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sind der Austausch von Argumenten und erster Lösungsansätze im gemeinsamen großen Rahmen wertvoll.27

      Damit wirklich neue, andersartige Lösungen entstehen können, wird im Kollektiv auch zwingend individuelle Intelligenz benötigt.

      In gleicher Weise äußert sich der schon erwähnte Praktiker Jaime Lerner. Der mehrfach wiedergewählte Bürgermeister von Curitiba in Brasilien sagte uns im Interview: »Menschen im Kollektiv zu befragen, hat durchaus einen Sinn. Aber es bedarf einer Idee oder einer Vision, an der man dann gemeinsam arbeiten, über die man nachdenken kann. Einfach ein Kollektiv zusammenzurufen und zu sagen: ›Jetzt findet mal Ideen!‹, das gibt nichts Neues, meist entsteht sogar Chaos.«

      Doch wieso wird in Kollektiven die Fantasie gehemmt? Hören wir nicht ständig von der Kreativität der Massen und der schwindenden Wertschätzung des im Stillen sinnierenden Genies? Wie kommt es, dass durch elektronische Vernetzung, wie es im Arabischen Frühling oder bei den Protesten in Hongkong in beeindruckender Weise der Fall war, Revolutionen in Gang gesetzt und bestehende Systeme gestürzt beziehungsweise zumindest erschüttert werden – auf die Mobilisierung jedoch keine Neugestaltung erfolgt? Und was bedeutet es für eine digital vernetzte Welt, wenn wir in diesem Kollektiv zwar gemeinsam wortmächtig »meckern und motzen«, aber andererseits keine wirkliche gemeinsame Kreativität entwickeln können?

      Die fast schon paradoxe Einsicht lautet: Man muss den sozialen Austausch in einem Kollektiv begrenzen, damit der Schwarm im positiven Sinne wirksam werden kann.

      Andernfalls wird die »Konsensmaschinerie« in Gang gesetzt. Wertvolle nonkonforme Einzeleinschätzungen unterliegen dem sozialen Druck. Die Kraft sozialer Einflüsse ebnet dabei nicht nur deutlich abweichende Meinungen ein, sondern führt sogar dazu, dass man nicht mehr zu »gewussten« Eigenschaften steht, wie das folgende Experiment zeigt:

      Gehen wir also von der naheliegenden Annahme aus, dass menschliche Individuen klüger oder zumindest anders sind als Ameisen oder Bienen. Und nehmen wir ferner an, dass ein beträchtlicher Teil dieser klugen Menschen ganz vielfältige und unterschiedliche Vorstellungen und Ideen hat. Berücksichtigen wir außerdem, dass nach seriösen Schätzungen etwa 30 Prozent der Bevölkerung nicht zum Verkäufertypus zählen, den Susan Cain kritisch als extrovertiertes Ideal der westlichen Welt beschrieben hat, dann müssten wir also Wege finden, wie auch die Intelligenz der Stillen zum Tragen gebracht werden kann. Dabei muss jedoch bedacht werden: Man erachtet Einstufungen in Typen – wie etwa extrovertiert vs. introvertiert, agil vs. flexibel oder dynamisch vs. veränderungsresistent – oftmals als hilfreich, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass es realiter kein Schwarz-Weiß gibt. Menschen sind – da Individuen – unterschiedlich und können dennoch gleichartige Verhaltensmuster zeigen. So sind es beispielsweise die eher ruhigen Menschen, die sich weder bei Teamarbeit noch in Gruppendiskussionen wohlfühlen und eine offene Arbeitsumgebung in Großraumbüros als Belastung empfinden. Sie wollen Sachverhalte für sich alleine durchdringen und nicht genötigt werden, ihre Ideen gemeinsam mit anderen am Flipchart zu entwickeln und der Geschäftsleitung zu präsentieren.

      Ebensowenig wie jeder »Stille« ein großartiger Denker ist, muss jeder »Laute« Bedeutsames zu bieten haben.

      Der Teamgedanke wird zum Dogma und auf das Kollektiv übertragen.

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