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kam es leise von ihren Lippen. »Ich fahre nach Rosenheim zurück.«

      »Und was ist mit der Operation?«, fragte Anja. »Sollen wir schon einen Termin festlegen?«

      »Sie können nichts ohne meine Einwilligung unternehmen. Sie sind an Ihren Eid gebunden.« Sonjas Atem ging heftig. Sie sah die Ärztin an, als wäre sie ihre Feindin.

      »Natürlich werden wir nichts ohne Ihre Einwilligung tun«, versuchte die Ärztin sie nun zu beruhigen. »Sie sollten nur wirklich nicht zu lange mit einer Operation warten. Denken Sie an Ihre Schmerzen.«

      »Ich weiß, ich bin ein Krüppel.« Sonja verbarg ihr Gesicht zwischen den Händen.

      Anja zuckte die Achseln. Sie sah den Chefarzt an. Offensichtlich hatte sie jetzt nicht die richtigen Worte gefunden.

      »Wir wollen Ihnen doch nur helfen, Frau Baldau«, sagte Dr. Lindau. »Wenn Sie nach Rosenheim zurückfahren wollen, um mit Ihrem Mann zu sprechen, dann akzeptieren wir dies selbstverständlich. Sie können Ihrem Mann ausrichten, dass ich jederzeit zu einem Gespräch zur Verfügung stehe. Es wird wirklich keine schwierige Operation, viel mehr handelt es sich nur um einen kleinen Eingriff. Wir können Ihnen auch sofort ein Bett anweisen und diesen Eingriff vornehmen, wenn Sie mit Ihrem Mann telefoniert haben.«

      »Ich fahre nach Rosenheim. Ich werde darüber nachdenken und gebe Ihnen dann Bescheid. Danke, Herr Doktor! Auf Wiedersehen!« Sie eilte zur Tür, als wäre sie auf der Flucht.

      Dr. Lindau wollte noch etwas sagen, doch seine Kollegin sah ihn beschwörend an. Da zog er laut die Luft ein und sagte: »Auf Wiedersehen, Frau Baldau! Grüßen Sie Ihren Mann von mir. Und vergessen Sie nicht, ich stehe Ihnen und Ihrem Mann jederzeit zur Verfügung.«

      Da wandte sich Sonja nochmals um. »Danke, Herr Doktor! Auf Wiedersehen, Frau Doktor!«

      Es fiel dem Chefarzt schwer, aber er ließ sie gehen. Nachdem sich die Tür hinter Sonja Baldau geschlossen hatte, sagte Dr. Anja Westphal: »Du kannst sie weder zum Bleiben noch zu einer Operation zwingen. Da sie aber ihren Mann nicht verlieren will, wird sie wiederkommen.«

      »Ich hoffe, dass ihr Mann so vernünftig ist und ihr nahelegt, es zu tun«, brummte Dr. Lindau.

      »Die Frage ist nur, ob sie überhaupt mit ihm sprechen wird. Sie scheint völlig verstört. Sie ist noch ein Kind, obwohl sie bereits Ehefrau ist.«

      »Da, kann ich dir nur zustimmen.« Dr. Lindau fuhr sich mit beiden Händen durch das Haar. »Sie ist ohne Eltern aufgewachsen, das hat sie einmal erwähnt. Und in den letzten Jahren hat sie sich ganz auf ihren Mann fixiert.« Er streckte sich. »Es wird langsam Zeit, dass wir uns auch wieder um andere Patienten kümmern. Frau Kugler und Frau Martell warten seit gestern, dass ich mich mit ihnen befasse.« Er griff zum Telefonhörer, gab Bescheid, dass man die nächste Patientin zu ihm bringen konnte.

      »Bis später!« Dr. Anja Westphal nickte ihm zu und ging. Auch sie hatte noch andere Pflichten.

      *

      Moritz Baldau saß an der Theke und starrte in sein Bier. Er bemerkte nicht, dass die Kellnerin ihn nicht aus den Augen ließ. Er war denkbar schlechtester Laune, hatte auch bereits zu viel getrunken. Nun griff er nach seinem Glas und leerte es. Ohne aufzusehen, rief er: »Noch ein Bier, einen Korn!«

      »Hast du nicht schon genug?«, fragte die Kellnerin. Sie trat zu ihm.

      »Was geht dich das an?«, brummte Moritz. Er hielt das leere Glas mit beiden Händen umspannt.

      Ihre Finger strichen flüchtig über seine Hand. »Glaubst du, ich merke es nicht, dass du Kummer hast? Du willst dich volllaufen lassen. Da weiß ich etwas Besseres.«

      Moritz hob den Kopf. Sie stand dicht neben ihm. Ihr blondes Haar fiel in Locken auf die Schultern. Er kannte sie schon lange, das hier war seine Stammkneipe, doch noch nie war sie ihm so verführerisch erschienen. Er konnte nicht anders, er starrte auf ihren Busen.

