Скачать книгу

mich benommen wie ein Narr. Ich liebe meine Frau, das kann ich doch nicht von heute auf morgen vergessen.«

      »Welche Erkenntnis!«, höhnte Hilga. Spöttisch sah sie ihn an, doch ihr Herz zog sich dabei schmerzlich zusammen. Sie war sich ihrer Sache so sicher gewesen. Er gefiel ihr noch immer, wie er so dastand, mit hängenden Schultern, teils schuldbewusst, teils wissend, was er jetzt tun würde. Beinahe hätte sie sich erneut an seine Brust geworfen. Er bemerkte dies und trat einen Schritt zurück. Da begriff sie, dass es umsonst wäre.

      Sie eilte an ihm vorbei zur Tür, riss diese auf. »Geh doch endlich! Was willst du noch hier? Los, hau ab!«

      Moritz ging. Eines wusste er sicher, er empfand nichts für diese Frau.

      *

      Dr. Westphal betrat das Zimmer, in dem Sonja Baldau lag. Sie lächelte ihr zu. »Tut mir leid, ich wollte bereits vor einer Stunde nach Ihnen sehen. Hat Schwester Marianne Ihnen dies ausgerichtet?«

      Schwerfällig setzte Sonja sich im Bett auf. Sie hatte bereits etwas zur Beruhigung bekommen und war sehr müde. »Es hieß, dass ich noch warten müsse.«

      »Ja! Aber nun ist es so weit.« Die Frauenärztin zog sich einen Stuhl zurecht und setzte sich neben das Bett. »Sie fühlen sich doch gut?«

      »Angst habe ich keine, jedenfalls nicht vor der Operation. Es spielt alles sowieso keine Rolle. Ich möchte nur für meinen Mann da sein. Wenn er mich nicht mehr will …« Sonja drehte den Kopf zur Seite.

      »Darüber sollten Sie jetzt im Moment nicht nachdenken. Morgen oder übermorgen haben Sie dann sicher Gelegenheit, alles zu überdenken. Ich wünsche Ihnen wirklich, dass es Ihnen gelingt, wieder eine glückliche Ehe zu führen. Im Moment ist es jedoch wichtig, dass Sie sich entspannen. Man wird Sie gleich in den Operationssaal bringen. Ich habe Ihnen bereits gestern Abend erzählt, dass Sie eine leichte Narkose bekommen werden. Sie werden einschlafen und wenn Sie aufwachen, ist alles vorbei.«

      »Ich weiß!«

      »Haben Sie noch Fragen?«

      »Nein! Mir ist jetzt klar, dass diese Operation notwendig ist. Obwohl sie wiederum sinnlos ist, wenn mein Mann nichts mehr von mir wissen will. Es wäre aber sicher auch dumm gewesen, wenn ich gestern die Klinik verlassen hätte. Ich hätte es getan, doch Dr. Bernau hat mir klargemacht, dass ich so meinen Mann auch nicht zurückgewinne.«

      »Das war sehr vernünftig von Dr. Bernau.« Anja sagte es mit einem Lächeln. Sie wusste, dass der junge Kollege den Frauen sehr zugetan war. Es kam immer wieder vor, dass er für eine Patientin entflammte. Bei Frau Baldau hatte er von Anfang an keine Chance gehabt. Die junge Frau liebte ihren Mann, Dr. Bernau hatte dies schließlich auch einsehen müssen.

      »Ich bin geblieben. Frau Doktor, wie lange werde ich hierbleiben müssen?«

      »Darüber sprechen wir, wenn Sie operiert sind und Sie sich gut fühlen. Und jetzt glauben Sie daran, dass alles in Ordnung kommt.«

      »Ich habe jetzt wirklich Vertrauen zu Dr. Lindau und natürlich auch zu Ihnen.« Sonja sagte es ohne Lächeln. »Die Operation wird sicher gelingen. Ich habe Glück, dass das Myom an so einer zugänglichen Stelle sitzt.«

      »Das haben Sie!« Anja Westphal erhob sich wieder. Sie hatte sich davon überzeugt, dass die junge Frau keine Angst mehr hatte. Die Beruhigungstabletten, die sie bereits am Morgen bekommen hatte, taten ihre Wirkung. »Ich werde auch im OP sein, aber Sie werden das sicher nicht mehr wahrnehmen. Dr. Lindau und ich treten erst in Aktion, wenn die Narkose wirkt.«

      Sonja nickte erneut. Auch das hatte ihr die Stationsschwester vorhin schon erklärt. Sie fand, dass hier alle so nett waren. Sie hatte das Bedürfnis, sich noch einmal zu bedanken.

