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Immer wenn er in München war, ließ er es sich nicht nehmen, den Freund zu besuchen.

      »Sag’, wie geht’s dir, mein Alter?« fragte Richard, als sie beim Kaffee saßen. »Was treibt dich nach München? Das letzte, was ich von dir hörte, war ein Kartengruß aus Rio.«

      Wolfgang lehnte sich behaglich in seinen Sessel zurück und genoß die angebotene Zigarre.

      »Ich hab’ morgen einen Termin in Nürnberg. Ein großes Frauenjournal möchte Bilder von der neuesten Trachtenmode«, antwortete er. »Naja, gestern hatte ich noch in London zu tun, und ich hab’ heut schon den Flieger genommen, um dich vorher noch zu sehen. Wie sieht’s heut’ abend aus? Kannst du dich freimachen?«

      »Für dich doch immer!«

      Wolfgang rieb sich das Kinn.

      »Ich hatte mir da auch schon etwas ausgedacht«, sagte er. »Weißt du, vor einigen Wochen hab’ ich in New York ein Konzert einer phantastischen Sängerin gehört. Gestern lese ich zufällig in einem deutschen Magazin, daß Maria Devei, so heißt die Sängerin, heute abend hier in München auftreten soll.«

      Er machte ein bedauerndes Gesicht.

      »Tja, und heut’ morgen, auf dem Flughafen, hör ich, daß das Konzert abgesagt werden mußte. Die Sängerin ist erkrankt. Wirklich schade. Die Frau hat eine Stimme, sag ich dir.«

      »Ja, schade«, pflichtete Richard Anzinger ihm bei. »Aber ich denk’, wir werden den Abend auch so rumkriegen. Ich laß gleich einen Tisch im ›Münchener Hof‹ reservieren. Du wohnst doch sicher wieder dort?«

      »Schon geschehen«, winkte Wolfgang ab.

      Der Fotograf rieb sich wieder über das Kinn.

      Sag’ mal, Richard, ist mit dir alles in Ordnung?« fragte er forschend.

      Richard Anzinger sah ihn verblüfft an. Konnte man es ihm jetzt schon ansehen, wie es um ihn stand, oder hatte Frau Brandner etwa…?

      »Gib’s zu, meine Sekretärin hat dir was gesteckt«, antwortete er.

      Wolfgang lachte.

      »Stimmt. Die gute Seele macht sich Sorgen um dich«, gab er

      zu. »Seit du gestern von einer

      Geschäftsreise zurückgekommen bist, sollst du dich sehr verändert haben. War die Reise denn solch ein Mißerfolg?«

      »Nein, nein. Ganz im Gegenteil. Aber, ich muß dir ein Geständnis machen, Wewe. Mich hat’s erwischt!«

      So, nun war’s heraus.

      Wolfgang machte große Augen.

      »Was?« rief er erstaunt. »Auf deine alten Tage hast du dich verliebt?«

      »Na hör mal! Ich bin im Januar erst zweiunddreißig geworden«, gab Richard Anzinger in gespielter Empörung zurück.

      »Wer ist es denn? Mensch, spann mich doch net so auf die Folter!«

      Der Kaufmann seufzte.

      »Wenn ich das nur wüßt…!«

      Sein Freund sah ihn verständnislos an.

      »Was soll das heißen? Das mußt du mir näher erklären.«

      Richard Anzinger nickte.

      »Ich bin ja schon dabei.«

      Er erzählte, wie er die unbekannte Schöne im ICE gesehen und sich in sie verliebt hatte, so daß er seitdem nur noch an sie denken konnte.

      »Das muß ja eine Traumfrau sein«, meinte der Freund.

      »Wenn du gleich so hin und weg bist! Beschreib sie doch mal.«

      Richard tat ihm den Gefallen. Wolfgang hörte ihm zu – und wurde immer nachdenklicher.

      »Ich kann mir nicht helfen«, sagte er dann. »Irgendwie kommt mir diese Frau bekannt vor. Was du da gesagt hast, von den Haaren und der eleganten Erscheinung…, laß mich mal nachdenken… Ja, ich glaub’, ich hab’s. Hast du das ›JOURNAL‹ von der letzten Woche noch hier?«

      Richard Anzinger sah ihn nicht verstehend an.

