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Vorgehen, als es klassische Stage-Gate-Modelle und Wasserfallplanung im Rahmen des Innovationsmanagements je sein können. Leider bleibt Design Thinking in vielen Organisationen ein nettes Spiel auf der Vorderbühne, dem meist nur applaudiert wird, um mit der Zustimmung modernes Denken zu signalisieren. Doch die Machtverhältnisse sind klar: Organisationen und ihre Erfüllungsgehilfen im Management versuchen, das Neue zu verhindern.

      Aus diesem Grund darf es auch nicht verwundern, dass ein nicht unerheblicher Teil der wirklichen Neuerungen aus fremden Branchen, unorganisierten Garagenfirmen oder von Individuen stammt – und oft einfach durch Zufall entsteht.

      Eddie Obeng, Gründer einer der ersten virtuellen Business Schools weltweit, bemängelt, dass geregelte Abläufe mit klaren Hierarchie- und Entscheidungsstrukturen keine Zufälle mehr zuließen. Statt sich das Überraschende zu »gönnen«, investiere man jahrelang sehr viel Energie in Voraussagen, die im Moment der Veröffentlichung bereits veraltet seien.53 Ulf Pillkahn geht noch ein Stück weiter. Er will das Zufällige wieder aktivieren und schlägt vor, Innovationen per Losverfahren voranzutreiben. Man (er)spare sich damit das sinnlose Prozedere der Chancenabschätzung nach der klassischen, ein klares Ergebnis suggerierenden Projektlogik.54 Kein Entscheider, kein Umsetzer und keine Ideengeberin müssen sich diesbezüglich für die Arbeit an einem neuen Thema, für die eingesetzte Zeit oder für das Scheitern rechtfertigen. Denn alleine der Zufall entscheidet darüber, was weiterverfolgt wird.

      Einen rechtfertigungsfreien Raum schaffen sich Menschen auch, wenn sie sich außerhalb des Unternehmens – oft in der Freizeit – vernetzen und mithilfe virtueller Formen der Zusammenarbeit an der kreativen Lösung schwieriger Probleme tüfteln. InnoCentive 55 ist eine solche Plattform, auf der Organisationen Probleme platzieren können, die andere dann für sie lösen.56

      Innovationsmanager können mit ihren Systemen und Methoden nicht das leisten, was sie leisten wollen: nämlich das Neue hervorbringen.

      Das muss noch nicht einmal von Nachteil sein, kann dadurch doch verhindert werden, dass absurde und sinnlose Ideen umgesetzt werden. Die Menschheit hat nicht auf jede Produktinnovation, jedes neue Werbekonzept oder jeden zusätzlichen Service gewartet. Das Neue ist nicht automatisch gut, nur weil es neu ist – oder wie James March es in einem Interview formuliert: »Die meisten neuen Ideen sind schlecht!« 57 Unter diesem Aspekt erhält Innovationsmanagement eine Rolle, die ihm im Drehbuch nie zugedacht war – die Rolle des Ideennichtverwerters.

      Vor diesem Hintergrund machen Menschen in Organisationen zwangsläufig widersprüchliche Erfahrungen. Einerseits werden sie mit immer ausgefeilteren Methoden in Richtung Ideenverhinderung, Sicherheit und Stabilität getrimmt, andererseits müssen sie permanent Appelle wie »Seid innovativ!«, »Verändert euch!« oder »Denkt out of the box!« ertragen. Eine paradoxe Situation. Man könnte resignieren. Man könnte aber auch die Rolle der Führung überdenken.

      Organisationen entstehen, weil Menschen mit praktischen Paradoxien umgehen müssen.

      Genauer: Eine praktische Paradoxie entsteht dadurch, dass ein Einzelner vor der Wahl steht, entweder etwas zu produzieren oder etwas zu liefern. Beides zusammen zur selben Zeit ist nahezu unmöglich. Der Einzelne löst dieses Problem durch die Trennung von Raum und Zeit. Indem er zuerst produziert und dann liefert. Wenn die Raum-Zeit-Trennung durch Wachstum unmöglich wird, entsteht eine Organisation aus Teilsystemen mit unterschiedlichen Aufgaben. Dies geschieht in der Hoffnung, dass diese Teilsysteme in sich widerspruchsfrei agieren können – zum Beispiel die Produktion und der Vertrieb. Da das gesamte Gebilde in der Realität jedoch ganz und gar nicht widerspruchsfrei ist, bilden sich zur Koordination der einzelnen Einheiten und Untereinheiten Hierarchien, die im Konfliktfall entscheiden. Diese Hierarchien findet man dann einerseits in Organigrammen, andererseits in den vor- und nachgelagerten Abläufen. Von außen sehen wir ein großes Ganzes, das wir als Unternehmen oder Verwaltung wahrnehmen. Neuerungen auf der Struktur- oder Prozessebene führen zu einem Konfliktfall für dieses Ganze. Soll ein neues Produkt hergestellt werden, sind davon die Beschaffungs-, Produktions- und Vertriebsprozesse betroffen. Geht es um eine neue Organisationsform, entfallen möglicherweise Hierarchieebenen. Und wenn neue Märkte bearbeitet werden sollen, müssen neue Teileinheiten aufgebaut oder integriert werden.

      Zur Handhabung dieser Konflikte schlägt Fritz B. Simon vor, die Rolle der Führung mit dem Fühlen in psychischen Systemen in Verbindung zu bringen.58 Gefühle entscheiden letztlich, wie wir entscheiden. Die Neurobiologie zeigt, dass jede rationale Überlegung in Einklang mit unserem emotionalen Erfahrungsgedächtnis stehen muss, damit sie sich durchsetzen kann. Vereinfacht könnten wir sagen, dass das Gefühl bei jeder Entscheidung das erste und das letzte Wort hat und dass das Bewusstsein sich zu Unrecht für den Alleinentscheider hält. In Wirklichkeit findet im Gehirn ein Wechselspiel zwischen den unterschiedlichsten Instanzen statt.59 Fühlen, so Simon, ermögliche es dem Individuum, schnell zu handeln, grobe Bewertungen vorzunehmen, Leitplanken zu definieren. Und das besonders dann, wenn logisch prinzipiell nicht entscheidbare Situationen vorliegen, wenn es sich also um eine Paradoxie handelt.

      Führung sollte sich als das »Fühlen« in der Organisation verstehen.

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