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ist Arzt dieser Klinik. Er hat Mittagspause, ich …«

      »Natürlich, ich bin ja nicht blind! Nun begreife ich auch, warum du unbedingt in diese Klinik musstest. Weiß Dr. Lindau davon?«

      »Moritz, jetzt gehst du entschieden zu weit. Gestern, als ich auf Dr. Lin­dau wartete, habe ich zum ersten Mal mit Dr. Bernau gesprochen.«

      Verächtlich lachte Moritz auf. Dies ärgerte den jungen Arzt.

      »Ich kann die Worte Ihrer Frau nur bestätigen«, sagte er scharf.

      »Und ich glaube sie nicht! Daher werden Sie auch verstehen, wenn ich wieder gehe.« Moritz streckte das Kinn nach vorn. Sein Blick ging über den Arzt hinweg.

      »Moment, Sie wollten doch Ihre Frau besuchen. Sie wartet wirklich seit Stunden auf Sie. Sollte Ihr Besuch etwa schon zu Ende sein?«

      »Besuch?« Spöttisch bogen sich Moritz’ Mundwinkel nach unten. »Bevor Dr. Lindau mich mit seinem Anruf aus dem Schlaf gerissen hat, wusste ich nicht einmal, wo ich meine Frau hätte suchen sollen.«

      »Dr. Lindau hat Ihnen doch sicher erklärt, warum Ihre Frau in unserer Klinik ist.« Steif stand Dr. Bernau vor Moritz.

      »Er hat es versucht. Nur, ich glaube nicht so recht, was er gesagt hat. Und wenn ich euch beide so ansehe, dann weiß ich eigentlich schon genug.«

      Sonja schämte sich, sie schämte sich für ihren Mann. Sie war nicht fähig, etwas zu sagen. Sie sah von ihrem Mann zu dem Arzt. Mit ihren Augen bat sie um Verständnis. Es fiel Dr. Bernau schwer, aber nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte, sagte er so ruhig, wie es ihm nur möglich war: »Ich möchte Sie bitten, mit in die Klinik zu kommen. Der Chef hat Sie angerufen, und er wird auch mit Ihnen sprechen wollen. Ihre Frau ist die Patientin des Chefs.«

      »Das stimmt, Moritz! Ich habe Dr. Lindau in seiner Sprechstunde aufgesucht. Zu ihm hatte ich Vertrauen. Wir beide haben ihn doch in Lugano kennengelernt. Dr. Lindau und Frau Dr. Westphal waren der Ansicht, dass ich gleich in der Klinik bleiben sollte. Sie wollen mich operieren.«

      »Dr. Lindau hat so etwas gesagt. Daher war ich auch der Ansicht, dich im Bett anzutreffen. Wie ich sehe, habe ich mich getäuscht. Es geht dir ausgezeichnet.«

      »Ich habe im Moment auch keine Beschwerden.« Sonja senkte den Blick. »Dr. Lindau kann dir das besser erklären. Er ist Frauenarzt. Ich hätte schon vor längerer Zeit einen Frauenarzt aufsuchen sollen.«

      »Du weißt, ich habe noch nie viel von Ärzten gehalten. Wenn ich da an meine Schwester und an meine Mutter denke! Aber das steht auf einem anderen Blatt. Du scheinst dich inzwischen ja sehr gut mit Ärzten zu verstehen.« Moritz sah zum Klinikgebäude hin. »Ich frage mich allen Ernstes, was ich hier soll.«

      »Mit Dr. Lindau sprechen. Er ist der Chef dieser Klinik, wie Sie wissen. Bitte, kommen Sie mit.« Dr. Bernau drehte sich einfach um und ging Richtung Klinik. Es hatte keinen Sinn, wenn er länger mit Herrn Baldau diskutierte, es würde nichts ändern. Fest stand, dass diese Frau, die nun mit hängenden Schultern dastand, ihren Mann liebte. Er wandte kurz den Kopf. Sonja hatte sich in Bewegung gesetzt, sie ging neben ihrem Mann her. Dieser beachtete sie jedoch nicht.

      *

      Dr. Lindau trank seinen Kaffee aus. Dr. Westphal sah hoch, und der Chefarzt erklärte ihr: »Ich will noch einmal nach Frau Baldau sehen. Offensichtlich ist ihr Mann noch immer nicht da.«

      »Du meinst, dass sie noch immer in der Halle wartet?« Dr. Westphal warf automatisch einen Blick auf die Uhr. »Hat Herr Baldau dir nicht gesagt, dass er gleich losfahren wolle.«

      »Das hat er, aber offensichtlich hat er es sich anders überlegt. Ich hatte bereits den Eindruck, dass ich am Telefon nicht sehr überzeugend war. Daher hätte ich wirklich gern direkt mit ihm gesprochen.«

      »Wir haben für morgen die Operation festgesetzt«, erinnerte ihn Dr. Westphal.

