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reden hören. Ich hab' einige Helfer, die Goguelat, unseren Landbriefträger, zum Plaudern über diesen Gott des Volkes bringen sollen. Nicolle, mein Pferdeknecht, hat uns eine Leiter hineingestellt, damit wir durch eine Dachluke auf den Scheunenboden und auf einen Platz klettern können, von wo aus wir die ganze Szene überblicken werden. Glauben Sie mir und kommen sie: eine Spinnstube hat ihre Reize. Nicht zum ersten Male krabble ich auf den Boden, um eine Soldatengeschichte oder irgendeinen Bauernschwank zu hören. Verbergen wir uns aber gut; wenn die armen Leute einen Fremden sehen, werden sie steif, machen Umstände und sind nicht mehr sie selber.«

      »Ei, mein lieber Wirt,« sagte Genestas, »habe ich mich nicht oft schlafend gestellt beim Biwak, um meine Reiter zu hören? Sehen Sie, ich habe in den Pariser Theatern nie so aus vollem Herzen gelacht, wie bei der Schilderung des Rückzuges von Moskau, den ein alter Kavallerieunteroffizier auf possenhafte Weise Konskribierten erzählte, die Bange vorm Kriege hatten. Er erzählte, die französische Armee habe in die Betten gemacht, man habe alles eisgekühlt getrunken, die Toten seien unterwegs stehengeblieben, man hätte Weißrußland gesehen, man habe die Pferde mit Bissen gestriegelt, die, welche gern Schlittschuh liefen, seien sehr auf ihre Rechnung gekommen, Liebhaber von Fleischgelee hätten sich satt daran essen können, die Weiber wären gewöhnlich kalt und das einzige wäre der Mangel an heißem Rasierwasser gewesen, was empfindlich unangenehm gewesen sei. Kurz, er lieferte so komische Schnurren, daß ein alter Quartiermacher, der sich die Nase erfroren hatte und den man ›Nasenab‹ nannte, selber darüber lachte.«

      »Pst!« sagte Benassis, »wir sind da; ich gehe voran, folgen Sie mir.«

      Beide stiegen die Leiter hinauf und warfen sich in das Heu, ohne von den Spinnstubenleuten gehört worden zu sein, über denen sie so saßen, daß sie sie gut sehen konnten. In Scharen um drei oder vier Kerzen gruppiert, nähten einige Frauen, andere spannen, mehrere blieben müßig, den Hals ausgestreckt, den Kopf und die Augen auf einen alten Bauern gerichtet, der eine Geschichte erzählte. Die meisten Männer standen aufrecht oder lagen auf Heuhaufen. Diese völlig schweigenden Gruppen wurden kaum erhellt durch den flackernden Widerschein der Kerzen, die von wassergefüllten Glaskugeln umgeben waren, welche das Licht in Strahlen konzentrierten, in deren Helligkeit sich die Arbeiterinnen hielten. Die Ausdehnung der Scheune, deren obere Hälfte finster und schwarz blieb, beschränkte diese Lichtschimmer noch, welche die Köpfe ungleichmäßig beleuchteten, indem sie malerische Hell- Dunkeleffekte hervorriefen. Hier glänzten die braune Stirn und die hellen Augen einer neugierigen kleinen Bäuerin, dort hoben Lichtstreifen die strengen Stirnen einiger alter Männer hervor und zeichneten phantastische Muster auf ihre abgenutzten und verblichenen Kleider. Alle diese aufmerksamen Leute in ihren verschiedenen Stellungen drückten auf ihren unbeweglichen Gesichtern die völlige Hingabe ihrer Gedanken an den Erzähler aus. Es war ein seltsames Gemälde, auf dem der wunderbare Einfluß deutlich wurde, der von der Dichtung auf alle Gemüter ausgeübt wird. Wenn der Bauer von seinem Erzähler ein stets einfaches oder fast unmöglich zu glaubendes Wunderbares verlangt, zeigt er sich da nicht als Freund reinster Poesie?

      »… Obwohl das Haus sehr übel aussah,« sagte der Bauer im Augenblicke, da die beiden neuen Zuhörer Platz genommen hatten, um ihm zu lauschen, »ging die arme bucklige Frau doch hinein; denn es hatte sie sehr müde gemacht, daß sie ihren Hanf auf den Markt getragen hatte; sie wurde ja auch von der Nacht, die hereingebrochen war, dazu gezwungen. Sie bat nur, dort schlafen zu dürfen; denn sie zog eine Brotrinde aus ihrem Quersack und verzehrte sie –dash; das war ihre ganze Nahrung. Die Wirtin, die also das Weib der Räuber war, nahm, da sie nichts von dem wußte, was sie in der Nacht zu tun beschlossen hatten, die Bucklige auf und schickte sie ohne Licht nach oben. Meine Bucklige streckte sich auf einer schlechten Matratze aus, sagt ihr Gebet, denkt an ihren Hanf und schickt sich an zu schlafen. Ehe sie aber eingeschlummert war, hört sie Geräusch und sieht zwei Männer eintreten, die eine Laterne tragen; jeder von ihnen hielt ein Messer: Angst packt sie, weil in jener Zeit, wißt ihr, die Edelleute so auf Menschenfleischpasteten versessen waren, daß man sie für sie herstellte. Doch da die Alte ganz hartes und zähes Fleisch hatte, beruhigte sie sich bei dem Gedanken, daß man sie für eine schlechte Nahrung halten würde. Die beiden Männer kommen an der Buckligen vorbei, gehen an ein Bett, das in diesem großen Zimmer stand, und wohinein man den Herrn mit dem großen Felleisen sich hatte legen lassen, den man für einen Negromanten hielt. Der größere hebt die Lampe, indem er des Herrn Füße packt, der Kleine, derselbe, der den Betrunkenen gespielt hatte, packt seinen Kopf und schneidet ihm mit einem Ruck, krach, den Kopf ab! Dann lassen sie den Körper und den Kopf, ganz mit Blut bedeckt, da, stehlen das Felleisen und gehen hinunter. Da war unsere Frau recht in Aufregung! Anfangs denkt sie daran, sich dünn zu machen, ohne daß man es merkt, da sie noch nicht weiß, daß die Vorsehung sie zu Gottes Ruhm dorthin geführt hatte und um das Verbrechen seine Strafe finden zu lassen. Sie hatte Bange, und wenn man Bange hat, regt man sich über gar nichts auf. Die Wirtin aber, welche die Räuber nach Neuigkeiten von der Buckligen gefragt hatte, erschreckt sie, und sie gehen sacht die kleine Holzstiege wieder hinauf. Die arme Bucklige kauert sich vor Angst zusammen und hört sie sich mit leiser Stimme streiten:

