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gefolgt von allen Herren, die an den Fenstern gestanden hatten.

      »Euer Gnaden kommen von Düsseldorf?«

      »Hat es Ihnen der Extrapostzettel nicht gesagt?«

      »Sie kommen aber noch weiter, vom Kriegsschauplatze her.«

      »Herr, meinen Sie, ich sei davongelaufen bis hierher?«

      »Aber Sie haben gewiss Nachrichten von der Schlacht.«

      »Ich weiß von keiner Schlacht.«

      »Aber der Herr Domherr haben sie ja selbst gehört«, sagte einer der Herren. »Jenseits Münster. Die Postillione haben es erzählt.«

      »Die Postillione sind Narren, Windbeutel.«

      »Treten Sie zurück, meine Herren!« sagte der Postmeister zu den andern Herren.

      Sie traten zurück.

      »Euer Gnaden«, sagte er dann zu dem Domherrn, »Sie sehen hier, wie die ganze Stadt in Angst ist um alle die Ihrigen, die mit in den Krieg gezogen sind. Wissen Sie wirklich nichts?«

      »Ich weiß wirklich nichts, braver Postmeister, als dass dieser Krieg eine große Narrheit ist.«

      »Ein großes Unglück, Euer Gnaden!«

      »Narrheit ist Unglück. Sie sehen das jetzt noch nicht ein; Sie werden es später schon erfahren, und dabei oder dadurch, dass Undank der Lohn der Welt ist. Dies aber mit Ausnahmen, lieber Postmeister. Von der Schlacht werden Sie schon früh genug die traurige Nachricht erhalten. Geben Sie dieser armen Frau Ihre Hand, die Ihnen ihren Dank und ihren Abschied sagen will. Nehmen Sie auch meinen Dank. Sie sind ein braver Mann, wenn Sie auch ein grober Postmeister sein können.«

      Er gab dem braven Mann die Hand.

      Die arme Frau wollte dann ihren Dank sagen.

      Aber der Postmeister rief:

      »Nichts da, nichts da! War Christenpflicht. Es wird nur meiner Therese leidtun, dass sie nicht mehr Abschied von Ihnen nehmen kann.«

      »Grüßen Sie sie tausendmal auf das herzlichste von mir«, sagte die Frau.

      Sie hatte wohl noch vieles auf dem dankbaren Herzen.

      Aber Johann war zurückgekommen.

      »Fort!« rief der Domherr. »Adieu, Postmeister.«

      Der Wagen flog fort.

      Als sie außerhalb der Stadt waren, konnte doch die Frau ihre Frage nicht ferner unterdrücken.

      »Sie wissen von einem Kampfe unserer Truppen, Herr Domherr?«

      »Ich kann wenigstens nicht daran zweifeln.«

      »Ihr Herr Neffe ist bei der Armee?«

      »In der Landwehr.«

      »Er schrieb Ihnen vom Kampfplatze?«

      »Von Charleroi, wie ich Ihnen sagte, Madame, und, wie er meinte, nahe vor einer Schlacht.«

      »Er hatte Ihnen auch von meinem Manne geschrieben?«

      »Wie ich Ihnen schon mitteilte, dass Ihr Mann, ein Hauptmann Mahlberg, sein Kamerad sei.«

      »Weiter nichts?«

      »Kein Wort weiter.«

      Die Frau fragte nicht mehr. Aber der Domherr sah, wie sie mit einer schweren innern Angst kämpfte.

      »Was hat die mit ihrem Mann?« fragte er sich. »Sie nannte sich eine Verbrecherin! Gegen ihn? Wird auch Gisbertine sich eine Verbrecherin nennen?«

      »Zum — zum Kuckuck!« rief er auf einmal beinahe laut »Gisbertine! Ich treffe sie in Paderborn! Dahin komme ich mit dieser — hm, mit dieser fremden Madame. Ich kann sie nicht vor ihr verbergen! Ich muss mit ihnen beiden weiter reisen. Die stolze, vornehme, freche Gisbertine, und diese verlassene Dido! Teufel, da habe ich einen verdammt leichtsinnigen Streich gemacht! In meinen alten Tagen noch! Das kommt von der vermaledeiten Gutmütigkeit! Ich habe sie oft verschworen. Aber was der Mensch am meisten verschwört, in das fällt er am meisten zurück. Was mache ich nun?«

      Er rückte unruhig auf seinem Sitze hin und her; der Schweiß trat ihm auf die Stirn.

