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wirkte. Er wirkte durch die übertriebene Grimasse gleich noch einmal zwei Jahre jünger, doch seine anschließenden Worte negierten diesen Eindruck sofort wieder.

      »Tja. Mag was dran sein. Danke für den Hinweis, alter Mann. Vielleicht gehen wir wirklich lieber nach Osten, denn nach Süden. Aber vorher würde ich sagen, wir schauen einmal was wir von deinem Wagen gebrauchen können. Außerdem sehen wir, wie dein Esel schmeckt, und ficken deine Kleine. Ist sie deine Tochter oder deine Frau, falls ihr Bauernabschaum den Unterschied überhaupt macht?«

      Louanne stockte ob dieser Worte aus dem Kindergesicht für einen Moment der Atem. Sie sah, wie die Hand ihres Vaters zum Schwert griff, dann hörte sie ihn ein furchtbares Stöhnen ausstoßen. Der Laut ließ ihr die Knie weichwerden und sie stieß unweigerlich ein leises Wimmern aus, als er sich langsam in ihre Richtung drehte. Er sank neben dem Esel auf die Knie und ihr Blick wurde von dem kleinen Bündel Federn gefesselt, das sich dort befand, wo eigentlich sein linkes Auge sein sollte. Das verbleibende Auge, das, in dem kein Armbrustbolzen steckte, starrte sie noch eine endlose Sekunde lang voll von ungläubigem Entsetzen an. Dann brach der Blick und der Körper ihres Vaters sank zur Seite wie ein Sack Getreide. Sie fuhr zu den Reitern herum, als sie wieder das stumpfe, unheilvolle Knacken einer Armbrust hörte, dass von einem durchdringenden, hohen Schrei gefolgt wurde, der beinahe menschlich klang. Es brach ab, und Gerard brach in seinem Gespann zusammen. Der alte Esel zuckte noch zweimal mit den Hinterbeinen, dann lag er still.

      »Ach scheiße Hank, was sollte denn das?«, erhob einer der Männer die Stimme. »Sollen wir den ganzen Kram tragen oder was?«

      »Piss dich nicht ein«, erwiderte ein vielleicht dreißigjähriger Blondschopf mit einer schlecht vernähten Hasenscharte. »Die haben doch sowieso nichts, das wirklich was wert wäre. Das bisschen Zeug können wir die paar Meilen in die Stadt schaffen, dann saufen wir uns ein paar Tage die Hucke voll und ziehen dann weiter. Der beschissene Bürgermeister gibt uns ja keine Arbeit. Aber erst ficken wir ein bisschen. Und jetzt hör auf zu meckern, sonst kriegst du nur die Ziege.«

      Louanne drehte sich auf dem Absatz um und begann zu rennen. Sie dachte nicht darüber nach, wusste im Grunde, dass es völlig sinnlos war, aber sie rannte trotzdem, so schnell sie nur konnte.

      »Guckt mal, die Kleine will vorher noch ein bisschen spielen«, stieß einer mit einem rauen Lachen hervor.

      »Na los, holt sie zurück«, schnarrte der halbwüchsige Anführer. »Hank, du erschießt die Ziege von dem Alten, wenn du sie nicht ficken willst. Die sieht frischer aus als der Esel, der ist ja fast schon an Altersschwäche verreckt.«

      Er wand sich dem Greis zu, während der angesprochene seine Armbrust neu spannte. Drei der anderen preschten auf ihren Pferden los und holten das Mädchen in wenigen Augenblicken ein.

      »Tja, Alter«, grinste der Junge. »Was machen wir denn jetzt mit dir, eh? Zum Ficken wärst du zu alt und zu hässlich, selbst wenn wir einen Sodomisten unter uns hätten. Wobei ich ja glaube, dass Tom da drüben eigentlich in alles seinen Schwanz stecken würde, solange es warm ist.«

      Der besagte Mann, Anfang zwanzig aber bereits beinahe zahnlos und mit einem beachtlichen Schmerbauch, gruntze nur und spuckte aus.

      »Ich würde es außerordentlich begrüßen, wenn ihr davon absehen würdet, meiner Ziege die gleiche unerquickliche Behandlung zukommen zu lassen wie dem armen alten Esel.«

      Die Stimme des Greises war hoch und brüchig, wie es bei sehr alten Männern oft der Fall war. Sie war jedoch auch ruhig, und er sprach so ungerührt und beiläufig, als führe er ein Schwätzchen auf dem Marktplatz.

      »Hast du was am Kopf, du alter Pisser?«, sagte der Junge gedehnt.

      »Was spielt das schon für eine Rolle?«, gab der Greis unbekümmert zurück. »Ich habe dringende Angelegenheiten im Norden zu erledigen und bin ausschließlich an einem ungestörten Fortkommen interessiert. Lasst meinen vierbeinigen Begleiter und mich ziehen, und erfreut euch an dem bisschen Leben, das euch noch bleibt, wenn ihr so eine Scheiße wie das hier öfters veranstaltet.«

      Unglauben wurde nun in dem Gesicht des Anführers der Bande deutlich, das zugleich so jung und doch verlebt wirkte.

