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kommt das Genie von einem Streben der Seele und nicht vom Wissen. Niemand kann weder die Taten noch die Gedanken eines Verwalters abschätzen, seine wirklichen Richter sind fern von ihm, und die Resultate noch viel ferner. Jeder kann sich daher gefahrlos einen Verwalter nennen. In Frankreich flößt nur die Art Verführung, die der Geist ausübt, eine große Schätzung für Leute mit Ideen ein. Ideen aber sind wenig wert, wo nur Wille not tut. Die Verwaltung endlich besteht nicht darin, daß sie den Massen mehr oder minder richtige Ideen und Methoden vorschreibt, sondern darin, daß sie den schlechten oder guten Ideen dieser Massen eine nützliche Richtung vorschreibt, die sie mit dem Allgemeinwohl in Uebereinstimmung bringt. Wenn die Vorurteile und die Routinen einer Gegend auf einen üblen Weg geraten, geben die Bewohner von selber ihre Fehler auf. Verursacht nicht jeder Fehler in der ländlichen, politischen oder häuslichen Oekonomie Verluste, die das Interesse schließlich wieder gutmacht? Hier bin ich zum großen Glück auf reinen Tisch gestoßen. Auf meine Ratschläge hin hat man den Boden gut kultiviert; aber es gab hier in Agrikulturdingen auch keinen Irrweg, und die Ländereien waren gut; es ist mir daher ein leichtes gewesen, die Wirtschaft in fünf Schlägen, die künstlichen Wiesen und die Kartoffeln einzuführen. Mein agronomisches System stieß auf kein Vorurteil. Man bediente sich nicht bereits wie in gewissen Teilen Frankreichs schlechter Pflugmesser, und die Hacke genügte für die wenige Arbeit, die man tat. Für den Stellmacher war es vorteilhaft, meine Radpflüge zu rühmen, um seine Wagnerarbeit abzusetzen; in ihm hatte ich einen geheimen Helfer. Wie anderswo hab' ich mich hier aber immer bemüht, die Interessen des einen mit denen der anderen in Einklang zu bringen. Dann bin ich von Produktionen, welche die armen Leute unmittelbar interessierten, zu denen übergegangen, die ihren Wohlstand vermehrten. Nichts habe ich von draußen eingeführt, ich hab' lediglich die Ausfuhr, die sie bereichern sollte, und deren Vorteile direkt verstanden wurden, unterstützt. Die Leute hier waren meine Apostel durch ihre Werke und ohne daß sie es ahnten. Eine andere Erwägung! Wir sind hier nur fünf Meilen von Grenoble entfernt, und bei einer großen Stadt finden sich viele Märkte für die Erzeugnisse. Nicht alle Gemeinden liegen vor dem Tore großer Städte. In jeder derartigen Angelegenheit muß man den Geist des Landes, seine Lage und seine Hilfsquellen befragen, den Boden, die Menschen und die Dinge untersuchen, und in der Normandie keine Weinberge pflanzen wollen. Nichts ist also wechselnder als die Verwaltung, sie hat wenig allgemeine Prinzipien. Das Gesetz ist gleichförmig, Sitten, Länder und Intelligenzen sind es nicht; nun aber ist die Verwaltung die Kunst, die Gesetze anzuwenden, ohne die Interessen zu verletzen; alles ist hier also lokal bedingt. Auf der anderen Seite des Berges, an dessen Fuße unser verlassenes Dorf liegt, ist es unmöglich, mit Radpflügen zu arbeiten, die Ackerkrume ist nicht tief genug; wollte uns der Bürgermeister dieser Gemeinde unsere Art und Weise nachahmen, so würde er seine Untergebenen ruinieren. Ich hab' ihm geraten, Weinberge anzulegen, und im letzten Jahre hat diese kleine Gemeinde ausgezeichnete Ernten gehabt; sie tauscht ihren Wein gegen unser Getreide ein. Kurz, ich hatte auf die Leute, denen ich predigte, einigen Einfluß; wir standen unaufhörlich in Beziehung miteinander. Ich heilte meine Bauern von ihren Krankheiten, die so leicht zu heilen sind; es handelt sich in Wirklichkeit nur darum, ihnen durch eine substanzielle Nahrung ihre Kräfte wiederzugeben. Landleute nähren sich, sei's aus Sparsamkeit, sei es aus Armut, so schlecht, daß ihre Krankheiten nur von ihrer Bedürftigkeit herrühren; und im allgemeinen fühlen sie sich ziemlich wohl. Als ich mich ergeben zu diesem Leben ruhmloser Resignation entschloß, habe ich lange gezögert, ob ich Pfarrer, Landarzt oder Friedensrichter werden solle. Nicht ohne Grund, mein lieber Herr, stellt man sprichwörtlich die drei schwarzen Gewänder, den Priester, den Mann des Gesetzes und den Arzt zusammen: der eine verbindet Wunden der Seele, der andere die der Börse, der letzte die des Leibes; sie stellen die Gesellschaft in ihren drei hauptsächlichen Existenzzuständen dar: das Gewissen, den Grundbesitz und die Gesundheit. Ehedem bildete ersteres, dann das zweite den ganzen Staat. Die uns auf Erden vorangegangen sind, dachten, vielleicht mit Recht, daß der Priester, da er über die Gedanken verfüge, die ganze Regierung sein müsse; er war damals König, Pontifex und Richter; doch war damals alles Glaube und Gewissen. Heute ist alles anders; nehmen wir unsere Epoche, wie sie ist. Nun, ich glaube, daß der Fortschritt der Zivilisation und der Wohlstand