      ›Ich sage dir, du sollst sie totmachen.‹

      ›Braucht nicht totgemacht zu werden.‹

      ›Mach' sie tot!‹

      ›Nein!‹

      Sie treten ein. Meine Bucklige, die nicht dumm war, macht die Augen zu und tut, als ob sie schliefe. Und schläft wie ein Kind, die Hand auf dem Herzen, und atmet wie ein Engelchen. Der die Laterne hatte, macht sie auf, läßt das Licht gerade in die Augen der alten Schläferin fallen, und meine gute Frau zuckt nicht im geringsten mit den Wimpern, solche Angst hatte sie für ihren Hals.

      ›Du siehst doch, daß sie wie ein Sack schläft,‹ sagt der Große.

      ›Die alten Weiber sind boshaft,‹ antwortete der Kleine. ›Ich will sie totmachen, dann werden wir ruhiger sein. Uebrigens wollen wir sie einsalzen und unseren Schweinen zu fressen geben.«

      Als die Alte diesen Vorschlag hört, muckst sie nicht.

      ›0 ja, sie schläft!‹ sagte der verwegene Kleine, als er sah, daß sie nicht gemuckst hatte.

      So rettete sich die Alte. Und man kann wohl sagen, daß sie mutig war. Wahrlich gibt's hier genug junge Mädchen, die nicht wie Engelskinder geatmet hätten, wenn sie von den Schweinen hätten reden hören … Die beiden Räuber machen sich dran, den toten Mann aufzuheben, rollen ihn in seine Laken und werfen ihn in den kleinen Hof, wo die Alte die Schweine grunzend herbeilaufen hört, um ihn zu fressen …

      Dann, am folgenden Morgen,« fuhr der Erzähler, nachdem er eine Pause gemacht hatte, fort, »geht die Frau weiter, nachdem sie zwei Sous fürs Schlafen bezahlt hat. Sie nimmt ihren Quersack, tut, als wisse sie von nichts, fragt nach Neuigkeiten aus der Gegend, geht in Frieden fort und will laufen. Es geht nicht. Die Angst hemmt ihre Beine, sehr zu ihrem Glück. Und zwar deshalb: kaum hatte sie eine halbe Viertelmeile hinter sich gebracht, als sie einen der Räuber kommen sieht, der ihr aus Klugheit folgte, um sich zu vergewissern, ob sie auch wirklich nichts gesehen hat. Sie errät das und setzt sich auf einen Stein.

      ›Was habt Ihr, meine liebe Frau,‹ redete der Kleine sie an, denn es war der Kleine, der böswilligste der beiden, der sie belauerte.

      ›Ach, mein lieber Mann,‹ antwortete sie ihm, ›mein Quersack ist so schwer, und ich bin so müde, daß ich wohl den Arm eines ehrenwerten jungen Mannes – hört die Schlaubergerin! – nötig hätte, um meine arme Wohnung zu erreichen.‹

      Da nun bietet der Räuber sich an, sie zu begleiten. Sie ist's zufrieden. Der Mann nimmt ihren Arm, um sich zu vergewissern, ob sie Angst hat. Jawohl! Die Frau zittert nicht und geht ruhig. Und so gehen sie denn alle beide, von Landwirtschaft und von der Art, wie man Hanf zum Keimen bringt, plaudernd, bis zur Vorstadt des Ortes, wo die Bucklige wohnte, und wo der Räuber sie aus Angst, einem von der Polizei zu begegnen, verließ. Die Frau kam um die Mittagszeit zu Hause an und wartete auf ihren Mann, indem sie über die Ereignisse der Reise und der verflossenen Nacht nachdachte. Der Hanfbrecher kam gegen Abend heim. Er hatte Hunger, sie muß ihm was zu essen bereiten. Wie sie denn ihre Pfanne einfettet, um ihm was zu braten, erzählt sie ihm, wie sie ihren Hanf verkauft hat, indem sie nach Frauenart ins Blaue hinein redet; sagt aber weder etwas von den Schweinen, noch von dem getöteten,

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