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Da die Möglichkeit zu einer Operation besteht, habe ich Ihrer Frau geraten, diese sofort durchführen zu lassen. Es handelt sich um einen einfachen Eingriff. Wir wollen ihn morgen vornehmen.«

      Dr. Lindau sah Moritz an, er wartete auf dessen Reaktion.

      »Ein einfacher Eingriff«, wiederholte dieser zuerst. »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, besteht kein Grund zur Sorge?«

      Dr. Lindau nickte.

      »Beschwerden hat meine Frau also. Und plötzlich sollen diese Beschwerden aufgetreten sein?« Moritz schüttelte den Kopf. »Und plötzlich sollen sie so arg sein, dass sie sich mir entzieht? Sie ist mir ausgewichen, Herr Doktor!« Moritz’ Blick heftete sich auf den Chefarzt. »Ich kann es nicht glauben! Seit Wochen sucht sie irgendwelche Entschuldigungen. Jetzt soll es ein Myom sein. Sie selbst sagen, es ist eine harmlose Geschwulst, kein Grund zur Sorge.« Er lachte spöttisch auf. »Ich habe selbst gesehen, wie gut es meiner Frau geht. Mir weicht sie aus, aber da gibt es einen Doktor …« Er machte einige Schritte auf seine Frau zu. »Wie war doch gleich sein Name?«

      Sonja öffnete den Mund. Sie schloss ihn jedoch wieder, ohne etwas gesagt zu haben.

      »Ich nehme an, Sie meinen Dr. Bernau. Er ist Assistenzarzt an meiner Klinik.«

      »Mir ist egal, was er hier ist. Ich habe genau gesehen, wie er meine Frau angesehen hat. Ich weiß, dass meine Frau sehr hübsch ist. Ja, Herr Dr. Lindau, wenn Sie es noch nicht wissen sollten, ich weiß jetzt, warum meine Frau unbedingt nach Auefelden wollte.«

      Dr. Lindaus Augenbrauen zogen sich zusammen. »Haben Sie vergessen, dass ich Sie und Ihre Frau in Lugano kennenlernte?«

      »Damals waren wir auf der Hochzeitsreise. Sie können mir glauben, Herr Doktor, ich habe mir meine Hochzeitsreise anders vorgestellt.« Dr. Lindau schluckte die heftige Erwiderung hinunter, die ihm auf den Lippen lag. »Ihre Frau kam nach Auefelden, um mich zu konsultieren. Es war nicht schwer herauszufinden, woher ihre Beschwerden kamen. Es war dann jedoch nicht einfach, Ihre Frau zu einer Operation zu überreden.«

      Sonja erhob sich. »Ich weiß nicht … Eigentlich wollte ich auch nicht. Es ist nur … Moritz, ich möchte dich nicht verlieren.«

      »Und deswegen fährst du nach Auefelden? Wie lange belügst du mich eigentlich schon?«

      »Ich habe dich nicht belogen.« Sonja ging auf ihren Mann zu. »Für mich gibt es wirklich keinen anderen Mann.«

      Ehe sie ihn erreicht hatte, drehte Moritz sich um. Er begann im Raum auf und ab zu gehen. »Ich habe dir einmal geglaubt, ich wollte dir glauben, obwohl ich deine ewigen Ausreden langsam satt hatte.«

      »Bitte, Moritz, das müssen wir doch nicht vor Herrn Dr. Lindau besprechen. Dr. Lindau will dir erklären, warum eine Operation notwendig ist. Ich weiß, du willst nicht, dass Ärzte an einem herumschneiden.« Entschuldigend sah sie zu Dr. Lindau hin.

      »Wenn du das weißt, was willst du dann noch hier?«, fuhr Moritz sie an. »Aber ich vergesse, dass du ja auch wegen dieses jungen Arztes hier bist. Mich geht dies also alles nichts mehr an. Es war dumm von mir zu kommen. Wegen eines harmlosen Myoms bin ich von Rosenheim nach Auefelden gefahren. Ich dachte, meine Frau ist ernsthaft krank. Wie ich sehe, werde ich hier nicht gebraucht. Ich ­werde Sie nicht länger aufhalten, Herr Doktor! Sie können mit Ihrer Sprechstunde anfangen.« Er drehte sich um und eilte aus dem Raum. Seine Frau hatte er nicht mehr angesehen.

      *

      Dr. Werner Bernau sah durch die Glastür Herrn Baldau hinuntereilen. Sollte der Mann schon wieder gehen? Der junge Arzt öffnete die Glastür und trat hinaus. Er sah Moritz nach. Seine Haltung war aggressiv. Irgendetwas schien schiefgelaufen zu sein. Voll Mitleid dachte er an die junge Frau. Da kam diese auch schon den Gang entlang. Laut klapperten ihre Absätze auf den Fliesen.

      »Frau Baldau!« Dr. Bernau ging ihr einen Schritt entgegen, doch sie beachtete ihn überhaupt nicht. Sie eilte weiter. Der junge Arzt zögerte nur kurz, dann folgte er ihr.