der Massen von diesen drei Männern abhängen, sie sind die drei Mächte, die das Volk unmittelbar die Wirkung der Geschehnisse, der Interessen und der Grundsätze, die drei großen Resultate fühlen lassen, welche bei einer Nation durch die Ereignisse, durch den Besitz und durch die Ideen hervorgerufen werden. Die Zeit schreitet vorwärts und führt Veränderungen herbei, der Besitz vermehrt oder vermindert sich; entsprechend diesen verschiedenen Wandlungen muß man alles regeln; daraus ergeben sich die Ordnungsgrundsätze. Um zu zivilisieren, um Produktionszweige zu schaffen, muß man den Massen begreiflich machen, worin das Sonderinteresse mit den nationalen Interessen, die aus Tatsachen, Interessen und Grundsätzen bestehen, übereinstimmt. Die drei Berufe schienen mir daher, indem sie notwendigerweise diese menschlichen Resultate berühren, heute die größten Hebel der Zivilisation sein zu müssen; sie allein können einem braven Manne stets die wirksamen Mittel verschaffen, das Los der armen Klassen, mit welchen sie in fortwährenden Beziehungen stehen, zu verbessern. Doch hört der Bauer lieber auf den Mann, der ihm ein Rezept schreibt, um ihm den Körper zu retten, als auf den Priester, der vom Seelenheile redet: der eine kann ihm von der Erde, die er bebaut, erzählen, der andere ist verpflichtet, ihn vom Himmel zu unterhalten, um den er sich heute unglücklicherweise wenig kümmert. Ich sage unglücklicherweise; denn das Dogma vom künftigen Leben ist nicht nur ein Trost, sondern auch ein brauchbares Werkzeug zum Regieren. Ist die Religion nicht die einzige Macht, welche die sozialen Gesetze sanktioniert? Jüngst haben wir Gott gerechtfertigt. In Ermanglung der Religion sah sich die Regierung gezwungen, den Terror zu erfinden, um ihre Gesetze durchführbar zu machen; aber es war ein menschlicher Terror, er ist vergangen. Wenn nun ein Bauer krank ist, mein Herr, an ein schlechtes Bett gefesselt oder genesend, ist er gezwungen, zusammenhängende Erörterungen anzuhören, und er begreift sie gut, wenn sie ihm klar vorgebracht werden. Dieser Gedanke hat mich zum Arzt gemacht. Ich rechnete mit meinen Bauern und für sie; ich gab ihnen nur Ratschläge von sicherer Wirkung, die sie zwangen, die Richtigkeit meiner Ansichten einzusehen. Dem Volke gegenüber muß man immer unfehlbar sein. Die Unfehlbarkeit hat Napoleon gemacht, sie hätte einen Gott aus ihm gemacht, wenn der Erdkreis ihn nicht bei Waterloo hätte fallen hören. Wenn Mohammed eine Religion geschaffen hat, nachdem er ein Drittel der Welt erobert hatte, geschah es, indem er der Welt das Schauspiel seines Todes entzog. Für den Dorfbürgermeister und den Eroberer galten die nämlichen Prinzipien: Nation und Gemeinde sind ein und dieselbe Herde. Ueberall ist die Masse die nämliche. Endlich habe ich mich denen gegenüber, die ich meiner Börse verpflichtete, streng bezeigt. Ohne diese Festigkeit würden sich alle über mich lustig gemacht haben. Die Bauern sowohl wie die Weltleute schätzen den Mann, den sie betrügen, zuletzt gering. Heißt nicht, genasführt worden sein, einen Akt der Schwäche begangen zu haben? Kraft allein regiert. Niemals habe ich jemandem einen Heller für meine Bemühungen abverlangt, außer denen, die augenscheinlich reich sind; habe sie aber nie über den Preis meiner Bemühungen im unklaren gelassen. Ich schenke keine Medikamente, außer im Falle von Armut bei dem Kranken. Wenn meine Bauern mich nicht bezahlen, so kennen sie doch ihre Schulden; manchmal entlasten sie ihr Gewissen, indem sie mir Hafer für meine Pferde und Getreide bringen, wenn es nicht teuer ist. Der Müller aber bot mir nur Aale als Bezahlung für meine Bemühungen an, da sagte ich ihm, daß er für eine solche Kleinigkeit zu edelmütig sei. Meine Höflichkeit bringt Früchte: im Winter werd' ich von ihm einige Säcke Mehl für die Armen erhalten. Sehen Sie, mein Herr, die Leute haben ein Herz, wenn man es ihnen nicht entmutigt. Heute denke ich besser und minder schlecht von ihnen als in der Vergangenheit!«

      »Sie haben viel Schweres auf sich genommen!« sagte Genestas.

      »Ich, durchaus nicht,« erwiderte Benassis. »Es kostete mich gleich viel, etwas Nützliches wie Albernheiten zu sagen. Im Vorbeigehen, plaudernd, lachend redete ich mit ihnen von ihnen selbst. Zuerst hörten die Leute nicht auf mich, ich hatte viele Widerstände in ihnen zu bekämpfen: ich war ein Bourgeois, und ein Bourgeois ist für sie ein Feind. Dieser Kampf belustigte mich. Zwischen dem Böses-tun und dem Gutes-tun besteht kein anderer Unterschied wie der Frieden seines Gewissens oder seine Unruhe, die Mühe ist die gleiche. Wenn die Schufte sich gut aufführen wollten, würden sie Millionäre, anstatt gehängt zu werden, das ist alles.«

      »Herr,« rief Jacquotte, die hereinkam, »das Essen wird kalt!«

      »Mein

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