      »Ja, ich glaub’ schon. Ich hab’s net gelesen, weil ich ja unterwegs war. Aber, warum fragst?«

      »Weil ich dir etwas zeigen will, was uns – oder besser gesagt dir – weiterhilft.«

      Sie fanden das Magazin in einem Stapel anderer Zeitungen und Illustrierter. Wolfgang schlug es auf und blätterte es durch.

      »Wußt’ ich’s doch«, sagte er triumphierend und zeigte auf einen Artikel über die Sängerin Maria Devei.

      Neben der Reportage waren mehrere Bilder abgedruckt.

      »Das ist sie. Mein Gott, ja, das ist die Frau!«

      Richard Anzinger war vollkommen aus dem Häuschen. Immer wieder blickte er auf die Fotos. Dann ließ er sich in seinen Sessel sinken.

      »Du sagtest, das Konzert mußte abgesagt werden, weil sie erkrankt ist«, stellte er fest. »Hoffentlich ist es nichts Schlimmes. Eigentlich sah sie so krank gar nicht aus.«

      Der traurige Zug um ihren Mund, der ihn so nachdenklich gemacht hatte, fiel ihm wieder ein. Er sprang auf und lief, wie ein eingesperrter Tiger in seinem Käfig, hin und her.

      »Ich muß zu ihr!« sagte er immer wieder.

      »Nun setz’ dich erst mal wieder.«

      Wolfgang drückte den Freund sanft in den Sessel.

      »Weißt du denn überhaupt, wo du nach ihr suchen sollst? Nein! Also, beruhig’ dich erst einmal.«

      Richard hob hilflos die Hände.

      »Du hast recht«, sagte er entmutigt. »Ich hab’ ja überhaupt keine Ahnung, wo sie sein könnte.«

      »Das überlaß mal mir«, beruhigte Wolfgang ihn. »Laß uns erst einmal feststellen, was wir wissen. Also, sie ist Maria Devei, und du hast sie im Zug gesehen. Ihr seid zusammen hier in München ausgestiegen, und sie ist mit einem anderen Zug weitergefahren. So weit, so gut. Was wir net wissen, ist, wohin sie wollte, aber das bekomm’ ich schon noch raus!«

      Er hatte es plötzlich sehr eilig, sich zu verabschieden. Richard sah ihn entgeistert an.

      »Aber, wie willst du denn…?«

      »Ich muß ein paar Leute anrufen«, erklärte der Freund. »Ein paar Verbindungen spielen lassen. Wir sehen uns heut’ abend im Hotel. Zwanzig Uhr. Dann wissen wir mehr.«

      Er ließ einen ratlosen Richard Anzinger zurück.

      Der Kaufmann setzte sich und nahm das Magazin in die Hand. Lange blickte er auf die Bilder der Sängerin, dann nahm er eine Schere von seinem Schreibtisch und schnitt das schönste von ihnen aus. Ein Porträtfoto. Er steckte es in die Brusttasche seines Anzugs. Ganz nahe an seinem Herzen.

      *

      Sebastian Trenker stand im Pfarrgarten und sah überhaupt nicht wie ein Geistlicher aus. Er trug eine derbe, alte Hose, eine blaue Schlosserjacke und Gummistiefel. So ausgerüstet war er, zusammen mit Alois Kammeier, dem Mesner von St. Johann, damit beschäftigt, das Gartenstück zwischen Kirche und Friedhof in Ordnung zu bringen.

      Es hatte bis vor zwei Tagen heftig geregnet, und nun wurde es höchste Zeit, das wuchernde Unkraut zu jäten, und von der Ernte zu retten, was noch nicht durch die Nässe verfault war. Drinnen, im Pfarrhaus, hatte Sophie Tappert den großen Wecktopf auf den Herd gestellt und bereits die dritte Partie Birnen fertig eingeweckt. Auf dem Küchentisch stand eine Batterie Gläser, in denen sich das ›leckerste Apfelmus der Welt‹ befand, wie Max Trenker behauptete. Der Bruder des Pfarrers kannte keine Zurückhaltung, wenn die Haushälterin das Apfelmus zu ihren berühmten Kartoffelpuffern servierte…

      Nebenbei hatte Sophie noch einen Napfkuchen gebacken, der auf einem Rost abkühlte. Den sollte es zum Nachmittagskaffee geben.

      Pfarrer

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