      »Sag mal, du hast sie wirklich nicht mehr alle, oder?«

      Aus einiger Entfernung drang ein Schrei zu ihnen, der in ein Schluchzen überging. Die Reiter hatten das Mädchen eine Weile gehetzt und sie dann gefangen. Einer hielt sie jetzt am Boden, während der Zweite die Pferde am Zügel hielt und der Dritte an seinem Gürtel herumfingerte.

      »Was glaubt ihr, was ihr da macht, ihr Mistkäfer«, brüllte der Junge. »Ich ficke sie zuerst, also lasst eure traurigen kleinen Schwänze stecken und bringt die breitärschige Schlampe her. Kommt zwar aus einem kleinen Dreckskaff und ist älter als Zwölf, aber vielleicht ist sie ja wenigstens hinten noch Jungfrau.« Er drehte sich ruckartig zurück zu dem Greis. »Mach die verdammte Ziege alle, Hank.«

      Die Armbrust knackte und ein Bolzen schlug mit einem dumpfen Geräusch genau zwischen den Augen der pechschwarzen Ziege ein, auf die der Greis sich stützte. Sie blieb einen Moment lang ungerührt stehen und zwei der Männer murmelten etwas Unverständliches, dann knickten ihre Beine ein und sie brach auf der Stelle in die Knie. Der Alte legte die Hände zusammen, als wäre nichts geschehen und sah zu dem jugendlichen Anführer hinüber, der sich mit einer geschmeidigen Bewegung vom Pferd gleiten ließ. Hinter ihm führte ein Mann die drei Pferde heran, während die anderen beiden das Mädchen hinter sich herschleppten.

      »So, du komischer alter Hampelmann«, sagte der Junge mit gefährlich leiser Stimme. »Jetzt schauen wir doch mal, was du wirklich für einer bist.«

      Er griff nach hinten an seinen Gürtel und zog einen Dolch mit einer breiten, zwei große Spannen langen Klinge hervor. Die Waffe wirkte alt, schmuddelig und abgetragen. Die Schneide selbst schien vom vielen Schärfen beinahe durchsichtig zu sein und war ohne Zweifel so scharf wie das Rasiermesser eines Barbiers. Er schob sich an den Greis heran, der noch immer völlig ungerührt dastand. Er hatte schon mit einigen Schwachsinnigen zu tun gehabt, und es war immer wieder aufs Neue spannend. Manche hatten die Verstümmelungen, die er an ihnen vorgenommen hatten, scheinbar interessiert verfolgt. Offenbar gingen bestimmte Formen der Schwachsinnigkeit mit einem Verlust des Schmerzempfindens einher. Andere hatten gekreischt und gefleht wie jeder normale Mensch auch. Im Angesicht von Folter und Tod unterschieden sich vermeintlich Gesunde und Geisteskranke in der Regel gar nicht sonderlich voneinander.

      Louanne stöhnte tränenerstickt auf, als sie grob zu Boden gestoßen wurde. Sie riss sich den nackten Arm an einem spitzen Stein auf, bezweifelte aber, dass solche Verletzungen noch eine Rolle spielten. Ihr Kleid war zerrissen und hing nur noch an ihrer rechten Körperhälfte, die Knie waren aufgeschlagen und ihre Nase blutete. Aber all das war unbedeutend gegen das, was ihr noch bevorstand. Sie würden sie so lange missbrauchen, bis sie entweder tot war oder um den Tod bettelte. Es brauchte nicht viel, um das zu erkennen. Trotzdem starrte sie nun wie gebannt auf die Klinge des jungen Mannes, der sich dem Greis langsam näherte. Sie hatte den letzten Teil der Unterhaltung zwischen den beiden hören können.

      Der Alte hatte im gleichen Ton mit diesem Abschaum gesprochen, wie die ganze Zeit über mit ihr und ihrem Vater. Er hatte nicht ein einziges Mal den Eindruck gemacht, wirklich senil oder schwachsinnig zu sein. Und doch musste er verrückt sein, so wie er jetzt völlig unbeteiligt zusah, wie der junge Mörder, denn nichts anderes war dieser Abschaum, auf ihn zukam. Selbst als sie seine Ziege getötet hatten, hatte er nicht mit der Wimper gezuckt.

      Jetzt, wo es im Sterben lag, erkannte Louanne zum ersten Mal, was ihr an dem Tier so großes Unbehagen bereitet hatte. Es war nicht nur ihre stoische Ruhe oder die ungewöhnliche Größe, es waren die Augen gewesen. Eines dieser Ziegenaugen schaute verschleiert in den stählernen Himmel und sie bemerkte, dass es hell war. Blau oder Grau, was sie noch bei keiner Ziege gesehen hatte. Ihr Blick hob sich wieder zu dem Alten, den der Anführer der Bande nun erreich hatte. Die beiden ungleichen Männer, die ohne weiteres Urgroßvater und Urenkel hätten sein können, schauten sich einen kurzen Moment lang in die Augen. Dann hob der Junge die Klinge langsam und setzte sie in dem uralten, von Runzeln durchzogenen Gesicht unmittelbar neben dem rechten Auge auf.

      »Möchtest

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