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wüßte. Ich war froh über diese Leute und meine Freude. Das Haus des Mannes, des ersten, der fest an mich glaubte, wurde meine ganze Hoffnung. War es nicht des armen Landes Zukunft, mein Herr, die ich bereits in meinem Herzen trug, wie die Frau des Korbmachers ihren ersten Säugling in dem ihrigen trug? … Viele Dinge hatte ich zu gleicher Zeit zu betreiben, viele Vorstellungen mußte ich verletzen … Ich begegnete einem heftigen Widerstand, der von dem unwissenden Bürgermeister genährt wurde, dem ich seine Stellung genommen hatte und dessen Einfluß vor dem meinigen verging; ich wollte ihn zu meinem Adjunkten und zum Teilnehmer an meinem Wohltun machen. Ja, mein Herr, diesem Kopfe, dem härtesten von allen, versuchte ich die ersten Einsichten beizubringen. Ich packte meinen Mann sowohl bei seiner Eigenliebe als auch bei seinem Nutzen. Sechs Monate lang speisten wir zusammen zu Mittag und ich teilte ihm vieles von meinen Verbesserungsplänen mit. Viele Leute würden in dieser notwendigen Freundschaft die grausamsten Verdrießlichkeiten meiner Arbeit sehen; war aber dieser Mann nicht ein Werkzeug, und zwar das kostbarste von allen? Wehe dem, der seine Axt verachtet oder sie gar sorglos beiseite wirft! Würde ich überdies nicht sehr inkonsequent gewesen sein, wenn ich, der ich das Land verbessern wollte, vor dem Gedanken, einen Menschen zu verbessern, zurückgeschreckt wäre? Das dringendste Mittel zum Wohlstand war eine Straße. Wenn wir vom Magistrat die Genehmigung erhielten, einen guten Weg von hier bis an die Grenobler Straße zu bauen, war mein Adjunkt der erste, der Nutzen davon hatte. Denn statt seine Bäume mit hohen Kosten auf schlechten Pfaden zu schleppen, würde er sie mittels einer guten Bezirksstraße leicht transportieren, einen großen Handel mit Holz aller Art treiben und nicht mehr elende sechshundert Franken jährlich, sondern schöne Summen verdienen können, die ihm eines Tages einen gewissen Wohlstand verschaffen mußten. Endlich war der Mann überzeugt worden und wurde mein Jünger. Einen ganzen Winter lang trank mein ehemaliger Bürgermeister in der Wirtschaft mit seinen Freunden und wußte unseren Untergebenen zu beweisen, daß eine gute Wagenstraße eine Glücksquelle für das Land sein würde, da sie jedermann erlaube, mit Grenoble Handel zu treiben. Als der Gemeinderat die Straße genehmigt hatte, erhielt ich vom Präfekten einige Gelder aus dem Mildtätigkeitsfonds der Provinz, um die Transporte zu bezahlen, welche die Gemeinde aus Karrenmangel außerstande war, zu bewerkstelligen. Endlich habe ich, um dies große Unternehmen schneller zu beendigen und um die Ignoranten, die über mich murrten, indem sie sagten, ich wolle die Frondienste wieder einführen, unmittelbar die Resultate würdigen zu lassen, während aller Sonntage meines ersten Verwaltungsjahres die Bevölkerung des Fleckens, die Frauen, die Kinder und selbst die Greise, gutwillig oder gezwungenerweise, ständig auf die Höhe des Gebirges geschleppt, wo ich selber auf einem ausgezeichneten Grund und Boden den großen Weg trassiert hatte, der von unserem Dorfe aus auf die Straße nach Grenoble führt. Ein Ueberfluß an Materialien fand sich zum großen Glück längs der Baulinie des Weges. Dies langwierige Unternehmen verlangte von mir viel Geduld. Bald verweigerten die einen, der Gesetze unkundig, die Naturalleistung; bald konnten andere, denen es an Brot gebrach, wirklich keinen Tagelohn verlieren; man mußte daher an diese Getreide verteilen, und dann jene durch freundschaftliche Worte beruhigen. Doch als wir zwei Drittel der Straße, die etwa zwei Meilen lang ist, vollendet, hatten die Einwohner ihre Vorteile so wohl erkannt, daß das letzte Drittel mit einem Eifer, der mich überraschte, zu Ende gebracht wurde. Ich bereicherte die Zukunft der Gemeinde, indem ich eine doppelte Pappelreihe jeden Seitengraben entlang pflanzte. Heute bereits bilden diese Bäume fast ein Vermögen und geben unserem Wege, welcher der Natur seiner Lage nach stets trocken und überdies so gut ausgeführt worden ist, daß er jährlich kaum zweihundert Franken Unterhaltungskosten fordert, das Aussehen einer königlichen Straße. Ich werd' Ihnen dieselbe zeigen; denn Sie haben sie nicht sehen können: um hierherzukommen, haben Sie zweifelsohne den hübschen unteren Weg eingeschlagen; eine andere Straße, welche die Einwohner vor drei Jahren selber haben anlegen wollen, um Verbindungen mit den Werken, die seitdem im Tale entstanden sind, herzustellen. So, mein Herr, hat der allgemeine gesunde Menschenverstand dieses, ehedem der Intelligenz entbehrenden Fleckens vor drei Jahren die Idee sich zu eigen gemacht, die ihnen einzupflanzen ein Reisender fünf Jahre vorher nicht für möglich gehalten haben würde. Aber weiter! Die Niederlassung meines Korbmachers war ein Beispiel, das ich der armen Bevölkerung mit Erfolg gegeben hatte. Wenn