      »Ich weiß! Und wenn Herr Baldau nicht kommt, dann besteht die Gefahr, dass Sonja ihre Einwilligung zurückzieht. Ich gehe noch rasch in die Halle und sehe nach ihr, ehe ich mit der Sprechstunde beginne.«

      »Ich würde mich gern um die junge Frau kümmern, aber ich muss zurück in den Kreißsaal. In der nächsten Stunde wird es zwei neue Erdbewohner geben.«

      »Falls es irgendwelche Probleme gibt, dann kannst du mich jederzeit rufen.«

      Die Frauenärztin nickte, sie erhob sich und verließ das Ärztezimmer. Der Chefarzt folgte ihr, aber er ging nicht in Richtung Untersuchungsräume, und so traf er auf der Treppe mit Dr. Bernau und dem Ehepaar Baldau zusammen.

      Dr. Bernau war erleichtert. »Ich brauche Ihnen Dr. Lindau ja nicht vorzustellen«, sagte er knapp, und zu Dr. Lindaus Erstaunen war er gleich darauf verschwunden.

      »Herr Baldau, schön, dass Sie gekommen sind!« Dr. Lindau streckte dem Mann die Hand entgegen. Einen Augenblick lang sah es so aus, als wollte Moritz die ausgestreckte Hand übersehen, dann nahm er sie jedoch, ließ sie aber sofort wieder los.

      »Nein, es wär völlig unnötig! Ich weiß wirklich nicht, was ich hier soll.«

      Das konnte ja heiter werden! Beinahe hätte der Chefarzt geseufzt. Er sah auf Sonja. Sie war verstört, verzweifelt. Er öffnete schon den Mund und wollte dem Mann Vorwürfe machen, doch im letzten Moment entschied er sich dazu, sachlich zu bleiben.

      »Wir haben Ihrer Frau vorgeschlagen, sich operieren zu lassen. Ein Myom muss entfernt werden. Darüber möchte ich gern mit Ihnen sprechen.«

      Moritz ging auf Abwehr. »Bereits am Telefon sprachen Sie von Beschwerden. Was sehe ich jedoch? Meine Frau vergnügt sich mit einem Ihrer Ärzte!«

      »Wie bitte?« Dr. Lindau glaubte, nicht richtig verstanden zu haben.

      »Mein Mann hat ein völlig falsches Bild gewonnen«, sagte Sonja. Endlich gehorchte ihr die Stimme wieder. »Ich habe Dr. Bernau ins Freie begleitet. Er hatte Mittagspause und wollte sich etwas die Füße vertreten. Es ist meine Schuld.« Sie senkte wieder den Blick.

      »Lächerlich!«, entfuhr es Dr. Lin­dau. Dann jedoch wurde dem Chefarzt wieder bewusst, dass er keine Partei ergreifen durfte. »Wenn Sie mich in meine Praxis begleiten wollen? An Abbildungen kann ich Ihnen dann zeigen, warum Ihre Frau Beschwerden hat. Das Myom …«

      Er wurde von Moritz unterbrochen: »Sehen Sie, Herr Doktor, Sie können mir viel erzählen. Ich weiß nicht einmal, was ein Myom ist.«

      Dr. Lindau räusperte sich, dann begann er zu dozieren: »Ein Myom ist eine gutartige, langsam wachsende Geschwulst aus Muskelgewebe.«

      »Eine Geschwulst? Sprechen Sie von Krebs?« Moritz war blass geworden.

      »Nein, es ist eine gutartige Geschwulst. Und sie kann entfernt werden.« Ein väterliches Lächeln umspielte die Lippen des Chefarztes. Moritz’ Erschrecken war von ihm nicht unbemerkt geblieben. Der Mann machte sich also doch Sorgen. »In meiner Praxis kann ich Ihnen Weiteres erklären.« Er wandte sich direkt an Sonja. »Sie kommen doch mit?«

      Sonja nickte. Ihr Blick suchte den ihres Mannes, doch er sah an ihr vorbei. Da senkte sie den Kopf und folgte dem Chefarzt. Nach einigen Metern wandte sie sich um. Erleichtert stellte sie fest, dass Moritz nachkam. Er ging hochaufgerichtet, den Blick starr nach vorn gerichtet.

      Dr. Lindau führte das Ehepaar direkt in seine Praxis. Er bat die beiden, Platz zu nehmen, dann öffnete er die Verbindungstür. Bettina Wendler war erstaunt. »Können wir mit der Sprechstunde beginnen?«, fragte sie. »Es sind bereits einige Patientinnen da.«

      »Wir müssen noch etwas damit warten. Frau Baldau und ihr Mann befinden sich bei mir. Ich möchte Sie bitten, uns in den nächsten Minuten nicht zu stören.« Er nickte ihr zu, dann schloss er die Tür wieder.

      Sonja hatte sich gesetzt. Ihr Mann jedoch war ans Fenster getreten. Die Hände auf dem Rücken verschränkt, sah er hinaus. Der Chefarzt lächelte Sonja beruhigend zu, dann meinte er: »Herr Baldau, wollen Sie nicht auch Platz nehmen?«

      »Nein!« Moritz fuhr herum. »Ich habe nicht die Absicht,

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