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weiß, er hat mir schon geholfen. Er ist sehr nett.«

      »Das ist er«, bestätigte Dr. Bernau. Er fand dieses Mädchen immer noch ganz reizend. »Ich kann im Doktorhaus anrufen, dann erfahren wir gleich, ob der Chef dort ist.«

      Heftig schüttelte Sonja den Kopf. »Nein, bitte nicht! Ich möchte nicht, dass er wegen mir gestört wird.«

      Nun war der Assistenzarzt mit seinen Vorschlägen am Ende. Ratlos meinte er: »Was wollen Sie dann tun?«

      »Ich warte hier! Vielleicht habe ich Glück, und Dr. Lindau kommt doch noch einmal in die Klinik. Jedenfalls danke ich Ihnen.« Sie lächelte. Es war ein zaghaftes Lächeln, und es zeigte ihm, dass sie im Grunde nicht wusste, was sie machen sollte.

      »Dann leiste ich Ihnen Gesellschaft«, meinte Dr. Bernau. »Ich habe Zeit, und vielleicht kann ich Ihnen doch noch irgendwie behilflich sein. Was machen Sie, wenn Dr. Lindau nicht mehr in die Klinik kommt?«

      »Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ich habe aber gar keine Wahl. Ich werde in Auefelden bleiben.«

      »Sie sind nicht von Auefelden, das habe ich mir gedacht.«

      »Ich lebe in Rosenheim.« Sonja presste die Lippen aufeinander. Konnte sie dies überhaupt noch sagen? Wo war Moritz jetzt? Sie wandte den Kopf ab.

      »Ich weiß noch nicht einmal, wie Sie heißen.«

      »Baldau, Sonja Baldau!« Sonja wandte sich dem Arzt wieder zu. »Ich lernte Dr. Lindau in Lugano kennen, das heißt, mein Mann und ich lernten ihn dort kennen. Daher habe ich ihn gestern auch aufgesucht. Ich war schon lange nicht mehr bei einem Frauenarzt. Das war ein Fehler, da muss ich Dr. Lindau recht geben. Doch ich habe nicht viel Vertrauen zu Ärzten.« Sonja wurde sich bewusst, was sie gesagt hatte, sie errötete. Es hatte ihr so gutgetan, endlich mit jemandem zu sprechen. Da hatte sie ganz vergessen, dass dieser Jemand ein Arzt war. »Entschuldigen Sie!«

      Ernst entgegnete Dr. Bernau: »Vielleicht können wir hier in der Klinik dazu beitragen, dass Sie Vertrauen zu den Ärzten bekommen.« Ihm war jetzt klar, dass diese junge Frau Probleme hatte. Es würde also zwischen ihm und ihr zu keinem Flirt kommen. Trotzdem blieb er neben ihr sitzen.

      »Es tut mir leid«, sagte Sonja noch einmal. »Ich sage in letzter Zeit nicht nur lauter dumme Sachen, ich benehme mich auch völlig falsch. Dabei meine ich doch alles nicht so. Dr. Lindau und auch Dr. Westphal haben sich so nett um mich gekümmert. Ich vertraue Ihnen auch. Das Problem ist nur, dass mein Mann kein Vertrauen hat. Aber er hat ja nicht einmal zu mir Vertrauen.« Sonja wurde sich bewusst, dass sie den Arzt, zu dem sie so offen sprach, gar nicht näher kannte. Sie erhob sich.

      »Es hat wohl keinen Sinn mehr, wenn ich länger hier warte. Ich komme morgen wieder, dann wird Dr. Lindau sicher einmal Zeit für mich haben.«

      »Sicher!« Dr. Bernau erhob sich. »Aber was wollen Sie dann jetzt tun? Sie werden doch nicht nach Rosenheim fahren?«

      Sonja hätte es gern getan, aber sie schüttelte den Kopf.

      Dr. Bernau überlegte. Konnte er es wagen, die junge Frau einzuladen? Offensichtlich wusste sie nicht, was sie tun sollte. »Wenn Sie in Auefelden bleiben, dann …« Er konnte seine Einladung nicht mehr aussprechen, denn Sonjas Miene erhellte sich.

      »Verzeihen Sie, Herr Doktor, da kommt Dr. Lindau!« Sonja ließ den Assistenzarzt stehen und eilte dem Chefarzt entgegen. Dieser war sehr überrascht.

      »Sonja! Sie sind doch noch gekommen? Wo haben Sie den ganzen Tag gesteckt?«

      »Ich war in Rosenheim.«

      »Sie haben sich also zur Operation entschlossen? Das ist gut! Haben Sie sich schon bei Frau Dr. Westphal gemeldet? Sie ist doch noch im Haus?« Diese Frage galt Dr. Bernau, der langsam herangekommen war.

