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Winterwahn. Wolfe Eldritch
Читать онлайн.Название Winterwahn
Год выпуска 0
isbn 9783742779588
Автор произведения Wolfe Eldritch
Жанр Языкознание
Серия Weltengrau
Издательство Bookwire
»Wie in vielen Sagen und Geschichten«, setzte Varg an, »liegt auch in dieser ein Körnchen Wahrheit. Auch wenn die Körper nicht zu Staub zerfallen. Sie zersetzen sich sehr schnell. Nach den Schlachten müssen die Männer sich mit dem Abziehen der Felle jedes Mal beeilen. Die Kadaver verwesen rascher als die von anderen Lebewesen. Deswegen ist es auch nicht möglich, sie in irgendeiner Form zu konservieren oder zu präparieren. Ein paar Tage nach seinem Tod ist ein Klabauter praktisch völlig zersetzt, selbst bei der Kälte hier, wo normale Leichname einfrieren. Sogar die Knochen werden brüchig und zerfallen. Es gibt keine Möglichkeit, diesen Verfall aufzuhalten. Wenn man die Felle nicht schnell genug vom Rest trennt, sind sie gleichermaßen verdorben. Man nimmt an, dass die Verdunkelung, die den Pelzen ihre charakteristische graue Farbe verleiht, ebenfalls von diesem Prozess herrührt.«
»Faszinierende Geschöpfe«, sagte Torga nachdenklich. »Ich frage mich, ob diese Dinge mit dem Strom der Magie zu tun haben oder tatsächlich weltlichen Ursprungs sind. Aber wenn schon niemand weiß, woher diese Wesen stammen, dann sind solche Details selbstverständlich ohnehin reine Spekulation. Hat es eigentlich außer dem natürlichen Engpass aufgrund der Landzunge hier einen Grund, warum das Bollwerk gegen die Bedrohung durch die Bestien in einer so lebensfeindlichen Umgebung steht? Den Klabautern scheint die Kälte ja wenig auszumachen, wenn sie noch weiter von Norden kommen.«
»Die sind völlig resistent dagegen«, nickte Varg. »leider macht sie das offenbar trotzdem nicht anfälliger für Hitze. Sie fürchten das Feuer nicht und kämpfen noch, wenn sie in Flammen stehen. Der Engpass hier ist der Grund für den Bau an dieser Stelle, ja. Als mein Ahne das Bollwerk errichten ließ, war es hier zwar schon unwirtlich, doch war die Witterung noch nicht ganz so tödlich, wie sie es nach dem Grau geworden ist. Ich habe zeitweise mit dem Gedanken gespielt, eine Alternative zu suchen, es aber vor Jahren aufgegeben. Die Zahlen der Angreifer schwanken, aber langfristig werden es immer mehr. Sowohl der Aufwand als auch das Risiko, sie weiter im Inland an mehreren Stellen aufzuhalten, ist einfach zu groß. Wenn diese Verteidigungslinie fällt, werden Eure Gerüchte zur Wahrheit. Dann wird mein Jarltum überrannt und vermutlich bald darauf ganz Norselund. Ein paar Angriffswellen in freiem Feld zu überleben wäre, wenn auch vielleicht möglich, furchtbar verlustreich. Und im Gegensatz zu den Klabautern verdoppelt oder verdreifacht sich die Zahl meines Volkes nicht in jedem Jahr.«
»Und kein Mensch weiß, was diese Wesen jedes Jahr auf die Schlachtbank des Walls hier führt?«, wollte Torga wissen.
Varg schüttelte den Kopf. »Vermutlich vermehren sie sich so schnell, dass ihr natürlicher Lebensraum einfach voll ist. Das wäre zumindest eine Erklärung, wenn sie gewöhnliche Tiere wären. Aber auch das kann niemand sagen. Sie können ein Relikt aus längst vergangenen Tagen sein, oder bloß eine garstige Laune der Natur.«
»Meine Chance, einen von ihnen zu Gesicht zu bekommen ist wohl eher gering«, meinte der Erzdiakon bedauernd. »Könntet ihr mir wohl zumindest für meine Unterlagen eine korrekte Zeichnung von ihnen überlassen? Es hat zwar nichts mit meinem Auftrag zu tun, aber ihr wisst ja, der zwanghafte Wissensdurst. Außerdem könnte ich das eine oder andere kirchliche Archiv von falschem Wissen säubern. Darüber hinaus bin ich auch schlichtweg neugierig, wie sie aussehen.«
»Selbstverständlich«, antwortete Varg, »ich werde euch eine Auswahl an Zeichnung zur Verfügung stellen, wenn wir wieder auf Snaergarde sind. Das Äußere der Klabauter ist nicht einfach zu beschreiben. Man sagt, sie glichen vom Körperbau den Riesenaffen der südlichen Dschungel von Haquadelaor. Ich persönlich kann das weder bestätigen noch dementieren, denn ich habe diese Affen nie gesehen und war nie auf dem Kontinent im Süden. Aber wartet auf die Zeichnungen, ich bin sicher, dass sich im Nachlass meines alten Majordomus reichlich brauchbares Material für euch finden wird.«
»Ich danke euch, wie so oft, sehr, Lord Ulfrskógr. Wenn ihr mich nun entschuldigen wollt, ich sollte Lombardo und Bridges in Bewegung setzen, bevor sie mir einfrieren. Ihre Ausbildung war bei weitem zu aufwendig, um sie durch eine solche Unachtsamkeit zu verlieren. Wäre es euch genehm, wenn wir das Abendessen gemeinsam einnahmen würden? Ich würde euch gerne noch mit einigen weiteren Fragen über diesen Ort und seine Entstehung auf die Nerven gehen, wenn ihr gestattet.«
»Ihr werdet diese Insel noch als der größte Kenner Norselunds verlassen, den das Königreich zu bieten haben wird«, meinte Varg. »Aber ich stehe euch selbstverständlich zur Verfügung.«
Der Erzdiakon deutete lächelnd eine Verbeugung an und zog die Kapuze wieder auf seinen Schädel. Er öffnete die schwere Tür offenbar mit der gleichen Leichtigkeit, wie es zuvor der Jarl getan hatte, und schlüpfte in die eisige Kälte hinaus.
