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Es gab irgend was zwischen dem Himmel und ihm. Armer Mann, wie krank er war, da er seine Adler dem Siege abgewandt sah. Das hat ihm einen harten Schlag versetzt, seht ihr. Man erreicht die Beresina. Hier, meine Freunde – das kann man euch bei dem Heiligsten, was es gibt, auf Ehre versichern –, geschah es, daß man, seit es Menschen gibt, nie und nimmermehr ein ähnliches Durcheinander von Armee, Wagen und Artillerie in einem ähnlichen Schnee, unter einem ähnlich ungünstigen Himmel gesehen hat. Der Gewehrlauf verbrannte euch die Hand, wenn ihr ihn anrührtet, so kalt war es. Dort ist die Armee von den Pontonieren gerettet worden, die wacker auf ihrem Posten aushielten, und wo sich Gondrin so ausgezeichnet benommen hat, der einzige Ueberlebende jener Leute, die verbissen genug waren, sich ins Wasser zu stellen, um die Brücken zu bauen, über welche die Armee gezogen ist, um sich vor den Russen zu retten, die noch genug Respekt vor der großen Armee von wegen der Siege besaßen. Und,‹ fuhr er auf Gondrin zeigend fort, der ihn mit der tauben Menschen eigentümlichen Aufmerksamkeit ansah, ›Gondrin ist ein vollkommener alter Soldat, ein Ehrensoldat sogar, der eure größte Hochachtung verdient. Ich habe den Kaiser aufrecht bei der Brücke stehen sehen,‹ fuhr er fort, ›unbeweglich, da ihm nicht kalt war. War das noch natürlich? Er sah den Verlust seiner Schätze, seiner Freunde, seiner alten Aegypter. Bah! Alles zog da hinüber: die Frauen, die Munitionswagen, die Artillerie, alles war verbraucht, aufgegessen und ruiniert. Die Mutigsten hüteten die Adler; denn die Adler, müßt ihr wissen, bedeuteten Frankreich, das wart ihr alle, war die Ehre des Zivils und der Militärs, das untadelig bleiben mußte und den Kopf der Kälte wegen nicht sinken lassen durfte. Man wurde nur noch in der Nähe des Kaisers wieder warm; denn, wenn er in Gefahr schwebte, liefen wir, die wir erfroren waren und uns nicht einmal aufhielten, um Freunden die Hand hinzustrecken, herbei. Man erzählte auch, daß er nachts über seine arme Soldatenfamilie weine. Nur er und die Franzosen konnten sich da herausziehen; und man hat sich herausgezogen, aber mit Verlusten, mit schweren Verlusten, sage ich! Die Verbündeten hatten unsere Lebensmittel aufgefressen. Alles fing an, ihn zu verraten, wie es ihm der Rote gesagt hatte. Die Pariser Schwätzer, die sich seit der Errichtung der kaiserlichen Garde nicht mucksten, halten ihn für tot und zetteln eine Verschwörung an, in die man den Polizeipräfekten hineinzieht, um den Kaiser zu stürzen. Er hörte das alles, es ärgert ihn, und er sagte zu uns, als er abreiste:

      ›Lebt wohl, meine Kinder, bleibt auf euren Posten, ich komme wieder.‹

      Bah, seine Generäle reden verworrenes Zeug; denn ohne ihn waren sie nichts. Die Marschälle sagen sich Grobheiten und machen Dummheiten, und das war natürlich; Napoleon, der ein guter Mann war, hatte sie mit Gold gefüttert, sie wurden so schneckenfett, daß sie nicht mehr marschieren wollten. Die Unglücksfälle sind daher gekommen, daß mehrere in Garnison geblieben sind, ohne den Rücken der Feinde, hinter denen sie standen, zu verprügeln, während man uns nach Frankreich trieb. Doch der Kaiser kam mit Konskribierten, und famosen Konskribierten, deren Moral er vollkommen änderte und aus denen er Köter machte, die entschlossen waren, jeden zu beißen, und mit Bürgern in Ehrengarden wieder, einer schönen Truppe, die wie Butter auf dem Roste zergangen ist. Trotz unserer straffen Haltung ist alles gegen uns; doch hat die Armee noch Wunder an Kraft verrichtet. Damals gab es Gebirgsschlachten, Völker gegen Völker, bei Dresden, Lützen und Bautzen … Erinnert euch ja daran, ihr anderen, weil der Franzose dort so besonders heldenhaft gewesen ist, daß zu jener Zeit ein guter Grenadier nicht länger wie sechs Monate hielt. Wir triumphieren immer! Im Rücken aber reizen die Engländer die Völker zur Empörung, indem sie ihnen Dummheiten sagen! Endlich schafft man sich Bahn durch diese Völkermeuten. Ueberall, wo der Kaiser erschien, machten wir uns Luft, weil wir, zu Wasser oder zu Lande, wo immer er sagte: ›Ich will passieren!‹ stets passierten. Schließlich sind wir in Frankreich; und mehr als einem armen Infanteristen hat die Heimatluft die Seele wieder eingerenkt trotz der harten Witterung. Was mich anlangt, so kann ich sagen, daß sie mein Leben wieder aufgefrischt hat! … Doch zu jener Stunde handelt's sich darum, Frankreich, das Vaterland, kurz das schöne Frankreich, gegen ganz Europa zu verteidigen, das uns zürnte, weil wir über die Russen hatten gebieten wollen, indem wir sie in ihre Grenzen zurücktrieben, damit sie uns nicht auffräßen, wie es die Gewohnheit der Nordens ist, dem's nach dem Süden gelüstet, wie ich mehrere Generäle habe sagen hören. Der Kaiser sieht seinen eigenen Schwiegervater, seine Freunde, die er zu Königen gemacht, und die Canaillen, denen er ihre Throne zurückgegeben hatte, alle gegen sich. Ja sogar Franzosen und Verbündete, die sich auf höheren Befehl in unseren Reihen gegen uns wenden, wie in der Schlacht bei Leipzig. Sind das nicht Schändlichkeiten, deren einfache Soldaten doch kaum fähig sein würden? So etwas brach sein Wort dreimal täglich, und das nannte sich Fürsten! Darin ging der Einfall vor sich. Ueberall wich der Feind zurück, wo immer unser Kaiser sein Löwenantlitz zeigte; und er tat in jener Zeit bei der Verteidigung Frankreichs mehr Wunder als er ihrer verrichtet hatte, um Italien, den Orient, Spanien, Europa und Rußland zu erobern. Da will er alle Fremden unter den Boden bringen, um sie Frankreich achten zu lehren, und läßt sie bis vor Paris kommen, um sie auf einmal zu verschlingen und sich auf die letzte Stufe des Genies zu stellen durch eine noch größere Schlacht als alle anderen, kurz durch eine Riesenschlacht! Doch die Pariser haben Angst um ihr Zwerchfell und um ihre Zweisechserbuden und machen ihre Tore auf. Da fangen die ›Ragusaden‹ an und hören die Glücksfälle auf. Die Kaiserin ärgert man, und die weiße Fahne steckt man aus den Fenstern. Die Generäle endlich, die er zu seinen besten Freunden gemacht hatte, geben ihn um der Bourbons willen auf, von denen man nie hatte sprechen hören.