      »Ich glaube, Frau Baldau wollte nicht, dass ich sie verständige.«

      »Ich habe gar nicht an die Operation gedacht«, gestand Sonja. »Sie haben mir gestern gesagt, dass Sie mit meinem Mann sprechen würden.« Für Sekunden sah sie verlegen auf den Assistenzarzt, dann gab sie sich einen Ruck und fuhr fort: »Ich möchte Sie bitten, dies zu tun. Sie müssen ihm erklären, warum ich nach Auefelden gekommen bin und vor allem, dass ich hier in der Klinik war.«

      Dr. Lindau nickte. »Selbstverständlich! Wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist Ihr Mann nicht mitgekommen. Ich schlage vor, Sie bleiben gleich hier. Ich weise Ihnen ein Zimmer zu. Die Operation kann dann übermorgen stattfinden. Wir stellen Ihren Mann vor vollendete Tatsachen.«

      »Ich weiß nicht, Herr Doktor!« Sonja kamen bereits wieder Bedenken.

      »Sie haben doch auf mich gewartet, oder?« Dr. Lindau warf seinem Assistenzarzt einen raschen Seitenblick zu.

      »Ich habe Frau Baldau nur Gesellschaft geleistet«, sagte dieser rasch. »Ich dachte, dass ich vielleicht helfen könnte, als ich Frau Baldau in der Halle sitzen sah.«

      »Der Herr Doktor war sehr nett. Danke!« Sonja nickte dem Assistenzarzt zu.

      Dr. Bernau grüßte und ging. Er wusste noch immer nicht, wohin, und er spürte auch ein leises Bedauern. Gern hätte er den Abend in Gesellschaft dieser jungen Frau verbracht. Diese wurde jedoch vorerst einmal von Dr. Lindau mit in sein Büro genommen.

      »Setzen Sie sich«, bat der Chefarzt dort. »Darf ich Ihnen einen Kaffee bringen lassen? Sie sehen so aus, als hätten Sie kein Mittagessen gehabt.«

      »Ich …, ich …« Sonja suchte wieder einmal nach Worten.

      »Schon gut! Ich habe bereits verstanden. Sie konnten mit Ihrem Mann nicht sprechen. Wie ich Ihnen schon gesagt habe, übernehme ich diese Aufgabe gern. Zuerst aber werde ich veranlassen, dass man Ihnen etwas zu essen bringt.«

      Sonja wollte etwas sagen, doch Dr. Lindau hatte bereits zum Telefonhörer gegriffen. Er lächelte ihr väterlich zu. »Betrachten Sie sich als Patientin der Klinik. Ich lasse Ihnen ein Zimmer richten. Dann werde ich Ihren Mann anrufen und ihm sagen, dass er Sie hier besuchen kann.«

      »Und wenn er nicht kommt?« Sie sah ihn voller Angst an.

      »Wenn wir die Operation für übermorgen festsetzen, dann wird er schon kommen. Ist Ihr Mann zu Hause? Kann ich ihn dort erreichen?«

      »Ich weiß nicht, ich hoffe es.« Verlegen knetete Sonja ihre Hände.

      »Ich werde es gleich versuchen.« Zuerst gab Dr. Lindau noch seine Anweisungen wegen des Zimmers und eines Abendessens. Während er sprach, beobachtete er Sonja Baldau. Ihm war klar, dass die Frau vergebens versucht hatte, mit ihrem Mann zu sprechen.

      *

      Obwohl man sich am Vorabend noch liebevoll um Sonja Baldau gekümmert hatte, hatte sie lange gebraucht, bis sie hatte einschlafen können. Schuld daran war das Telefongespräch, das der Chefarzt nicht hatte führen können. Er hatte es einige Male probiert, aber niemand war in Rosenheim an den Apparat gegangen. So war Sonja immer schweigsamer geworden. Daher hatte sie auch sehr unruhig geschlafen, war öfter aufgewacht, und erst in den Morgenstunden war sie in einen tiefen Schlaf gefallen.

      Es war bereits neun Uhr vorbei, als eine Schwester an ihre Zimmertür klopfte.

      Im ersten Moment wusste Sonja nicht, wo sie sich befand. Verwirrt starrte sie auf die weiß lackierte Tür, die sich langsam öffnete. »Guten Morgen«, sagte die Schwester freundlich. »Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen.«

      »Ich weiß nicht!« Sonja setzte sich auf. Unsicher strich sie sich ihr langes blondes Haar aus dem Gesicht.

      »Sie haben jedenfalls überhaupt nicht bemerkt, dass wir bereits Schichtwechsel gehabt haben. Ich bin Schwester Karin. Wir haben uns gestern nicht mehr gesehen. Ich hatte schon dienstfrei, als Sie aufgenommen wurden.« Mit einem freundlichen Lächeln trat Karin näher.

      »Ich habe wirklich geschlafen?« Sonja war überrascht. Sie ließ ihren Blick durch das Krankenzimmer wandern. »Ich dachte, ich hätte die ganze Nacht wach gelegen.« Ihr Blick kehrte zu Karin zurück. »Schwester, wie spät ist es denn?«

      »Neun

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