die Straße die direkteste Ursache für das künftige Gedeihen des Fleckens sein sollte, mußte man die nötigsten Gewerbe aufmuntern, um die beiden Keime des Wohlstandes zu befruchten. Indem ich dem Weidenpflanzer und dem Korbmacher half, indem ich meine Straße baute, setzte ich mein Werk unmerklich fort. Zwei Pferde besaß ich, der Holzhändler, mein Adjunkt, ihrer drei; er konnte sie nur in Grenoble beschlagen lassen, wenn er dorthin kam; ich verpflichtete daher einen Hufschmied, der sich ein bißchen auf Tierarzneikunst verstand, dadurch, daß ich ihm viel Arbeit versprach, hierherzukommen. Am nämlichen Tage begegnete ich einem alten Soldaten, der über sein Los in ziemlicher Unruhe war und als ganzen Besitz hundert Franken Gnadengehalt hatte, der aber lesen und schreiben konnte. Ich gab ihm die Stellung eines Burgermeistereischreibers. Ein glücklicher Zufall ließ mich eine Frau für ihn finden, und seine Glücksträume gingen in Erfüllung. Häuser wurden gebraucht, mein Herr, für diese beiden neuen Haushaltungen, für die meines Korbflechters und für die zweiundzwanzig Familien, die das Dorf der Kretinen aufgaben. Zwölf andere Haushaltungen, deren Oberhäupter Arbeiter, Produzenten und Konsumenten waren, ließen sich hier dann nieder: Maurer, Zimmerleute, Dachdecker, Tischler, Schlosser und Glaser, die für lange Zeit zu tun hatten; mußten sie sich nicht ihre Häuser bauen, nachdem sie die der anderen gebaut hatten? Brachten sie nicht Arbeiter mit? Während meines zweiten Verwaltungsjahres erhoben sich siebzig Häuser in der Gemeinde. Eine Produktion zog eine andere nach sich. Indem ich den Flecken bevölkerte, schuf ich dort neue, den armen Leuten bis dahin unbekannte Bedürfnisse. Das Bedürfnis erzeugte die Industrie, die Industrie den Handel, der Handel einen Gewinst, der Gewinst einen Wohlstand und der Wohlstand nützliche Ideen. Diese verschiedenen Arbeiter wollten fertig gebackenes Brot; wir hatten einen Bäcker. Buchweizen aber konnte nicht mehr die Nahrung dieser aus ihrer erniedrigenden Trägheit gerissenen und wesentlich aktiv gewordenen Bevölkerung bilden; ich hatte sie angetroffen, als sie Buchweizen aß, ich wünschte sie zuerst zur Ernährung durch Roggen oder Mengkorn übergehen zu lassen, und eines Tages dann bei den ärmsten Leuten ein Stück Weißbrot zu sehen. Für mich bestanden die intellektuellen Fortschritte ganz und gar in den sanitären Fortschritten. Ein Schlächter zeigt in einem Orte ebensoviel Intelligenz wie Wohlhabenheit an. Wer arbeitet, ißt, und wer ißt, denkt. Da ich den Tag vorhersah, wo die Weizenproduktion notwendig sein würde, hatte ich die Grundstücke auf ihre Eigenschaften hin sorgfältig geprüft, ich war sicher, den Flecken zu einer großen, landwirtschaftlichen Blüte zu bringen und seine Bevölkerung zu verdoppeln, sobald sie sich zur Arbeit bekannt haben würde. Der Augenblick war gekommen. Monsieur Gravier aus Grenoble besaß in der Gemeinde Grundstücke, aus denen er keine Einkünfte bezog, die aber in Getreidefelder umgewandelt werden konnten. Wie Sie wissen, ist er Abteilungschef in der Präfektur. Ebensosehr aus Liebe zu seiner Heimat wie durch mein beharrliches Drängen besiegt, hatte er sich meinen Forderungen gegenüber schon sehr gefällig erwiesen; es gelang mir, ihm begreiflich zu machen, daß er ohne sein Wissen für sich selber gearbeitet hatte. Nach mehrtägigen Vorstellungen, Verhandlungen, Besprechungen von Bauanschlägen, nachdem ich mein Vermögen verpfändet hatte, um ihn vor dem Risiko eines Unternehmens zu sichern, von dem ihn seine Frau, die kurzen Verstandes ist, abzuschrecken suchte, willigte er ein, hier vier Pachthöfe zu je hundert Arpents zu bauen und versprach die für die Urbarmachung, den Saatankauf, die Ackergeräte, die Tiere und für die Anlegung der Nutzungswege notwendigen Summen vorzustrecken. Ich meinerseits baute zwei Pachthöfe, ebensosehr um meine öden Grundstücke der Kultur zu unterwerfen, wie um durch das Beispiel die nutzbringenden Methoden moderner Agrikultur darzulegen. Innerhalb von sechs Wochen vermehrte der Flecken sich um dreihundert Bewohner. Sechs Pachthöfe, wo mehrere Haushaltungen wohnen mußten, die Bewerkstelligung ungeheurer Urbarmachungen und die Ausführung der nötigen Landarbeiten riefen Arbeiter herbei. Stellmacher, Erdarbeiter, Gesellen und Tagelöhner strömten herbei. Die Straße nach Grenoble war mit Karren, Gehenden und Kommenden bedeckt.

      Es herrschte eine allgemeine Bewegung im Lande. Die Geldzirkulation ließ bei jedermann den Wunsch wach werden, daran teilzuhaben; die Apathie war gewichen, der Flecken war aufgewacht. In zwei Worten endige ich Monsieur Graviers Geschichte, eines der Wohltäter dieses Bezirks. Trotz des bei einem Provinzstädter, einem Bureaumenschen, ziemlich natürlichen Mißtrauens hat er im Glauben an meine Versprechungen mehr als vierzigtausend

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