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neuesen Tratsch verbreiten. Sie hat breit und lang von dieser Künstlerin geredet.«

      Sebastian konnte es sich bildlich vorstellen. Maria Erbling war die Witwe des ehemaligen Poststellenleisters, und die gefürchteste Klatschtante von St. Johann. Wollte man eine Neuigkeit schnell unter die Leute bringen, so brauchte man es Maria nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertrauen und konnte sicher sein, daß kurze Zeit später der ganze Ort davon wußte.

      »Es ist kein Gerücht«, sagte der Pfarrer. »Maria Devei hat ein Zimmer im ›Löwen‹ genommen. Ich hab’ gestern mit ihr gesprochen. Es ist eine schlimme Sache, über die ich mit Ihnen noch reden wollt’.«

      Sebastian schilderte die ganze tragische Geschichte. Toni Wiesinger hörte aufmerksam zu.

      »Wir müssen etwas unternehmen«, schloß der Geistliche.

      »Natürlich«, antwortete der Arzt, »ich kann sie untersuchen und eine Diagnose stellen. Wenn sie es will. Und mit dem Arzt, der sie untersucht hat, könnte ich auch sprechen. Wissen Sie den Namen?«

      »Ein Professor Bernhard aus Frankfurt.«

      Tonis Augen weiteten sich.

      »Georg Bernhard?« rief er.

      »Ob er Georg heißt, weiß ich net«, entgegnete Sebastian. »Nur, daß er eine ziemliche Kapazität sein soll. Kennen Sie ihn etwa?«

      Dr. Wiesinger nickte begeistert.

      »Aber ja. Ich habe bei ihm studiert. Er war mein Doktorvater.«

      Im selben Moment verdüsterte sich seine Miene.

      »Wenn Professor Bernhard so eine Diagnose stellt, dann ist daran nicht zu rütteln. Der Mann ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet!«

      »Kann es sich net doch um einen Irrtum handeln?« fragte Pfarrer Trenker hoffnungsvoll. »Schließlich ist er auch nur ein Mensch.«

      Toni schüttelte den Kopf.

      »Aber ein außergewöhnlicher«, sagte er, und deutlich war die Bewunderung herauszuhören, die in seinen Worten mitschwang.

      »Ich werd’ trotzdem gleich morgen früh’ mit ihm telefonieren«, fuhr er fort. »Und mir die Befunde kommen lassen. Sofern Frau Devei damit einverstanden ist.«

      Sebastian schöpfte neue Hoffnung. Wie oft hatte er es erlebt, daß in scheinbar aussichtslosen Situationen doch noch Rettung nahte.

      Sein abendliches Gebet würde nicht nur den Bewohnern von St. Johann gelten. Ganz besonders auch Maria Devei.

      *

      »Frau Devei hat wohl auf ihrem Zimmer gefrühstückt?« fragte Richard Anzinger den Löwenwirt, nachdem die Sängerin auch am Morgen nicht im Gastraum gewesen war.

      Sepp Reisinger war an Richards Tisch getreten, um den Gast nach seinen Frühstückswünschen zu fragen. Es war eine nette Geste des Hoteliers, und die Gäste hatten den Eindruck, daß der Chef sich selbst um jeden einzelnen bemühte.

      Der Münchner Kaufmann war als letzter heruntergekommen. Die anderen Gäste hatten längst mit dem Frühstück begonnen und ließen sich schmecken, was die Küche schon am Morgen zu bieten hatte. Außer dem Büffet, konnte man noch von einer kleinen Karte verschiedene Eierspeisen wählen.

      Sepp Reisinger beugte sich zu Richard Anzinger hinunter.

      »Nein, die Dame ist schon früh aus dem Haus gegangen. Ohne zu frühstücken«, raunte er ihm zu.

      »Wissen S’ zufällig, wohin?«

      Der Löwenwirt zuckte mit der Schulter.

      »Wahrscheinlich den selben Weg, den’s immer nimmt, seit sie hier ist.«

      Er konnte es zwar nicht genau sagen, vermutete aber, daß Maria Devei jeden Tag zur Spitzer-Alm hinaufwanderte. Zumindest führte der Weg, den die Sängerin nahm, in diese Richtung.

      »Wie weit ist es denn, bis zur Alm?« erkundigte Richard sich.

