagen nach rechts in den Wald hinein. Etwa fünfzig Meter von der Straße entfernt hielt er wieder an und sprang vom Karren. Auf offener Straße zu übernachten, wäre viel zu gefährlich gewesen, da sich viele Unholde hier herumtrieben. Selbst Feuer machen war sehr gewagt, da man es in der Dunkelheit auf hundert Meter sehen konnte. Aber Robert wollte keinesfalls auf die Kochkünste von David verzichten, weshalb er stets auf ein Feuer bestand.

      Wie so oft schon in den letzten Tagen versorgte David zuerst das Pferd. Und während er sich anschließend um die Lagerstätte kümmerte, erkundete Robert bereits die Gegend, um nicht plötzlich hinterrücks überfallen zu werden. Meist hatte David dann schon einiges auf der Flamme, wenn Robert vom Auskundschaften zurückkam. Die beiden ergänzten sich außerordentlich gut, und Robert war immer häufiger froh darüber, dass er David mitgenommen hatte. Genau wie er anfangs vermutet hatte, ging ihm der Junge gut zur Hand, und konnte sogar besser kochen, als er selbst. Und dass, obwohl Robert schon seit einigen Jahren in der Wildnis überlebte. »Entweder man hat ein Händchen dafür, oder man hat es nicht« dachte Robert immer öfter. »Und dieser Junge hat eines - das ist sicher.«

      Als er an diesem Abend vom Ausspionieren zurückkam, hatte David bereits ein Stück von der halben Sau auf der Feuerstelle. Dazu gab es eine Art Kürbisgemüse, Brot mit Butter und eingelegtem Hering, als Vorspeise. Auch Honig, Marmelade und Räucherfisch hatte Robert gekauft. Selbst an sein geliebtes - Fass - Bier hatte er gedacht, lediglich die Milch für David war ihm nicht in den Sinn gekommen. Deshalb hielten sie ab und zu an einem Gutshof an, und kauften sie dort frisch vom Bauern. »Wahrscheinlich wäre sie bis hierher sowieso schon sauer gewesen. Allein die Schiffspassage durch den Kanal hätte sie kaum unbeschadet überstanden« dachte David, und fand es nicht schlimm, täglich darum betteln zu müssen. Denn wenn seine Milch mal wieder zur Neige ging, machte er die Hörner einer Kuh nach und zeigte Robert dann seine, zu einer Röhre geballten Hände, die er abwechselnd hoch und runter gleiten ließ. Wenn dann kein Bauernhof in der Nähe war, suchte Robert die nächst beste Kuh auf, und versuchte sich selbst am Euter.

      »Das schmeckt mal wieder herrlich, David« sagte er abends am Lagerfeuer und war wirklich begeistert von so viel abwechslungsreicher Kost. »Wenn wir in Ales bei meinen Freunden sind, besorge ich dir alles, was du benötigst um ihnen ein Mahl zu bereiten, dass ihnen das Wasser im Mund zusammen laufen wird.« Und er trank auf David’s Wohl. »Das sage ich dir. Wenn du sie so beeindrucken kannst, wie mich, dann hast du starke Verbündete in ihnen. Und glaube mir. Das ist etwas wert, bei der Reise, die noch vor uns liegt. Immer vorausgesetzt natürlich, du willst noch mitkommen.«

      David nickte und machte gleichzeitig eine fragende Bewegung. Dabei zog er Kopf und Augenbrauen gleichzeitig hoch, und drehte kurz seine beiden Händeflächen ausgestreckt nach oben und vorne. Ein kurzer anzeigender Ton kam durch seine Kehle. Auch ein Nichtpantomime konnte verstehen, dass dies heißen sollte: »Na, dann mal raus mit der Sprache. Erzähl mir von der bevorstehenden Reise.«

      Robert hatte es ebenfalls verstanden, wusste aber nicht, ob er jetzt schon die ganze Wahrheit erzählen sollte. Dazu war David noch nicht lange genug bei ihm. Sicher hatte er Vertrauen zu ihm gewonnen, doch hierbei ging es um allzu wichtige und geheime Pläne. Er hätte sie nicht einmal seiner eigenen Mutter erzählt. Wahrscheinlich wäre sie dabei sogar tot umgefallen, wenn sie nicht sowieso schon lange verstorben gewesen wäre. Andererseits lagen viele von den Dingen, die sich ereignet hatten, auch für Robert noch immer im Verborgenen. Zum einen, weil er sie nicht verstanden hatte und zum anderen, weil er dafür schließlich seinen Freund hatte. Robert hatte sich bisher nur um den Weg und nicht um die Details kümmern müssen. Aber der Hauptgrund für seine Zurückhaltung war, dass er David für noch nicht alt genug hielt, alles zu erfahren. Deshalb erzählte er ihm nur das Nötigste. »Wir werden zunächst meine Freunde Josselin und Geraldo besuchen« sagte er. »Es sind Krieger und sie wohnen in einem alten Kloster in Ales. Sie werden uns auf der bevorstehenden Fahrt nach Italien begleiten. Dort werden wir dann meinen Freund Giovanni aufsuchen. Er weiß über alles Bescheid und wird dich informieren, wenn er es für richtig hält. Mehr darf ich dir im Augenblick nicht sagen. Nur das eine noch. Unsere Fahrt dorthin wird nicht ganz einfach werden und was danach kommt, kann niemand sagen - außer Giovanni vielleicht. Aber so viel weiß ich jetzt schon. Das hier wird ein Kinderspiel sein, gegen das, was noch vor uns liegt. Also, falls du irgendwann aussteigen willst, dann sage es … verflixt! … Versuche einfach, es mir mitzuteilen. Ich hätte Verständnis dafür. Allerdings würde ich mich freuen, wenn du bei mir bleibst.«

      David nickte wieder …und wieder …und wieder. Langsam hatte er doch oft genug betont, dass er nichts anderes, geschweige denn besseres vorhatte. Außerdem, wo sollte er denn jetzt noch hingehen, wo er doch gar keinen Schimmer davon hatte, wo sie hier saßen oder bald sitzen würden. Er legte noch ein Schweinesteak auf, denn eine solche Unterhaltung machte hungrig auf mehr, wie er feststellen musste. Obwohl er kaum mit Robert’s Antwort zufrieden war, hob er trotzdem seinen Becher Milch und stieß, jetzt von sich aus, auf das Wohl von Robert an. »Einen besseren Freund kann man sich kaum wünschen« dachte er und glaubte in den Augen von Robert gesehen zu haben, dass er seinen gedanklichen Tost verstanden hatte.

      Am nächsten Morgen brachen sie früh auf und setzten ihre Reise zügig fort. Es war etwa fünfzig Meilen südlich von Paris, in der Gegend um Corbeil, da trafen sie auf die Sâine, die nicht gerade gemächlich Richtung Paris strömte. Eine Brücke ragte mit weit aufgeschlagenen Armen über den großen Fluss und an ihren Ufern waren zu beiden Seiten nur Laubbäume und mittelhohe Sträucher zu erkennen. Flussauf- wie auch abwärts sah man Untiefen und Stromschnellen, die von großen Steinbrocken herrührten. Diese waren aus dem Cote d’Or und dem Morvan herangetragen worden - Berge, von gewaltigem Ausmaß. Hatten die Steine hier noch die Größe, ähnlich einem Haus, so wurden sie doch in Jahrtausenden zu Sandkörnern zerrieben, die weitergetragen,

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