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Musterbrecher. Dominik Hammer
Читать онлайн.Название Musterbrecher
Год выпуска 0
isbn 9783867742979
Автор произведения Dominik Hammer
Жанр Зарубежная прикладная и научно-популярная литература
Издательство Bookwire
19 Vgl. Beyer, U.: »›KI‹ ist Thema für die ganze Bundeswehr« (verfügbar über: https://www.bmvg.de/de/aktuelles/-ki-ist-thema-fuer-die-ganze-bundeswehr-28938) [letzter Abruf: 01.03.2020].
20 Vgl. Brynjolfsson, E./Mcafee, A.: »Von Managern und Maschinen«, in: Harvard Business Manager, Edition 3/2019, S. 16–23, S. 23.
21 Wüthrich, H. A./Osmetz, D./Kaduk S.: Musterbrecher – Führung neu leben, 3. Aufl., Wiesbaden 2009.
22 Ariely, D.: »Are we in control of our own decisions?«, 2008 (verfügbar über: http://www.ted.com/talks/dan_ariely_asks_are_we_in_control_of_our_own_decisions.html) [letzter Abruf: 01.03.2020].
Spielfeld 2
SCHWÄRMENDE GENIES
Warum das Analoge eine Bühne braucht
»Man kann die meisten Leute dazu bringen, öffentlich zu erklären, dass eins plus eins drei ergibt. Kein Problem. Es müssen ihnen nur genügend andere Leute dabei Gesellschaft leisten.« 23 Harald Martenstein, Kolumnist des Zeit Magazins, bringt es auf den Punkt: Menschen tendieren dazu, anderen wie die Lemminge zu folgen.
Vielleicht war es Glück, vielleicht hatten wir auch nur für das richtige Thema die richtigen Referenten gefunden. Die Karten für unsere Konferenz »Lebendige Führung: Muster überwinden – Potenziale entfalten« waren bereits sechs Wochen vor der Veranstaltung ausverkauft. Als die Teilnehmer am Morgen des 25. November 2011 im Veranstaltungsraum des Technoparks Zürich eintrafen, sahen sie, dass auf der Großleinwand ein Computerspiel im Gange war. Es handelte sich um den Telespielklassiker aus den 1980er-Jahren: Pong, eine Art Tischtennisspiel. Einige Personen aus dem Veranstaltungsteam hatten sich schon im Raum verteilt und hielten kleine Kellen in die Luft, die aussahen wie Raclette-Pfännchen, die auf der einen Seite silbern reflektierten, auf der anderen schwarz waren. In gewissen Abständen, nach einer zunächst nicht nachvollziehbaren Logik, drehten die Spieler die Kellen um 180 Grad. Wer neu hinzukam und die Szene beobachtete, merkte schnell, dass die Kellen wie Joysticks funktionierten, mit denen die Schläger auf dem Bildschirm – originalgetreu als simple Balken dargestellt – auf- und abbewegt werden konnten. Wir beobachteten, dass die eintreffenden Gäste – zuerst nur zögerlich, dann immer rascher – ebenfalls Spielkellen in die Hand nahmen, die auf jedem Platz bereitlagen. Nach einigen Minuten hatte sich ein kleiner Schwarm gebildet, dessen Mitglieder sich die Spielregeln offensichtlich nur aus dem Beobachten anderer erschlossen hatten. Die Regeln waren einfach: 1. Die eine Mannschaft wurde von Teilnehmenden in der linken, die andere von denen in der rechten Raumhälfte gebildet. 2. Je nachdem, welche Seite der Kelle nach vorne in Richtung Infrarotempfänger gehalten wurde, bewegte sich der Schläger nach oben oder unten.
Heiner Koppermann ist einer der beiden Geschäftsführer von SwarmWorks, einer Firma, die Großgruppen mithilfe moderner Technologie für Livekommunikation vernetzt. Für ihn ist das Gelingen dieses Experiments keine Überraschung: »Wir erleben seit Jahren, dass diese Form der spontanen Herausbildung eines koordinierten Schwarmverhaltens funktioniert. Menschen beobachten andere Menschen, erschließen die Steuerungsregeln und agieren ohne äußere Einwirkung so, dass die Gruppe eine gemeinsame Handlung vollzieht.«
Nach dem spielerischen Einstieg wechselten im weiteren Verlauf der Konferenz Vortragsimpulse und Arbeitsphasen. Letztere bestanden zunächst aus Votings, die von jedem Einzelnen über vernetzte iPods abgegeben werden mussten. Die Ergebnisse der individuellen Abfragen wurden zu Durchschnittswerten verdichtet und im Plenum sofort zur Diskussion gestellt.