      Dann sagt er uns in Fontainebleau Lebewohl:

      ›Soldaten! …‹

      Ich höre ihn noch, wir weinten alle wie richtige Kinder; die Adler, die Fahnen waren wie für eine Beerdigung gesenkt; denn, man kann es euch sagen, es war die Leichenfeier des Kaiserreichs, und seine fein herausgeputzten Armeen waren nur noch Skelette.

      Dann sagte er unter der Freitreppe seines Schlosses zu uns:

      ›Meine Kinder, wir sind durch Verrat besiegt worden, doch werden wir uns im Himmel, dem Vaterlande der Tapferen, wiedersehen. Verteidigt meinen Kleinen, den ich euch anvertraue: Es lebe Napoleon II.!‹

      Er hatte die Absicht zu sterben; und, um den besiegten Napoleon nicht sehen zu lassen, nimmt er Gift, das ein Regiment hätte töten müssen, weil er, wie Jesus Christus vor seiner Passion, sich von Gott und seinem Talisman aufgegeben wähnt. Das Gift aber kann ihm nichts anhaben. Etwas anderes! er erkennt sich als unsterblich. Sicher seiner Seele und sicher, stets Kaiser zu sein, geht er einige Zeit über auf eine Insel, um das Temperament derer zu studieren, die unaufhörlich Dummheiten machen. Während er auf Wache steht, halten die Chinesen und die wilden Tiere der afrikanischen Küste, Barbaresken und andere, die sehr ungemütliche Gesellen sind, ihn so sehr für etwas anderes als für einen Menschen, daß sie seine Fahne respektieren, indem sie sagen, daß sie anrühren, sich an Gott vergreifen hieße. Er regierte über die ganze Welt, während die andern ihn vor die Türe seines Frankreichs gesetzt hatten. Dann schifft er sich auf der nämlichen ägyptischen Nußschale ein, fährt den englischen Schiffen an der Nase vorbei und setzt den Fuß auf französischen Boden; Frankreich erkennt ihn wieder, der vermaledeite Kuckuck fliegt von Glockenturm zu Glockenturm, ganz Frankreich schreit: ›Es lebe der Kaiser!‹ Und hier bei uns ist die Begeisterung über dies Wunder des Jahrhunderts echt gewesen, der Dauphiné hat sich sehr gut aufgeführt, und ich bin besonders froh gewesen, als ich hörte, daß man hier Tränen der Freude geweint habe, als man seinen grauen Ueberrock wiedergesehen. Am ersten März schiffte sich Napoleon mit zweihundert Mann ein, um das Königreich Frankreich und Navarra zu erobern, das am zwanzigsten März wieder das französische Kaiserreich geworden war. Der Mann befand sich an diesem Tage in Paris; nachdem er alles ausgekehrt, hatte er sein liebes Frankreich wiedergewonnen und seine Soldaten zusammengerafft, indem er zu ihnen nur die drei Worte sagte: ›Ich bin da!‹ Das ist das größte Wunder, das Gott getan hat! Hat vor ihm jemals ein Mann nur dadurch die Macht gewonnen, daß er seinen Hut zeigte? Man glaubte Frankreich niedergeworfen? Durchaus nicht. Beim Anblick des Adlers bildet sich wieder eine nationale Armee, und wir marschieren alle nach Waterloo. Dort nun stirbt die Garde auf einen Schlag. In seiner Verzweiflung wirft sich Napoleon dreimal an der Spitze der Reiter vor die feindlichen Kanonen, ohne den Tod zu finden! Wir haben das gesehen, wir andern! Die Schlacht ist verloren. Abends ruft der Kaiser seine alten Soldaten, verbrennt auf einem Felde, das mit unserem Blute überströmt ist, seine Standarten und seine Adler; diese armen, immer siegreichen

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