Varg sah dem schlanken Mann einen Moment lang nach und schüttelte dann den Kopf. Er würde aus ihm nicht schlau werden, und wenn er noch zehn Jahre hier verbrachte. Was er nicht hoffte.
Der Aufenthalt der Delegation der Kirche war bislang erfreulich entspannt abgelaufen. Die Gäste konzentrierten sich darauf, die Fälle der Verderbnis zu dokumentieren. Die häuften sich seit dem Ende des kurzen Sommers zunehmend. Inzwischen meldeten die Waldhüter beinahe jede Woche ein missgebildetes Stück Wild. Auch die örtliche Flora war offenbar weitaus umfangreicher betroffen, als man zunächst angenommen hatte. Was die Pflanzen anging, waren die Veränderungen allerdings meist weniger spektakulär als bei den Tieren. Obwohl sich die Priester als geringeres Übel herausgestellt hatten, als befürchtet, fand Varg dieser Tage kaum Frieden.
Aus Falksten wusste er, dass die Dinge dort bislang ebenfalls ohne Zwischenfälle liefen. Stian ließ ihm regelmäßig kurze Nachrichten zukommen. Mit Krakebekk stand er nicht direkt in Verbindung, auch hier diente das südöstliche Jarltum, oder vielmehr Falkehaven, als Verbindungspunkt. Noch verlief die Zusammenarbeit zwischen Norselund und der Kirche vorbildlich.
In Falksten hatte man den teilweisen Befall des Fischbestandes in den ersten Wochen verheimlichen können. Inzwischen war das Auftreten der Zeichen der Verderbnis so häufig geworden, das man kaum Repressalien zu befürchten hatte, wenn herauskam, dass auch die Fische an den Küsten von Falkehaven betroffen waren. Im Westen war die geheime Werftanlage nach wie vor verborgen geblieben. Darum hatte Varg sich allerdings auch die geringsten Sorgen gemacht. Sie lag einfach zu weit von allem, was für die Priester von Interesse sein konnte.
Sein eigenes Geheimnis, die Existenz seiner neuen Vasallen, war ebenfalls bislang nicht zum Problem geworden. Bis vor kurzem waren die Meldungen von der im Bau befindlichen Siedlung der Vannbarn durchweg positiv gewesen. Drei Briefe hatte er von Chatikka ith Vallandor erhalten, seit er durch die Anwesenheit der Priester an einem Besuch beim Steinwald gehindert wurde. In den Ersten beiden berichtete die Lady von Vestrgadda von den Erfolgen im Aufbau ihrer neuen Heimat. Von dem Gedeihen des Köttsten, das in Zukunft eine wichtige Nahrungsquelle für die ganze Insel darstellen mochte. Von dem Fortschritt, den der Bau und die Sicherung der Stadt Nemunadej machte. Diese Ersten beiden hatte er bereits beantwortet. Zwischen den Zeilen hatte er, mit einer Mischung aus Unbehagen und Freude, die gleiche wachsende Vertrautheit herauszulesen geglaubt, die er inzwischen empfand, wenn er an die ehemalige hohe Wächterin dachte. Was viel zu oft vorkam.
Der dritte Brief war von ihm bislang unbeantwortet geblieben. Er hatte ihn dreimal gelesen und wusste noch nicht, wie er seine Antwort formulieren sollte. Der Inhalt war auch der Grund für seine wachsende Beunruhigung und zugleich dafür, dass er beinahe verzweifelt die Rückkehr des alten Zauberers herbeisehnte. Dass er sich der Tatsache bewusst war, dass dessen Anwesenheit ob der Präsenz der Kirche eine Unmöglichkeit darstellte, änderte nichts daran.
Während er in die Kälte hinaustrat, streifte seine Hand unwillkürlich über die rechte Brustseite, wo er den letzten Brief von Chatikka bei sich trug. Er nahm sich fest vor, eine Antwort zu schicken, sobald er nach Snaergarde zurückgekehrt war. Vielleicht konnte er ihr zumindest