Darüber hinaus wurde in Gruppen gearbeitet. Die 200 Teilnehmer waren auf 24 Tische verteilt, auf denen jeweils ein SwarmWorks-Desktop stand. Die Gruppen wurden nun aufgefordert, in einer Diskussion »Bremsklötze« zu benennen, die eine Kultur der Potenzialentfaltung in ihren Organisationen verhindern. Jede Gruppe gab ihre Ergebnisse in das System ein. Anschließend wurden die Antworten aller Gruppen, für alle sichtbar, auf einem elektronischen Marktplatz abgebildet. Die Gruppen sollten nun alle Bremsklötze nach Relevanz bewerten. Am Ende lag eine Liste vor, die folgende Hürden priorisierte: »Kurzfristdenken«, »Angst vor Kontroll- oder Machtverlust«, »fehlendes Vertrauen in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter«.
Im letzten Drittel der Veranstaltung luden wir die Teilnehmer dazu ein, mutige Experimente zu erarbeiten, die zur Überwindung der Hürden beitragen könnten. Es kam eine Reihe von Vorschlägen zusammen, die durchaus interessante Aspekte enthielten, wie zum Beispiel Zielvereinbarungsmodelle und Bonussysteme zu testen, Menschenbilder in der Organisation zu diskutieren, die Hierarchie für einen Tag aufzuheben oder eine Dialogplattform für den Ideenaustausch zu schaffen. Nur sehr wenige Ideen aber waren wirklich mutig.
Die Nutzung der in Organisationen vorhandenen kollektiven Intelligenz schien uns ein lange Zeit viel zu wenig beachteter strategischer Wettbewerbsvorteil zu sein. In unterschiedlichen methodischen Settings versuchten wir in den letzten Jahren, die besondere Wirkung der »Klugheit der vielen« zu nutzen. Schließlich sprechen Untersuchungen über Schwarmintelligenz dafür, sich mit dieser besonderen Form der Herstellung von Wissen auseinanderzusetzen. Zudem waren und sind wir davon überzeugt, dass vom Kollektiv getroffene und mitgetragene Entscheidungen ein Schmiermittel für das Funktionieren moderner Organisation sind.
Mit der digitalen Technik der vernetzten Livekommunikation gelang es immer – sowohl bei der Konferenz in Zürich als auch in anderen Settings –, hilfreiche Stimmungsbilder und Priorisierungen von Themen zu erzeugen. In diesem Sinne entstanden effiziente Varianten demokratischer Abstimmungsprozesse. Auch war das Kollektiv in der Lage, heikle Themen und Schwachstellen auf den Punkt zu bringen. Somit überzeugte der Schwarmansatz durch die erreichte Analysequalität. Schwarmtechnologie ist folglich eine ernst zu nehmende Alternative zu den herkömmlichen Befragungsprozeduren, weil sie schneller – in Echtzeit – zu Ergebnissen führt, die dann wiederum kommentiert und diskutiert werden können.
Als schwieriger erwies sich die Ideenentwicklung in den Gruppen, auch wenn die Aktivierung zum Dialog gelang.
Denn wir stellten häufig fest, dass die Ideen selten besonders stark waren. Vielmehr reihten sie sich in das bestehende Muster, in die vorhandenen Theorien, Überzeugungen und Interpretationen der Organisation ein. Die Ergebnisse waren hundertfach vorgedachte Gedanken. Die Erwartungen an Originalität und Fantasie wurden nicht erfüllt, wenngleich durchaus einige interessante Ansätze entwickelt wurden.
Also stellten wir uns Fragen: Warum sind wir häufig gemeinsam so unproduktiv, wo doch seit Jahrzehnten die Lehraktivitäten in Unternehmen, Schulen und Universitäten immer stärker am Teamgedanken ausgerichtet werden? Weshalb kann der Schwarm nur begrenzt als Vorbild dienen, wenn doch seit vielen Jahren unablässig seine Intelligenz beschworen wird? Sind wir vielleicht eher gemeinsam »schwarmdumm«, so wie es der Titel eines Buches von Gunter Dueck nahelegt? 24
Die amerikanische Juristin Susan Cain, Autorin des bemerkenswerten Buchs zur Rehabilitation der Stillen 25, liefert eine lakonische Antwort: »Manche Menschen wollen, dass wir eine Schwarmintelligenz entwickeln wie Ameisen. Wir sind allerdings keine Ameisen.« Mit dieser unzweifelhaft nachvollziehbaren Aussage wollen wir uns nicht zufriedengeben, sondern den Dingen weiter auf den Grund gehen. Allein schon deshalb, weil es einen Unterschied gibt zwischen den relativ neu entdeckten Schwärmen und den länger bekannten Gruppenphänomenen.26
Beginnen wir mit der Vorstellung vom Schwarm als einem größeren Kollektiv. Der Medienwissenschaftler