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dieses Kapitels von Moses ist ein weiteres Mal klar zu erkennen – so schlussfolgerte Gilberto – , wie tief im Auge des Verschwörers das intellektuelle Niveau seiner Leser herabgesunken sein musste, der sie an der Nase herum führte und von ihnen gar erwartete, die Absurdität der schmerzhaften Geburt als eine Strafe Gottes für den Ungehorsam der Frau hinzunehmen. Ganz der Absicht des Verfälschers entsprechend lässt er sich nicht die Gelegenheit entgehen, die Rangordnung der Frau unter dem Manne aus dem Mund Gottes zu festigen. Wobei der Zweifel auch in diesem Fall bekämpft werden muss; denn wer zweifelt, ist ja nicht gerettet.

      Zu dem Weibe sprach er: Ich werde sehr mehren die Mühsal deiner Schwangerschaft, {Eig. ich werde groß machen deine Mühsal und deine Schwangerschaft} mit Schmerzen sollst du Kinder gebären; und nach deinem Manne wird dein Verlangen sein, er aber wird über dich herrschen. (1Mo 3,16)

      Als Gilberto abends in seinem Erfahrungsbuch Notizen eintrug, war er sehr verwundert über die Aussage eines glücklich verheirateten Familienvaters, dessen bisexuelle Neigung, die sich im Laufe der Jahre eingestellt hatte und unter der er in seiner Ehe mächtig litt, nach der Fastenkur so gut wie ganz verschwunden war. Der Arzt wusste nicht, was es mit den Angaben des Patienten auf sich hatte; die Sache schien anscheinend immer komplizierter zu werden. Er schüttelte erstaunt den Kopf und trug vollständigkeitshalber den Patientenbericht ebenfalls in sein Erfahrungsbuch ein.

       9. Kapitel

      Die Suche nach weiteren authentischen Schriften entpuppte sich als eine endlose Odyssee. Carlucci entdeckte nach und nach sehr viele Evangelien, die er mit viel Zeitaufwand gründlich studierte, von allen Seiten durchleuchtete, um sie schließlich enttäuscht über den großen Zeitverlust, die ihm diese unechten Schriften eingebracht hatten, wieder zu verwerfen. Doch er war nicht müde in einem Meer von Lügen und Irrtümern die Nadel im Heuhaufen zu suchen. Bald sollte sich seine Hartnäckigkeit lohnen, denn er entdeckte die Publikation eines amerikanischen Arztes und Priesters, der in der Universität Indianapolis Theologie studierte, ein gewisser Levi Dowling, der um 1900 ein Buch unter den Namen: „The Aquarian Gospel“ veröffentlicht hatte.

      Plötzlich bekam für den Forscher Carlucci das anfänglich unbrauchbare Werk von Spencer Lewis, der „Das mystische Leben Jesu“ veröffentlicht hatte und dessen Quellen, aus der seine Angabe stammten, nämlich die „Rosenkreuzer-Urkunden“, die „Essener-Urkunden“ und solche von der „Großen Weißen Bruderschaft“, einen sehr hohen Wert für seine weitere Forschung zu bekommen. Denn die wenigen Zitate aus dem Buch von H. Spencer Lewis deckten sich praktisch haargenau mit denen von L. Dowling. Leider machte Spencer Lewis keine genauen Angaben über den genauen Fundort der Schriften, der Manuskripte, die er benützte, doch sicher war, dass sie sich irgendwo in Amerika befanden.

      Die ganze Sache aber hatte einen Haken, denn L. Downling behauptete mediale Fähigkeiten zu besitzen und die Aufzeichnungen, die zu der Herausgabe des Buches „The Aquarian Gospel“ führten, in einem Zeitraum von vierzig Jahren auf mentalem Wege empfangen zu haben.

      Wegen der Übereinstimmung mit den Aufzeichnungen von Spencer Lewis zweifelte Carlucci sehr an den medialen Fähigkeiten L. Downlings, denn die Abfassung von Spencer Lewis bewies letztendlich, dass diese Manuskripte bereits existierten und irgendwo in Amerika an einem Ort untergebracht waren, zu dem L. Downling offensichtlich ebenfalls Zugang hatte. Es existierten außerdem noch andere Parallelschriften, die ebenfalls darauf hinwiesen, dass die

      Texte in dem „Aquarian Gospel“ nicht einzigartig waren und folglich erst recht nicht auf medialem Weg empfangen worden waren. Im Evangelium des Vollkommenen Lebens, das 1880 entdeckt wurde, hält Jesus eine Predigt über die Wahrheit, die eine Fortsetzung der Version ist, die Carlucci nun im Werk L. Downling vor sich sah. Carlucci las aufmerksam:

      Was ist Wahrheit? Aus dem Evangelium des Vollkommenen Lebens:

      Und wiederum waren die Zwölf versammelt im Schatten der Palmen, und einer von ihnen, Thomas, sprach zu den andern:

      „ Was ist Wahrheit? Denn dieselben Dinge erscheinen den verschiedenen Gemütern und sogar dem gleichen Gemüte zu verschiedenen Zeiten verschieden. Was ist also Wahrheit?“

      Und wie sie so sprachen, erschien Jesus mitten unter ihnen und sprach: „Die eine und die ewige Wahrheit ist in Gott allein, denn niemand weiß, was Gott allein weiß. Denn das All ist im All. Den Menschen kann die Wahrheit enthüllt werden nach ihrer Fähigkeit, zu verstehen und zu erfassen. Die eine Wahrheit hat viele Seiten, und einer sieht nur eine Seite, der andere eine andere, und etliche sehen mehr denn eine, so wie es ihnen gegeben ist. Sehet diesen Kristall: So wie das eine Licht offenbar ist in zwölf Flächen, ja, in viermal zwölf, und jede Fläche einen Strahl von dem Lichte zurückwirft und man eine Fläche und ein anderer eine andere anschaut, so ist es doch der eine Kristall und das eine Licht, das in allem scheinet.

      Und siehe, wenn einer auf einen Berg steigt und er einen Gipfel erreicht hat, so spricht er: Dieses ist die Spitze des Berges, lasst sie uns ersteigen, und wenn sie diese Höhe erreicht haben, siehe, sie sehen eine andere darüber hinaus, bis sie zu der Höhe kommen, von der keine andere mehr zu sehen ist, wenn sie diese erreichen können.

      Also ist es auch mit der Wahrheit. Ich bringe die Wahrheit, den Weg und das Leben, und ich habe euch die Wahrheit gegeben, die ich von oben empfangen habe. Und was gesehen und empfangen wird von dem einen, wird nicht gesehen und empfangen werden von dem andern. Was wahr erscheint etlichen, erscheinet nicht

      wahr den andern. Die im Tal unten sind, sehen nicht das, was die sehen, so sie auf dem Berge stehen.“65

      In dieser Version der Wahrheit, die Carlucci im Evangelium des Vollkommen Lebens nachlas, begegnete er einer Äußerung Jesus, die er bereits aus dem Neuen Testament kannte und die auch dort offensichtlich von dem Verfälscher zweckdienlich verändert worden war, um Jesus aus dem Neuen Testament nicht als den Wahrheitsbringer erscheinen zu lassen, sondern ausschließlich als den Sohn Gottes, der selbst die Wahrheit und der Weg ist. Der Wahrheitsbringer ist und war Paulus, darüber lässt der Verschwörer nichts kommen, dachte Carlucci:

      Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, als nur durch mich. (Joh 14,6)

      Carlucci las parallel auch die Version im Aquarian Gospel:

      Unter den Priestern des Tempels Jagannath gab es einen, der den jüdischen Jungen besonders liebte, Lamaas Bramas war sein Name. Eines Tages, als Jesus und Lamaas gemeinsam im Plaza Jagannath spazieren gingen, fragte Lamaas:

      „Mein jüdischer Meister, was ist Wahrheit?“ Und Jesus antwortete:

      „ Wahrheit ist das einzige, das sich nicht verändert. In der Welt kann man die Dinge in zwei Kategorien unterteilen, in die Dinge, die wahr sind und in die Dinge, die falsch sind.

      Wahr sind die Dinge, die sind; Irrtum sind die Dinge, die zu sein scheinen. Die Wahrheit ist alles, ist ohne Ursache entstanden, dennoch ist die Wahrheit die Ursache aller Dinge.

      Irrtum ist nichts und dennoch ist es das Erscheinungsbild aller Dinge.

      Alle Dinge, die entstanden sind, werden vergehen; was beginnt wird enden.

      Alle Dinge, die das Erdenauge sehen kann, sind das Erscheinungsbild des Nichts, sind nichts und müssen deshalb vergehen.

      Die Dinge, die wir sehen, sind nur Spiegelbilder, die wir sehen können, weil sie sich im Bereich der für den Menschen sichtbaren Schwingungen bewegen, ändern sich die Schwingungen, sind sie nicht mehr sichtbar.

      Der Heilige Odem {Syn. der Heilige Geist; Christus, etc.} ist die Wahrheit, denn er war, und ist, und wird immer sein, er kann sich nicht ändern und wird niemals vergehen.“ Lamaas sagte:

      „Sag mir, was ist der Mensch?“ Und Jesus antwortete:

      „Im Menschen ist die Wahrheit und der Irrtum in einer seltsamen Weise sehr eng vermischt. Der Mensch ist der fleischgewordene Odem Gottes; der Irrtum und die Wahrheit sind in ihm fest miteinander verbunden, die miteinander im Wettstreit stehen; weicht der Irrtum, dann wird der Mensch

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