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haben, warum sind Sie dann überhaupt gekommen?«

      Ihre Unterlippe zitterte. »Mit wem hätte ich sonst darüber sprechen können? Sie waren so nett zu mir.«

      Dr. Lindau unterdrückte einen Seufzer. Mit gerunzelter Stirn sah er auf die junge Frau. »Es war gut, dass Sie zu mir gekommen sind. Es besteht kein Grund für Ihre Verzweiflung. Es wird alles wieder gut werden. Ich bringe Sie jetzt hinaus zu meiner Assistentin. Sie wird einige Tests mit Ihnen machen, unter anderem auch Blut abnehmen.« Er unterbrach sich kurz, denn er sah, wie ihre Augen wieder groß wurden.

      »Sonja, das ist notwendig! Wir wollen Sie doch gründlich untersuchen.«

      »Und Sie sagen mir auch die Wahrheit? Sie lügen mich nicht an, wenn es hoffnungslos ist?«

      »Ganz sicher nicht!« Er schenkte ihr ein väterliches Lächeln, obwohl er langsam die Geduld verlor. »Ich muss jetzt mit der Sprechstunde weitermachen.«

      Noch immer sah er die Angst in ihrem Gesicht. Da hatte er eine Idee. »Ich werde nach Dr. Westphal rufen. Sie kann Ihnen erklären, was es mit einem Myom auf sich hat.«

      »Herr Doktor, ich bin zu Ihnen gekommen … Ich kann mit niemandem anderen darüber sprechen.«

      »Keine Sorge, Frau Dr. Westphal ist meine engste Mitarbeiterin. Außerdem ist sie eine Frau. Sie werden sehen, bei ihr sind Sie in den besten Händen.« Er lächelte Sonja jetzt nochmals zu, wich dann ihren großen, erschrockenen Kinderaugen aus und griff nach dem Telefonhörer.

      *

      Dr. Anja Westphal hatte sich sofort um Sonja Baldau gekümmert. Es war nicht leicht gewesen, aber schließlich hatte die junge Frau auch zu ihr Vertrauen gefasst. Die Untersuchung hatten nun beide Ärzte gemeinsam gemacht.

      »Du hast mit deiner Vermutung recht gehabt«, meinte Anja. »Es handelt sich um eine gutartige Geschwulst der Gebärmuttermuskulatur. Wir müssen auf alle Fälle operieren. Offensichtlich hat sich das Myom gedreht und drückt nun auf die Nachbarorgane. Am besten wird es sein, wir behalten Frau Baldau gleich hier.«

      »Und da fängt das Problem an!« Dr. Lindau begann im Zimmer auf und ab zu gehen. Schließlich blieb er vor der Frauenärztin stehen, die an seinem Schreibtisch lehnte. »Sie hat Angst … Angst vor dieser Operation, aber noch mehr Angst davor, keine vollwertige Frau mehr zu sein.«

      Die Frauenärztin nickte dazu bestätigend. In einem langen Gespräch war ihr dies auch klar geworden. »Sie scheint kein Vertrauen zu ihrem Mann zu haben.«

      »Vertrauen ….« Dr. Lindau dachte über das Wort nach. »Sie sind beide noch sehr jung. Es fehlt ihnen an Lebenserfahrung. Herr Baldau war es doch, der seine Frau des Ehebruchs beschuldigte.«

      »Und nur, weil sie sich ihm entzogen hat?« Anja musste lächeln.

      »Du vergisst, die beiden waren auf der Hochzeitsreise. Doch das sollte nicht unser Problem sein. Wenn es nötig ist, werde ich mit Herrn Baldau ein Gespräch führen.«

      Sonja, die gerade hereinkam, hatte die letzten Worte gehört. »Nein! Sie haben mir versprochen, dies nicht zu tun. Es gibt doch so etwas wie eine ärztliche Schweigepflicht – Sie dürfen meinem Mann also gar nichts sagen.« Auf dem jungen Gesicht spiegelte sich jetzt wieder der Trotz.

      »Ich werde nichts ohne Ihr Einverständnis tun.« Dr. Lindau presste die Lippen aufeinander. Anja kam ihm zu Hilfe. »Setzen Sie sich, Frau Baldau. Wir wollen mit Ihnen über die Untersuchung sprechen.«

      »Ja!« Da war wieder die Angst. Ihre Augen begannen zu flackern. Dr. Lindaus Unmut schwand.

      »Kommen Sie!« Er ging auf sie zu, nahm ihren Ellbogen und führte sie zu einem Stuhl. »Sie brauchen keine Angst zu haben. Wir können Ihnen helfen.«

      »Wie?« Der Chefarzt spürte, wie sie sich versteifte, aber er drückte sie auf den Stuhl. »Meine erste Vermutung hat sich bestätigt. Ihre Schmerzen werden durch ein Myom verursacht.« Sonja fuhr auf, doch er sprach schnell weiter. »Ein Myom ist eine gutartige, langsam wachsende Geschwulst aus Muskelgewebe. Am häufigsten ist das Gebärmutter-Myom. Darunter leiden Sie.«

      »Ob Geschwulst oder Tumor, das ist völlig egal! Jedenfalls bin ich so für meinen Mann keine Frau mehr.« Sonja sagte es leise. Sie sah von Dr. Lin­dau zu Dr. Westphal, verschämt senkte sie dann den Kopf.

