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Haushälterin nahm den Korb und begutachtete das Obst.

      »Ich denk’, die werd’ ich net mehr einwecken«, meinte sie. »Die sind so schön, da ist’s besser, wenn wir sie so essen.«

      »Ist’s recht, Frau Tappert«, nickte Sebastian. »Der Herr Kammeier und ich sind gleich fertig, da draußen. In einer halben Stund’ könnten wir zum Kaffee kommen.«

      Sebastian ging wieder hinaus. Es waren nur noch die Gartengeräte wegzuräumen, und die Wege zu harken, dann waren sie mit ihrer Arbeit fertig.

      Der Geistliche war gerade damit beschäftigt, eine letzte Karre Gartenabfälle auf den Kompost zu bringen, als er auf eine Frau aufmerksam wurde, die über den angrenzenden Friedhof ging. Sie war elegant gekleidet. Sebastian hatte sie noch nie hier gesehen und wurde neugierig. Er klopfte sich den Schmutz von der Hose und öffnete die kleine Pforte, durch die er auf den Gottesacker gelangte. Die Frau war schon ein gutes Stück zum hinteren Teil des Friedhofs gegangen. Jetzt stand sie vor einem Grab und hatte die Hände gefaltet. Der Beschreibung nach, die Sepp Reisinger von Maria Devei gegeben hatte, konnte es sich nur um die berühmte Sängerin handeln.

      Welches Grab mochte sie wohl ausgerechnet hier auf dem Friedhof besuchen?

      Pfarrer Trenker wartete ab, bis die Frau ihr stilles Gebet beendet hatte. Dann näherte er sich ihr, wobei er sich vernehmlich räusperte. Die Frau drehte sich um. Als sie ihn erkannte, lächelte sie.

      »Grüß’ Gott, Hochwürden«, sagte sie. »Schön, daß ich Sie hier treffe. Ich wollte Sie sowieso besuchen.«

      Sebastian war erstaunt, daß die Frau ihn als den Pfarrer erkannt hatte, obwohl er im Moment wahrlich nicht so aussah.

      »Entschuldigen Sie, Frau… Devei? Sie sind doch die Sängerin Maria Devei?«

      Die Frau nickte.

      Der Geistliche sah sie forschend an. Er kannte sie, aber unter anderem Namen. Sein Blick fiel auf den Grabstein – Ruhestätte Familie Großmayr – stand darauf. Im selben Moment wußte er es.

      »Maria Großmayr. Du…, Sie sind Maria Großmayr«, sagte er zu seinem einstigen Pfarrkind.

      Er reichte ihr die Hand.

      »Aber wieso heißen Sie Devei?«

      Sebastian schüttelte den Kopf.

      »Natürlich, Sie haben geheiratet und tragen den Namen Ihres Mannes. Entschuldigen S’, ich bin völlig überrascht, Sie hier zu sehen.«

      »Nein«, erwiderte Maria. »Ich bin net verheiratet. Devei ist mein Künstlername.«

      »Du meine Güte, wie lange ist’s denn her, daß Sie von uns fortgegangen sind, Frau Devei?«

      Die Frau schaute nachdenklich zur Kirche hinüber, und als würde sie in Gedanken die Zeit zurückdrehen, lächelte sie.

      »Mehr als zehn Jahre werden es schon sein.«

      Sie sah ihn wieder an.

      »Bitt’ schön, Hochwürden, sagen S’ doch einfach Maria zu mir, so wie Sie es früher getan haben.«

      »Gerne, Maria. Sie wollten mich besuchen?«

      Auf ihrem Gesicht lag ein düsterer Schatten, als sie antwortete.

      »Ja. Es gibt da etwas, das ich Ihnen sagen wollte…, verstehen Sie, ich brauche einen Menschen zum Reden…«

      Sebastian nahm ihren Arm.

      »Kommen Sie. Wir gehen ins Pfarrhaus hinüber. Frau Tappert wird uns einen Kaffee oder Tee kochen.«

      Er sah an sich hinunter.

