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Fähigkeiten. Getroffene Entscheidungen vermitteln Klarheit und beseitigen Ungewissheit und Unsicherheit in der Kommunikation. Andere Stellen der Organisation bis hin zum Kunden werden damit nicht mehr belastet. Sie können mit der getroffenen Entscheidung weiterarbeiten.7

      Es stellt sich sofort die Frage, wie wir trotz allen Sicherheitsstrebens jemals etwas Neues erkennen konnten. Wie kommt es dennoch zu Veränderung und Innovation? Warum »riskieren« es manche Unternehmer, Mitarbeitende am Band oder im Callcenter tatsächlich in die Selbstverantwortung zu entlassen? Wie kommt es, dass Firmen die Sicherheit eines geordneten Gehaltssystems bewusst zerstören, indem die Mitarbeitenden die Höhe ihres Gehalts selbst bestimmen dürfen?

      Weil wir – oder zumindest einige von uns – damit begonnen haben, Fragen zu stellen. Es geht um bislang unbeantwortete, ja sogar um prinzipiell unbeantwortbare Fragen. Letztere sind nach Heinz von Foerster Fragen, für die noch kein Bezugssystem existiert, in dem sie eindeutig zu beantworten wären. Es sind genau diese Fragen, die uns auf die Stufe der Ungewissheit führen. Wer dennoch auf etwas Unbeantwortbares antwortet, exponiert sich, kann auf kein Sicherheit gebendes Faktum aus der Vergangenheit verweisen. Daraus entsteht wiederum eine sehr große Freiheit, so Heinz von Foerster. Denn wir können nahezu beliebig antworten, sofern wir den Preis der Verantwortung zu zahlen bereit sind.

      Wenn wir also etwas Neues wollen, müssen wir uns ganz bewusst in die Ungewissheit begeben.

      Darum sind im Sinne der Veränderung jene Fragen die besten, die Ungewissheit erzeugen. Es handelt sich um Fragen, bei deren Lösung weder irgendein Algorithmus noch die Erfahrung eines bereits erfolgreich beschrittenen Weges helfen können. Jedes Mal, wenn man sich mit diesen unangenehmen Fragen beschäftigt, erforscht und offenbart man seine individuellen Wertvorstellungen und Haltungen: »Liebe ich meinen Partner wirklich?«, »Kann ich meinem Nachbarn vertrauen?«, »Braucht Schule Noten?« oder »Müssen unsere Krankenhäuser nach Managementstandards geführt werden?«

      Nach Beau Lotto haben Menschen ein »Verfahren« entwickelt, das es ihnen erlaubt, gefahrlos diese Fragen zu stellen: das Spielen.

      Das Spiel ist eines der wenigen Dinge, in dem wir Ungewissheit zelebrieren. Es eröffnet Möglichkeiten.

      Es ermöglicht, dass sich Menschen ausprobieren. Es basiert auf intrinsischer Motivation und Kooperation. Letztlich spricht Lotto damit die Vorstellung vom Homo ludens an. Damit ist jene Figur gemeint, die der Niederländer Johan Huizinga Ende der 1930er-Jahre beschrieb. Der spielende Mensch wächst in seinen individuellen Eigenschaften und Fähigkeiten – vorausgesetzt, er bewegt sich in einem Feld, das ihm Handlungsfreiheit zugesteht.

      Wenn wir uns diese Charakteristika des Spielens näher anschauen, wird deutlich, dass sie gleichzeitig die Voraussetzungen sind, die ein guter Wissenschaftler braucht, um zu neuer Erkenntnis zu gelangen. Was uns jedoch beim Spielen (englisch: play) noch fehlt, sind Regeln. Wenn wir dem Spielen Regeln geben, wird daraus das Spiel (englisch: game). Es entsteht so etwas wie Monopoly, Fußball oder Angry Birds. Das Spiel bietet den Rahmen, das Ergebnis bleibt offen. Experimentieren ist demnach ein Spiel mit offenem Ausgang.

      Ohne den Mut, Fragen zu stellen, die bisher keiner zu stellen gewagt hatte, wären die innovatorischen Bewegungen bis heute vermutlich nicht möglich gewesen.

      Doch wo finden wir diesen Mut zum Experimentieren im Management?

