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war. Und gezeigt hat, dass Mitarbeitende sehr wohl fähig sind, sich selbstverantwortlich zu organisieren, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Sie alle sind Beispiele dafür, dass Experimente an den Fundamenten der bisherigen Überzeugungen von Organisationen rütteln können – und das mit Erfolg.

      Vor vielen Jahren wurden wir durch einen Radiobericht auf Lars Vollmer aufmerksam, der zum damaligen Zeitpunkt einer der beiden Geschäftsführer der Vollmer & Scheffczyk GmbH war. Gemeinsam mit seinem Geschäftsführungspartner und den circa 20 Mitarbeitenden hatte er den Mut, die Gehaltsfestlegung zum Inhalt eines Experiments zu machen. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter durfte ab diesem Zeitpunkt die Höhe ihres beziehungsweise seines Lohns selbst bestimmen. Sie oder er musste aber zwingend zwei Kolleginnen oder Kollegen konsultieren. Und daran hat man konsequent festgehalten: Zum Schluss blieb es nämlich die Sache des einzelnen Mitarbeitenden, die Höhe des eigenen Gehalts festzulegen.

      Wir selbst unterstützen seit einigen Jahren Vorstandsbereiche, Abteilungen und Teams beim Experimentieren.

      Wir haben beispielsweise ein Einarbeitungsprogramm in der Automobilindustrie begleitet. Es dauerte ein Jahr und war nicht mehr nur auf den einzelnen Arbeitsplatz fokussiert. Die Neuen durchliefen Stationen in allen Bereichen der Abteilung, über mehrere Standorte verteilt, mit jeweils eigenen Projekten. Die einzuarbeitenden Ingenieure wurden zwar erst viel später als üblich am eigentlichen Arbeitsplatz produktiv, vernetzten sich aber durch das Programm in bemerkenswerter Weise und arbeiteten in der Folge mit besonders ausgeprägter Selbstverantwortung.

      Oder wir haben zum Beispiel in einem öffentlichen Unternehmen versuchsweise Projektrollen ausgeschrieben. Entgegen gegenteiliger Befürchtung meldeten sich viele Mitarbeitende, vor allem auch solche, mit deren Meldung niemand gerechnet hätte. In einem anderen Begleitungsprozess entstand die Experimentieridee, dass Kollegen die Schulung anderer Kollegen übernehmen sollten. Die Anregung stieß auf unerwartet großes Interesse. Die Nachfrage nach wichtigen Ausbildungsthemen war ebenso groß wie die Anzahl der schulungswilligen Kollegen. Oder eine Führungskraft wollte ein Signal des Vertrauens an ihre Mitarbeitenden senden und entschied sich dazu, sich »verwundbar« zu zeigen. Statt sich wie bisher pro Jahr zwei Tage Weiterbildung aus dem firmeneigenen Weiterbildungskatalog auszusuchen, reichte sie den Katalog den Mitarbeitenden weiter, die dann entschieden, welche Weiterbildung sie besuchen sollte. Das ist zwar kein aufwendig auszuarbeitendes und schwer umzusetzendes Experiment, aber die potenzielle Verwundbarkeit ist durchaus gegeben: Was wäre, wenn die Mitarbeitenden ihre Führungskraft zu einem Seminar »Empathie in der Führungskommunikation« schicken würden …?

      Bei all diesen Experimenten hatten Führungskräfte und Mitarbeiter ernsthaft begonnen, alles auf den Prüfstand zu stellen, was vermeintlich so sein muss, wie es immer war. Zum Beispiel: Städteplanung muss top-down erfolgen. Mein Job ist generell wichtiger als der des Reinigungspersonals. Der sogenannte »einfache Arbeiter« ist grundsätzlich nicht in der Lage, sich selbst zu organisieren. Prototypen werden in den dafür vorgesehenen F&E-Abteilungen entwickelt, Gehaltsfragen top-down entschieden. Tägliche Teamtreffen ohne Agenda sind Zeitverlust. Mitarbeiter müssen möglichst schnell an ihrem Arbeitsplatz eingearbeitet werden. Kollegen sind nicht daran interessiert, von Kollegen zu lernen.

      Es kommt darauf an, die eigene Intuition auf den Prüfstand zu stellen: Denn unsere Intuition spricht über alles Mögliche mit uns.

      •Musterbrecher spielen mit ihren alten Mustern und probieren neue aus.

      •Musterbrecher verzichten auf Perfektion. Sie experimentieren im Bewusstsein, dass es während des Prozesses Kolleginnen und Mitarbeiter geben wird, die die Qualitätsarbeit leisten.

      •Durch Experimente erzeugen Musterbrecher produktive Unsicherheit, die Organisationen zu vermeiden suchen.

      •Musterbrecher schütteln Hände. Sie haben keine Berührungsängste und sind offen für Erfahrungen jedweder Qualität.

      Experimente werden in den nächsten Kapiteln immer wieder thematisiert werden und Anregungen und Inspirationen liefern. Denn das wesentliche Merkmal von Musterbrechern ist es, dass sie Experimente wagen – und nicht nur darüber reden wie die sogenannten »Querdenker«.

      Anmerkungen

      3 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Experiment [letzter Abruf: 01.03.2020].

      4 Lotto, B./O’Toole, A.: »Science is for everyone, kids included«, 2012 (verfügbar über: https://www.ted.com/talks/beau_lotto_amy_o_toole_science_is_for_everyone_kids_included?language=de#t-75555) [letzter Abruf: 01.03.2020].

      5 Vgl. Lotto, B.: Anders sehen – Die verblüffende Wissenschaft der Wahrnehmung, 3. Aufl., München 2018, S. 24.

      6 Vgl. Lotter, W.: Innovation – Streitschrift für barrierefreies Denken, Hamburg 2018, S. 58 f.

      7 Vgl. Baecker, D.: Organisation und Management, New York 2003, S. 34 f.

      8 Vgl. Mullis, K.: »Kary Mullis celebrates the experiment«, 2009 (verfügbar über: http://www.ted.com/talks/kary_mullis_on_what_scientists_do.html) [letzter Abruf: 01.03.2020].

      9 Vgl. Stengers, I.: »Die Galilei-Affären«, in: Serres, M. (Hrsg.): Element einer Geschichte der Wissenschaft, Berlin 1998, S. 398 f.

      10 Vgl. Luhmann, N.: Die Gesellschaft der Gesellschaft, Berlin 1998, S. 731 f.

      11 Vgl. C40 Cities (verfügbar über: https://www.c40.org/awards/2016-awards/profiles) [letzter Abruf: 01.03.2020].

      12 Gigerenzer, G.: Bauchentscheidungen: Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition, 3. Aufl., München 2008, S. 12 f.

      13 Wüthrich, H. A./Osmetz, D./Kaduk, S.: Musterbrecher – Führung neu leben, 3. Aufl., Wiesbaden 2009, S. 27 ff.

      14 Vgl. Betschon, S.: »Kühlung durch KI«, in: NZZ-Online (verfügbar über: https://www.nzz.ch/digital/kuehlung-durch-ki-ld.1413985) [letzter Abruf: 01.03.2020].

      15 Vgl. Brynjolfsson, E./McAfee, A.: »Von Managern und Maschinen«, in: Harvard Business Manager, Edition 3/2019, S. 16–23, S. 19.

      16 Vgl. Lobo, S.: Realitätsschok – Zehn Lehren aus der Gegenwart, Köln 2019, S. 217 ff.

      17 Vgl. Mason, H.: »Das ist keine Hexerei«, in: Harvard Business Manager, Heft 11/2017,

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