      Anja wechselte mit dem Chefarzt einen Blick, dann ergriff sie das Wort: »Viele Frauen leiden unter einem Myom. Viele wissen es nicht einmal, weil sie nie irgendwelche Beschwerden haben. Bei anderen wiederum kann es durch ein Myom zu Störungen der Gebärmutterfunktion kommen, also zu Fruchtbarkeitsstörungen.«

      Sonjas Kopf schnellte in die Höhe. »Wenn es bei mir nur so wäre! Wir wollen sowieso noch kein Kind, jedenfalls nicht im nächsten Jahr.«

      »Bei Ihnen macht sich das Myom durch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr bemerkbar«, fuhr Anja fort. Nur unmerklich hatte sie ihre Augenbrauen in die Höhe gezogen.

      Wieder wurde sie von Sonja unterbrochen. »Ich verstehe das nicht! Warum diese plötzlichen Beschwerden? Sie sagten doch, dass diese Geschwulst bereits während der Geschlechtsreife gewachsen ist. Ich habe jedoch nie etwas gespürt. Es fing erst kurz vor unserer Hochzeit an.«

      »Das kann ich Ihnen erklären. Das Myom hat sich gedreht, es hat die Lage verändert. Darauf sind Ihre Beschwerden zurückzuführen. Durch einen kleinen chirurgischen Eingriff können wir Ihnen helfen.«

      »Eine Operation?« Sonja sprang auf. »Eine Unterleibsoperation, aber dann …« Ihr brach die Stimme.

      »Das ist eine falsche Annahme«, sagte Dr. Lindau rasch. »Wir werden nur das Myom entfernen, sonst geschieht nichts.«

      »Bei einer Unterleibsoperation kann man doch unfruchtbar werden. Sie können bei der Operation die Eierstöcke verletzten. Dann bin ich auch keine richtige Frau mehr.«

      »Wir wissen, wo das Myom sitzt. Wenn wir es entfernen, dann bleiben die Eierstöcke erhalten. Davon können Sie ausgehen.«

      »Eine Unterleibsoperation! Sie müssen mich wirklich operieren?« Sonja wandte sich dem Chefarzt zu. »Bitte, Herr Doktor, das können Sie nicht tun.«

      »Das ist die einzige Möglichkeit, um Sie von Ihren Schmerzen zu befreien.« Dr. Lindau sagte es ruhig, er versuchte, ihren Blick festzuhalten. Unruhig zuckten ihre Lider.

      »Aber dann würde Moritz ja davon erfahren. Können Sie mir nicht irgendwelche Tabletten geben? Ich würde sie jeden Tag einnehmen.« Bittend, wie ein kleines Kind, legte sie die Hände gegeneinander.

      »Mit Tabletten oder Bestrahlungen ist hier nichts zu machen. Wir können das Myom nur chirurgisch entfernen. Sie müssen davor keine Angst haben, im Gegenteil, es wird dann wieder alles so sein wie früher.«

      »Bei einer Unterleibsoperation?« Heftig schüttelte Sonja den Kopf.

      »Ihr Mann weiß nicht, wo Sie sind?«, fragte Dr. Lindau nach. Er hatte wohl bemerkt, dass auch seine Kollegin den Kopf geschüttelt hatte.

      »Es war nicht nötig, ihm etwas davon zu sagen.« Sonja streckte sich. »Mein Mann begleitet einen Bus nach Paris. Er ist vier Tage weg, das heißt, morgen kommt er wieder zurück. Da muss ich zu Hause sein.«

      »Ich würde aber vorschlagen, dass Sie mit der Operation nicht zu lange warten«, mischte sich wieder Dr. Westphal ins Gespräch.

      »Herr Doktor, denken Sie auch so?« Entsetzt fragte es Sonja.

      Ernst nickte der Chefarzt. »Ich stimme da Dr. Westphal völlig zu. Am besten wäre es, Sie blieben gleich hier. Rufen Sie morgen Ihren Mann an und bitten Sie ihn, nach Auefelden zu kommen.«

      »Das geht nicht!« Sonja presste die Hände gegen die Brust. Sie war wieder voller Abwehr.

      »Warum sollte das nicht gehen? Ich würde dann mit Ihrem Mann sprechen …«

      Sonja fiel ihm ins Wort: »Nein! Sie haben mir versprochen, nichts zu unternehmen.«

      »Sonja, dann müssen Sie mit Ihrem Mann sprechen

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