      An erschreckend wenigen Orten. Und der Grund dafür ist schnell gefunden: Das Experimentieren ist weder Bestandteil der universitären Management-Curricula noch der Führungsausbildung. Man kennt den Begriff eventuell noch in der Marktforschung oder lernt in der Organisationspsychologie das eine oder andere Experiment kennen. Die Ausbildung und das Selbstverständnis von Management schließen das Experimentieren per definitionem aus. Management wird als die Planungsinstanz in der Organisation interpretiert. Es geht um die Leitung von Unternehmen nach allgemein anerkannten Prinzipien, die Effizienz sicherstellen sollen. Der Versuch ist hingegen geradezu verpönt. Ein Manager experimentiert nicht. Schließlich weiß er, was zu tun ist. Und man möchte sich schließlich nicht der Gefahr aussetzen, unangenehm überrascht zu werden.

      Seit 1997 verfolgen wir die Entwicklung von Curitiba. Die in Deutschland eher unbekannte Hauptstadt des Bundesstaates Paraná im Süden Brasiliens könnte sich nach 2014 etwas mehr ins Blickfeld geschoben haben. In der Arena da Baixada von Curitiba gewann Spanien bei der Fußball-WM sein letztes Vorrundenspiel gegen Australien mit drei zu null (musste aber aufgrund der beiden anderen verlorenen Spiele dennoch die Heimreise antreten).

      In uns reifte der Wunsch, einmal selbst nach Curitiba zu reisen. Da kam uns ein Zufall zu Hilfe. Einer unserer Studenten lebte mit seinem Vater, einem Manager bei VW, für einige Jahre dort. Da er Portugiesisch spricht und die Stadt zum Gegenstand seiner Masterarbeit machen wollte, organisierte er unsere »Forschungsreise« und begleitete uns.

      Schon beim Anflug auf Curitiba ist klar, dass diese Stadt eine besondere ist. Während São Paulo wie eine nicht enden wollende Betonwüste aus Häusern und Straßen wirkt, erscheint Curitiba als eher »grüne Stadt«. 1971 gab es pro Einwohner nur eine 0,5 Quadratmeter große »nutzbare« Grünfläche. Mittlerweile sind daraus 54 Quadratmeter geworden – und das bei inzwischen verdreifachter Einwohnerzahl. Das bedeutet eine dreihundertfache Vergrößerung der Grünflächen im Vergleich zu 1971. Die unzähligen Parks, Wiesen und Stadtwälder werden gleichzeitig als Ausgleichsflächen für Überschwemmungen genutzt. Von diesen war die Stadt oft betroffen, und gerade die arme Bevölkerung in hochwassergefährdeten Gebieten litt besonders darunter. Selbst für europäische Verhältnisse sind die Parks entlang der fünf Flüsse, die Curitiba durchschneiden, beeindruckend. Ihre Funktion als Ausgleichsflächen erfüllen sie hervorragend, obwohl bis in die Mitte der 1980er-Jahre Baufirmen und nicht ganz uneigennützige Städteplaner die Stadtverwaltung gedrängt hatten, alle Flüsse in unterirdische Kanäle umzuleiten – ein riesiges Projekt, an dem man gut hätte verdienen können.

      Beim Verlassen des Flughafens sehen wir an jeder Ecke sechs verschiedenfarbige Mülleimer für die diversen Müllsorten stehen. Wir steigen in den Flughafenbus. Die Stadt ist unvorstellbar sauber. Keine Zigarettenkippen auf den Gehwegen, kein Müll in den Grünanlagen. Und sie wirkt sehr europäisch. Nur ab und zu sieht man Viertel, in die man sich nicht hineintrauen würde, die sogenannten »Favelas«. Je weiter wir in die Stadt hineinkommen, desto häufiger sehen wir röhrenförmige – fast futuristisch anmutende – Bushaltestellen. Auf einer gesonderten Spur kommt uns ein circa 25 Meter langer Doppelgelenkbus entgegen. Ähnlich einer U-Bahn halten diese Hochflurbusse, die bis zu 270 Passagiere transportieren können, an den Haltestellenröhren und klappen ihre Rampen aus, über die dann die Fahrgäste barrierefrei zusteigen können.

      In den kommenden Tagen besichtigen wir alle bekannten Orte der Stadt: die Oper aus Stahl und Glas, die innerhalb von drei Monaten gebaut wurde, die aus alten hölzernen Laternenmasten erstellte Umweltuniversität, die erste Fußgängerzone Lateinamerikas, die dutzendfach über die Stadt verteilten Bibliotheken,

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