      »Es wird nur einen Moment dauern«, meinte er schmunzelnd. »Ich muß mich erst einmal umziehen.«

      *

      »Zehn Jahre! Himmel, wie die Zeit vergeht«, sinnierte Pfarrer Trenker. »Aber ich erinnere mich gut. Sie waren erst achtzehn geworden, als Sie fortgegangen sind. Ich hab’ mich in diesen Jahren oft gefragt, was aus Ihnen geworden ist.«

      Sie saßen im Arbeitszimmer des Geistlichen. Sophie Tappert hatte Kaffee und Kuchen hereingebracht. Zuvor hatten sich die beiden Frauen herzlich begrüßt.

      »Ja. Damals hielt mich einfach nichts mehr in dieser, wie ich meinte, kleinen und altmodischen Welt«, sagte Maria. »Ich wollte hinaus in die große, weite Welt. Wollte fremde Länder sehen, wunderbare Reisen machen.«

      »Nun, das ist Ihnen ja auch gelungen. Ich hatte wirklich keine Ahnung, daß Sie Maria Großmayr, identisch sind mit der bekannten Sängerin Maria Devei. Natürlich hab’ ich Bilder von Ihnen gesehen, Auftritte im Fernsehen. Aber Sie haben sich ja auch verändert in all den Jahren.

      So sind Sie also das geworden, was man einen großen Star nennt.«

      Ein wehmütiges Lächeln glitt über das aparte Gesicht der Frau.

      »Ja, aber zu welchem Preis«, sagte sie leise, mit tiefer Resignation in der Stimme.

      Sebastian Trenker horchte auf.

      »So, wie Sie es sagen, könnt’ man meinen, es ist ein sehr hoher Preis.«

      Maria Devei schaute ihn an. In ihrem Gesicht zuckte es.

      »Ja, Hochwürden. Der Preis ist – mein Leben.«

      Der Geistliche sah sie fassungslos an.

      »Was sagen Sie da, Maria?«

      Die Sängerin richtete sich auf und wischte eine Träne aus dem Gesicht. Es schien, als wolle sie Stärke beweisen.

      »Ich bin nach Sankt Johan zu­rückgekehrt, um hier zu sterben«, sagte sie leise.

      Einen Moment herrschte Stille im Zimmer, die nur durch das Ticken der alten Wanduhr gestört wurde. Sebastian Trenker schluckte.

      »Was ist geschehen?« fragte er sanft.

      Maria Devei erzählte es. In nüchternen, sachlichen Worten schilderte sie immer wiederkehrende Erschöpfungszustände, die Zusammenbrüche nach ihren Auftritten, einmal sogar unmittelbar vor einem Konzert. Schließlich sprach sie von der Untersuchung durch Professor Bernhard, einer Kapazität auf dem Gebiet der inneren Medizin, und dem vernichtenden Urteil.

      »Ich habe nur noch ein paar Wochen zu leben«, schloß die Sängerin.

      Pfarrer Trenker war erschüttert.

      »Und es gibt wirklich keine Rettung?« forschte er nach.

      Maria Devai schüttelte stumm den Kopf.

      »Professor Bernhard hat es mir nicht gesagt«, antwortete sie nach einer Weile. »Aber ich bin dem Schicksal dankbar, daß es mich zufällig mit anhören ließ, als der Arzt mit seinem Assistenten dar­über sprach.«

      »Ja – aber was hat er Ihnen denn gesagt? Er muß doch irgend etwas…«

      »Nichts«, erwiderte die Frau. »Es war bei der zweiten Untersuchung. Ich war gerade in der Umkleidekabine, als ich die beiden sprechen hörte. Ich war so durcheinander, daß ich nur noch fortlaufen wollte. Ich habe dann sämtliche Termine absagen lassen und bin hierher gefahren, weil ich mich an etwas erinnerte…«

      »Woran haben Sie sich erinnert, Maria?«

      Die Sängerin lächelte still.

      »An ein Gedicht, über das wir bei Ihnen im Kommunionsunterricht gesprochen haben. Vielleicht erinnern Sie sich auch daran. Die erste Zeile lautet: Wohin das Schicksal dich auch trägt…«

      »… so kehrst du doch zurück, nur hier in deiner Heimat liegt das wahre Glück.«

      Natürlich erinnerte Sebastian Trenker sich daran. Er hatte es nicht nur mit Generationen von Kommunionskindern eingeübt und darüber gesprochen, welche Bedeutung das Wort ›Heimat‹ heute noch hat, die Verse stammten von ihm selbst.

      »Sie sprachen mit uns über den Begriff Heimat, und darüber, welche Bedeutung

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