      »Na, wie wär’s?« Sie wiegte sich leicht hin und her. Er gefiel ihr schon lange.

      Moritz schluckte. »Was meinst du?«

      »In einer halben Stunde machen wir hier dicht. Wir könnten dann noch woanders hingehen.« Ihre vollen roten Lippen öffneten sich zu einem Lächeln.

      »Du meinst, du würdest mit mir …« Er starrte sie an.

      »Es sieht so aus, als wenn du nicht so recht wüsstest, was du tun sollst.« Sie lachte. Ihr Lachen war eine einzige Verlockung.

      »Da hast du recht!« Jetzt griff er nach ihrer Hand. »Weißt du, was ich bin? Ich bin ein betrogener Ehemann.«

      Für Sekunden verzog sich ihr Gesicht. Von seiner Frau, die in ihren Augen nur ein dummes Gänschen war, wollte sie nichts hören.

      Seine flache Hand schlug auf die Theke. »Ich werde mir das nicht länger gefallen lassen. Ich nicht!«

      Für den Bruchteil einer Sekunde lehnte sie sich an ihn und flüsterte: »Was willst du dagegen unternehmen?«

      »Wie meinst du das?«, stammelte Moritz. Er war verwirrt. Ihm war noch nie bewusst geworden, was für eine tolle Figur diese Frau hatte.

      Sie lachte erneut. »Du musst doch nicht nach Hause, oder?«

      »Was soll ich zu Hause? Sie ist ja nicht da! Weg ist sie! Und ich Narr komme ihretwegen früher zurück.«

      »Und jetzt sitzt du hier herum und trauerst. Was Besseres fällt dir wohl nicht ein?« Unter halb gesenkten Lidern musterte sie ihn.

      »Ich wüsste schon etwas Besseres!« Moritz grinste. »Hast du wirklich Zeit?«

      »Wenn du dich noch etwas geduldest, werde ich darüber nachdenken. Aber hör auf zu saufen.« Sie tänzelte davon, denn von einem der Tische wurde nach ihr gerufen. Moritz drehte sich nach ihr um. Er verfolgte sie mit den Blicken. Jetzt bemerkte er auch den kessen Schwung ihrer Hüften. Sein Blut begann schneller zu kreisen.

      Hilga Zöllner vergaß ihn nicht. Auf so einen Moment hatte sie schon lange gewartet. Es fehlte ihr nicht an Verehrern. Im Grunde musste sie nur mit dem kleinen Finger schnippen, und die Männer lagen ihr zu Füßen. Bei Moritz Baldau war dies jedoch anders. Er scherzte zwar hin und wieder mit ihr, aber so lange wie an diesem Abend war er noch nie geblieben. Natürlich hatte sie mitbekommen, dass er diese Sonja geheiratet hatte, doch dies hatte ihn für sie noch reizvoller gemacht.

      Mit einer Cola kehrte Hilga zu Moritz zurück. »Wenn du auf mich warten willst, dann trink inzwischen das. Oder hast du es dir anders überlegt? Willst du nach Hause gehen?«

      »Nach Hause? Nein! Was soll ich dort? Ich wäre heute nicht nach Hause gegangen. Aber was ist mit dir? Hast du wirklich Zeit, oder nimmst du mich nur auf den Arm?« Jetzt verschlang Moritz sie offen mit seinen Blicken.

      »Ich bin nicht gebunden. Ich kann tun und lassen, was ich will.« Sie lachte herausfordernd, und ihr Lachen vernebelte seinen Verstand noch mehr. Sie wollte sich wieder zurückziehen, da griff er nach ihr.

      »Eine Frau wie du! Du hast doch sicher einen Freund?«

      »Und wenn?« Sie zog die Augenbrauen in die Höhe und lachte. »Hättest du Angst vor ihm?«

      Moritz drückte ihre Hand fest, schüttelte den Kopf. »Es wäre wirklich schön, wenn du heute für mich Zeit hättest. Ich will nicht allein sein.«

      »Dem kann abgeholfen werden. Ich werde mich opfern.« Kurz beugte Hilga sich zu ihm hin, berührte mit den Fingerspitzen seine Wange, dann war sie wieder weg.

      Wie hatte sie das gemeint? Moritz nippte an seiner Cola. Sie war wirklich eine tolle Frau! Er verfolgte sie mit den Augen. Sonja würde Augen machen, wenn sie wüsste … Er biss sich auf die Unterlippe. Sonja interessierte sich doch überhaupt nicht mehr für das, was er tat. Nie hätte er das von ihr gedacht. Sie war stets so lieb, so anschmiegsam gewesen.

      Er hielt den Blick wieder gesenkt, starrte auf seine Hände, die sich zu Fäusten geballt hatten.

      Hilga war der Stimmungswechsel

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