      Sonja wurde immer schneller, sie stolperte, aber Sekunden später hatte sie sich wieder gefangen und lief weiter. Sie kam in die Halle und sah gerade noch, dass ihr Mann die Klinik verließ. Auch er hatte seinen Schritt kaum gemäßigt.

      Sonja musste kurz innehalten, der Atem war ihr knapp geworden. Dr. Bernau erreichte sie, als sie sich gerade wieder in Bewegung setzen wollte. »Frau Baldau«, sagte er erneut. Er streckte die Hand nach ihr aus, doch sie schüttelte nur den Kopf.

      Werner Bernau hätte sie festhalten müssen, um sie zurückzuhalten. Ehe er dies tun konnte, eilte sie schon durch die Halle. Eigentlich hätte er jetzt stehen bleiben müssen, aber er brachte dies nicht fertig. Er folgte ihr weiter. So stellte er fest, dass Sonja hinter ihrem Mann her lief. Herr Baldau musste ihren Ruf gehört haben, aber er nahm keine Rücksicht darauf. Auch er rannte jetzt fast. Dr. Bernau hatte ebenfalls seinen Schritt beschleunigt. So konnte er sehen, dass Herr Baldau über den Parkplatz hetzte. Es sah aus, als wäre er auf der Flucht.

      »Moritz!« Laut rief es Sonja. Sie hatte den Parkplatz ebenfalls erreicht. »Moritz, ich komme mit! Wenn du es nicht willst, dann lasse ich mich nicht operieren.«

      Jetzt musste Herr Baldau seine Frau auf jeden Fall gehört haben. Dr. Bernau blieb stehen. Er verstand diesen Mann wirklich nicht. Am liebsten wäre er zu ihm hingeeilt und hätte ihn geschüttelt. Da schloss Herr Baldau jedoch bereits seinen Wagen auf. Er tat dies, ohne auch nur einmal den Kopf nach seiner Frau zu wenden. Er setzte sich hinter das Lenkrad, Sekunden später heulte der Motor auf. Herr Baldau fuhr an seiner Frau vorbei, den Blick geradeaus geheftet. Noch auf dem Parkplatz gab er Gas. Mit quietschenden Reifen bog er in die Straße ein.

      Dr. Bernau konnte es nicht fassen. Er sah auf die junge Frau, die nun verlassen in der Mitte des Parkplatzes stand. Die ganze Gestalt bebte. Umbringen hätte er in diesem Moment den Mann können, der es fertigbrachte, einfach davonzufahren. Er sah, dass Sonja auf ein Auto zuging. Für Sekunden sah er auch ihr verzweifeltes Gesicht, denn wie Hilfe suchend ließ sie ihren Blick über das Gelände schweifen. Dann stand sie vor dem Auto. Noch wartete er, erst als er sah, dass sie einen Autoschlüssel hervorholte, eilte er zu ihr hin.

      Sonja schrak zusammen. Verständnislos sah sie zu ihm auf. Er konnte die Tränenspur auf ihren Wangen deutlich sehen.

      »Was wollen Sie machen, Frau Baldau?«, fragte er, und seine Stimme klang rau.

      »Mein Mann! Haben Sie es gesehen? Er ist weggefahren … Er hat sich nicht erklären lassen, warum diese Operation notwendig ist.«

      »Ich verstehe Ihren Mann nicht!« Dr. Bernaus Miene verfinsterte sich. Sein Blick glitt über den Parkplatz. Nein, Herr Baldau kam nicht zurück.

      »Er hat kein Vertrauen zu Ärzten. Er will nichts von einem Krankenhaus wissen. Bitte, das müssen Sie verstehen!« Ihre großen blauen Augen baten jetzt um Verständnis.

      »Das ist doch Unsinn!«, entfuhr es Dr. Bernau. Gleich darauf hatte er sich wieder in der Gewalt. »Dann müssen Sie ihm jetzt beweisen, dass sein Misstrauen nicht berechtigt ist.«

      »Wie soll ich das? Er hört auch nicht auf mich.«

      »Ganz einfach, Sie bleiben hier und lassen sich morgen operieren.«

      Sonja wich zurück. Ihre Augen weiteten sich. Sie war nun voller Abwehr.

      »Sie dürfen diese Operation nicht verschieben. Denken Sie doch auch einmal an sich. Sie sind es doch, die Schmerzen hat.«

      Sonja war so weit zurückgetreten, dass sie jetzt an ihrem Auto lehnte. »Ich kann doch nicht einfach hierbleiben, wenn mein Mann wegfährt. Mit seinem Wegfahren hat er mir doch deutlich zu verstehen gegeben, dass er gegen die Operation ist. Ich habe das auch gewusst.« Die Verzweiflung übermannte sie erneut. Sie konnte nicht weitersprechen.

      »Ihr Mann ist ein Narr! Entschuldigen Sie, wenn ich dies einmal deutlich ausspreche. In der Medizin sind enorme Fortschritte gemacht worden. Sie müssen sich einfach diesem Eingriff unterziehen.«

      »Und mein Mann? Ich will ihn nicht verlieren. Ich liebe ihn.«

      »Das

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