      »Na, bis zur Alm hinauf, müssen S’ eine gute Stund’ rechnen«, erklärte Sepp. »Wobei es net allzuviel zu sehen gibt. Außer einer verfallenen Hütte. Net einmal eine Sennerei ist mehr dort.«

      Richard Anzinger beeilte sich mit seinem Frühstück und eilte auf sein Zimmer. Er war heilfroh, daß zumindest Wanderschuhe, und etwas legere Kleidung dabei waren. Zwar hatte er noch in der Nacht vor seiner Abreise den Koffer gepackt, dabei jedoch, ohne großes Nachdenken, wahllos alles hineingesteckt, was ihm in die Hände kam. Es hätte schon ziemlich merkwürdig ausgesehen, würde er im grauen Anzug und schwarzen Slippern eine Almwanderung machen.

      Sepp Reisinger hatte eher untertrieben. Der Münchner, der große Wanderungen nicht gewohnt war, brauchte alleine mehr als eine halbe Stunde, um bis an den Weg zu kommen, der auf die Spitzer-Alm hinaufführte. Richard hoffte nur, daß der Löwenwirt mit seiner Vermutung richtig lag, und Maria Devei wirklich zur Alm unterwegs war. Er schaute den Weg hoch, der vor ihm lag – da hatte er noch einiges vor!

      Der Kaufmann legte eine kurze Rast ein, bevor er weitermarschierte. Eine wunderbare Gegend, kam es ihm in den Sinn. Er selber wohnte in einer riesigen Villa – viel zu groß, für ihn alleine – im vornehmen Stadtteil Bogenhausen. Außerdem besaß er ein Wochenenhaus am Starnberger See, das er viel zu selten nutzte. Richard schaute sich um. Er konnte sich nicht erinnern, sehr oft in den Bergen gewesen zu sein – bestenfalls im Winter zum Skifahren. Jetzt mußte er feststellen, daß diese Landschaft auch im Sommer ihre Reize hatte. Vielleicht wäre es wirklich einmal eine Abwechslung, den Urlaub hier zu verbringen.

      Doch eigentlich wollte er jetzt gar nicht daran denken. Dazu beherrschte ihn viel zu sehr seine Liebe zu der Sängerin. Er wußte immer noch nicht, wie er es anstellen würde, ihr diese Liebe zu gestehen, wenn er ihr gegenüberstand. Aber, das würde sich schon zeigen.

      *

      Richard Anzinger setzte sich wieder in Bewegung, folgte einem schmalen Pfad, der in die Höhe führte und schritt kräftig dabei aus. Tief sog er die würzige Bergluft in seine Lungen ein. Seine Sehnsucht trieb ihn voran, und es ging besser, als er schon befürchtet hatte.

      Und dann sah er sie plötzlich.

      In weniger als hundert Metern sah er ihre Gestalt vor einer baufälligen Hütte stehen. Das mußte jene sein, von der der Löwenwirt gesprochen hatte. Die Sängerin trug Jeans und Anorak. Sie lehnte an dem Balken, der das brüchige Vordach abstützte, unter dem wohl einst Tisch und Bank gestanden hatten.

      Das Dach der Hütte hatte große Löcher, die Fenster waren ohne Glas, und die Tür hing in den Angeln. Rechts von der Ruine mußte es einmal einen Garten gegeben haben. Jetzt war er verwildert. Wildkräuter und Gras wuchsen mannshoch.

      Richard Anzinger näherte sich langsam. Als er nur noch wenige Schritte hinter der Frau war, räusperte er sich vernehmlich. Die Sängerin drehte sich um, und ein fragender Blick stand in ihren Augen.

      »Grüß Gott, Frau Devei«, sagte Richard mit belegter Stimme.

      Sie erwiderte den Gruß.

      »Kennen wir uns?« fragte sie dann.

      »Ja… das heißt, wir sind uns vor kurzem begegnet. Im Zug nach München.«

      Maria lächelte.

      »Ich erinnere mich«, sagte sie. »Welch ein Zufall.«

      Tatsächlich war ihr da das markante Gesicht des Kaufmanns aufgefallen, wenngleich es unter dem Eindruck ihrer persönlichen Probleme wieder verblaßte. In ihrem Unterbewußtsein schien es jedoch gespeichert zu sein.

      Richard Anzinger stand jetzt vor ihr. Er schüttelte den Kopf.

      »Nein, gnädige Frau, kein Zufall«, sagte er.

      Maria verstand nicht.

      Er wußte nicht, wie er beginnen sollte und kam sich vor, wie ein Primaner bei seinem ersten Rendezvous.

      »Ich habe Sie gesucht«, gestand er, hilflos die Hände

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