      »Vielen Dank, Frau Doktor! Sie haben es mir sehr leicht gemacht. Ich bin wahrscheinlich eine sehr schwierige Patientin.«

      »Nun, das kann man sehen, wie man will. Ich wünsche mir jedenfalls, dass Sie in Zukunft mehr Vertrauen zu uns Ärzten haben. Es wäre Ihnen sicher einiges erspart geblieben, wenn Sie gleich bei den ersten Schmerzen einen Frauenarzt aufgesucht hätten.«

      Die Tür öffnete sich, und Dr. Lin­dau trat herein. »Schön, dass du da bist«, sagte er zu seiner Kollegin. »Wie geht es unserer Patientin?«

      »Ich glaube, gut! Jedenfalls ist sie uns nicht mehr weggelaufen.« Anja lächelte. »Du bist also so weit? Ich bin auch gerade erst fertig geworden. Unser Zeitplan hat sich heute einfach um zwei Stunden verschoben.«

      »Ja«, bestätigte der Chefarzt. »Für Sonja hieß dies, dass sie warten musste. Das ist nicht angenehm. Ich wollte daher noch einmal nach ihr sehen.« Er trat an das Bett heran. »Wie fühlen Sie sich?« Noch während er sprach, griff er nach Sonjas Handgelenk, fühlte ihren Puls. Er schlug gleichmäßig, nichts deutete auf eine Erregung hin. Erstaunt sah Dr. Lindau auf seine Kollegin.

      »Frau Baldau hat Beruhigungstabletten bekommen«, erklärte diese.

      Jetzt lächelte Sonja. »Ich habe wirklich keine Angst mehr vor der Operation. Sie werden mich von dem Myom befreien, da bin ich sicher.«

      »Gut! Dann können wir also beginnen. Ist noch irgendetwas unklar?«

      Sonja ließ sich zurücksinken. »Nein, ich habe schon Dr. Westphal gesagt, dass alles in Ordnung ist. Sie dürfen nicht böse sein, Herr Doktor, aber die Operation ist für mich im Moment nicht so wichtig. Was wird anschließend sein?«

      »Ich habe ihr schon gesagt, dass sie sich jetzt darüber nicht den Kopf zerbrechen soll«, meinte die Frauenärztin.

      Gehorsam nickte Sonja.

      »Mehr können wir nicht tun.« Dr. Lindau lächelte väterlich. »Sonja, jetzt wird sich zuerst einmal Dr. Reichel um Sie kümmern. Sie haben ihn gestern bereits kurz kennengelernt. Er verpasst Ihnen die Narkose. Sie werden dann von allem nichts spüren.« Er zog sich mit Dr. Westphal zurück. Dafür erschien die Stationsschwester, und zusammen mit Schwester Bärbel traf sie die letzten Vorbereitungen. Sonja ließ alles mit sich geschehen. Im Grunde war ihr alles egal. Wenn Moritz nicht wiederkam, dann wollte sie nur noch schlafen, nichts als schlafen. Ihr war es dann völlig egal, ob sie je wieder aus der Narkose aufwachte.

      Sie schloss die Augen und öffnete sie erst wieder, als eine fröhliche Stimme sagte: »So, nun halten Sie sich fest! Jetzt fahren wir in den OP.« Es war Claus Hartung, der einzige männliche Pfleger, der schwungvoll das Bett drehte. »Tür auf!«, befahl er dann gleich darauf. »Wir müssen uns beeilen. Dr. Reichel wartet bereits.«

      Schwester Bärbel öffnete die Tür weit, sie nickte Sonja aufmunternd zu. Kurz danach wurde Sonja samt Bett in den Lift geschoben. Claus Hartung sagte etwas, sie verstand es nicht.

      »Entschuldigen Sie«, murmelte sie, »ich bin so müde.«

      »Das ist gut! Sie werden sehen, es ist alles sehr schnell vorbei. Ehe ich Feierabend habe, rolle ich Sie wieder in Ihr Zimmer zurück.«

      Sonja brauchte nicht zu antworten. Der Lift hielt, die Tür ging auf, und ihr Bett wurde herausgerollt. Gleich darauf beugte sich ein anderes Gesicht über sie.

      »Guten Morgen! Ja, eigentlich ist es schon bald Mittag. Sie haben lange warten müssen, Frau Baldau.«

      »Das ist egal, Herr Doktor.« Sonja hatte in dem Mann Dr. Reichel erkannt. Sie wusste, dass er Internist mit Anästhesie-Ausbildung war. »Ist es nun so weit?« Sie versuchte sich aufzurichten.

      »Bleiben Sie nur liegen. Sie sind schon sehr müde, und wie es scheint, kein bisschen aufgeregt. So haben wir’s gern.«

      »Müde bin ich.«

      Dr. Reichel nickte. »Sie stehen bereits unter der Wirkung der Beruhigungstabletten. Sie nehmen selten Tabletten, oder?«

      »Nie! Ich bin auch das erste Mal in einem Krankenhaus.«

      »Sehr schön! Sie werden jetzt an einige Geräte angeschlossen. Versuchen Sie, an etwas sehr Schönes zu denken.«

      »Schönes? Ich will an meinen Mann denken. Wir haben uns einmal sehr geliebt.«

Скачать книгу