      Die Frau musste ihn ansehen, ob ihm etwas fehle.

      »Es ist so heiß hier«, sagte er. »Das ist ein schwüler Tag!«

      Die Frau saß neben ihm. Der Wagen war breit.

      Aber sie hatte ihr schlafendes Kind auf dem Schoß; so verengte sie wohl den Sitz. Sie wollte aufstehen, um sich mit dem Kinde auf den Rücksitz zu setzen.

      »O«, sagte er, »Ihnen ist es auch zu heiß mit dem Kinde! Geben Sie es mir.«

      Er wollte es ihr abnehmen.

      »Nein, nein, Herr· Domherr, ich wollte Ihnen hier mehr Platz schaffen.«

      »Nein, nein!« rief da auch er. »Bleiben Sie sitzen, liebe Frau. Wir haben Platz genug.«

      Die Frau musste sitzen bleiben. Er verhielt sich ruhig, aber sein leises Selbstgespräch musste er fortsetzen.

      »Die arme Frau wollte ich vor Gisbertinen verbergen, verleugnen? Weil sie so arm und einfach und Gisbertine die stolze und prächtige Dame ist? Ich werde stolz auf sie sein, mit ihr renommieren! Sie ist schön. Sie hat die Formen, den Anstand der besten Gesellschaft Sie hat etwas Edles in ihrem Wesen. Der Adel des Unglücks tritt bei ihr hinzu. Freilich —«

      Er wurde doch wieder unruhig; er hatte die Frau von der Seite angesehen.

      »Verzweifelt pauvre sieht sie aus. Das Kleid von Kattun! Der Schal alt, verschossen und wohl für den Herbst; aber nicht für einen heißen Junitag passend. Und der Hut gar! Wann war der doch Mode? höre ich Gisbertinchen schon fragen. Ob ich nicht vorher in Paderborn mit ihr zu einem Modenmagazin fahre? Aber zum Kuckuck, könnte ich die arme Frau, ihre Armut schwerer drücken, als wenn ich ihr so zeigte, dass ich mich ihrer schäme? Sie soll so mit, wie sie ist, und lass die Gisbertine es wagen, den Mund zu verziehen! Sie soll mich kennen lernen!«

      Er sagte es entschlossen.

      Dann kam es doch wieder anders über ihn.

      »Aber was sage ich der Gisbertine, wer sie sei? Sie wird fragen. Sie kann so verzweifelt fragen, als wenn man ihr eine Antwort gar nicht verweigern könnte. Sage ich ihr die Wahrheit? Dass ich also eigentlich gar nichts wisse? Dann wird sie das arme Geschöpf bis auf das Blut ausfragen. Lügen darf ich auch nicht. Vermaledeite Situation! Ich war doch leichtsinnig! Ob ich nicht dennoch am Ende besser täte, die Frau mit ihrem Kinde in einen andern Gasthof zu bringen?«

      Er raffte sich noch einmal auf.

      »Aber zum Kuckuck, warum fürchte ich mich denn vor dieser Gisbertine? Sie soll sich unterstehen zu fragen, nur mit einer einzigen Frage die arme Frau oder mich zu belästigen!«

      Und dabei blieb er.

      Als er das Tor von Paderborn vor sich sah, fragte er die Frau nur noch:

      »Madame, wollen Sie den Namen Mahler ferner behalten?«

      »Es wäre mir lieb!« sagte die Frau.

      »So bleiben wir dabei.«

      Vor der Post in Paderborn sagte er dann:

      »Liebe Frau Mahler, wir werden hier Verwandte von mir treffen, mit denen wir weiter reisen werden. Es sind ein alter General und seine Nichte, die auch meine Nichte ist. Der alte Herr wird Ihnen nichts tun. Aber wenn die junge Dame Ihnen zu nahe treten will — sie hat ihre Capricen — so trumpfen Sie sie ab, ganz gehörig.«

      Der Frau Mahler war doch nicht wohl bei diesen Eröffnungen. Aber der Wagen hielt schon im Posthofe. Der Domherr hatte ein paar eilige Worte zu dem Postillion zu sagen.

      Auf den Stationen, die er seit Warendorf passiert hatte, war

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