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bin Carl.“

      „Brigitta.“

      „Warum willst du meine Telefonnummer?“

      „Um dich anzurufen?“

      „Ja, klar! Warum willst du mich anrufen?“

      „Nun ja“, beginnt Carl. „Du bist irgendwie witzig und hast hundertmal schnelleres Internet als ich.“

      „Ist das alles?“ Brigittas Lächeln schwindet.

      „Nein. Vielleicht können wir uns mal nach der Schule treffen oder so.“ Brigitta errötet. Als Carl dies bemerkt, blickt er zu Boden. „Das hätte ich jetzt nicht sagen sollen, oder?“ Da sie ihm nicht sofort antwortet, schaut er zögernd zu ihr. Mit einem Kugelschreiber notiert sie ihre Telefonnummer auf einer leeren Seite des Notizbuchs.

      „Du gehst noch zur Schule?“

      „Ich mach gerade Abi. Bist du bereits mit der Schule fertig? Machst du eine Ausbildung?“

      „Ich studiere im vierten Semester Informatik.“

      Bei diesen Worten verschlägt es Carl die Sprache. Er beugt sich über die Theke, um Brigitta genauer zu betrachten. Instinktiv weicht sie zurück. „Du siehst so jung aus!“

      „Das höre ich häufiger.“

      „Ich hätte dich vielleicht auf siebzehn oder achtzehn geschätzt.“

      „Hm, danke!“ Die beiden beobachten sich für einige Augenblicke, bis sie auf die Preisliste deutet. „Verkauft ihr auch Dualprozessor Mainboards?“

      „Sag mal, machst du dich über mich lustig oder interessiert dich das Zeug tatsächlich?“

      „Ich brauche einen schnelleren Rechner, da ich viel unter Linux programmiere. Dafür sind zwei CPUs doch nicht schlecht, oder?“

      „Und ich dachte im ersten Moment, du hast dich hier im PC-Laden verlaufen, weil du den Mac-Händler schräg gegenüber übersehen hast.“

      Brigitta schaut Carl verwundert an. Nachdem sie einen Augenblick nachdenkt, beginnt sie zu lachen.

      „Ich kann dir ein Angebot zusammenstellen, falls du willst. Es gibt mittlerweile einige preiswerte Mainboards für die neuen Pentium CPUs. Hab mir selbst eins zugelegt, da ich viel mit Windows NT arbeite.“

      „Das wäre lieb“, antwortet sie. Sie nimmt den Haarreif aus den Haaren und schüttelt den Kopf. Sorgfältig streicht sie die blonden Strähnen hinter die Ohren.

      „Nimmst du alle CDs?“

      „Ja!“

      „Gut, dann packe ich sie dir ein.“ Aus einer Vitrine hinter der Theke sucht er die Rohlinge zusammen. Zu den vier ungeöffneten Schachteln packt er zehn einzelne Rohlinge in eine Plastiktüte. Einige Mausklicks später druckt er die Rechnung aus. Sie zahlt die 500 DM wie versprochen in bar. Routiniert übergibt Carl die Ware mit der Quittung. Sie nimmt die Plastiktüte von der Theke und wendet sich zur Ladentür.

      „Gibst du mir deine Telefonnummer oder hast du es dir anders überlegt?“

      Sie hält noch während ihrer Bewegung inne. Langsam dreht sie sich zurück zu ihm. „Ich hatte es dir versprochen, oder?“

      „Hast du. Falls du aber ...“

      Brigitta holt eilig ihr Notizbüchlein aus der Tasche. Sie blättert zum Beginn der leeren Seiten und reißt das Blatt mit der Nummer behutsam heraus. Sie faltet die Notiz und reicht sie Carl. „Meine letzte Vorlesung geht heute bis um 17 Uhr, aber du darfst gerne am Abend anrufen. Ich bin meistens am Lernen oder im Internet.“

      „Ich freu mich darauf! Bis später.“

      „Ciao!“, verabschiedet sich Brigitta und winkt ihm zu. Fasziniert blickt er ihr hinterher. Erst nachdem sie den Laden verlassen hat, faltet er den Zettel auseinander, auf dem eine Münchner Telefonnummer steht. Eilig lässt er ihn im Geldbeutel verschwinden. Carl atmet tief durch und greift zum Taschenbuch. Nach wenigen Zeilen legt er es zur Seite.

      * * *

      In einer Ecke des Zimmers stehen zwei aneinander geschobene Schreibtische, die Platz für Disketten, CDs, PC-Bauteile und Unmengen an Papieren neben den drei Monitoren bieten. Darunter verbergen sich mehrere beigefarbene Gehäuse ohne Seitenwände. Die Kabel dahinter bilden ein undurchschaubares Gewirr. Eine Armee von Lüftern surrt leise, aber mit unangenehm hoher Frequenz. Carl sitzt mit einem Physikbuch vor den ausgeschalteten Röhrenmonitoren. Neben dem Buch liegt ein Block, in den er Diagramme kritzelt. Er macht eine letzte Notiz, bevor er die Hausaufgaben beiseitelegt. Laut gähnend streckt er den langen Körper. Ungelenk steht er auf, um die Lampen und Monitore einzuschalten. Er nimmt Buch und Block, legt sie zu den anderen Schulbüchern in das IKEA-Regal und öffnet seinen kleinen Kühlschrank zwischen Regal und Zimmertür. Von dort holt er eine Flasche Afri Cola. Nach einem kräftigen Schluck kehrt Carl zum Schreibtisch zurück. Mit einer sanften Bewegung der Maus deaktiviert er den Bildschirmschoner. Der spartanische Linuxdesktop ist mit unzähligen Fenstern übersät, auf denen Fortschrittsbalken von Downloads und endlose Textzeilen diverser Chatkanäle gruppiert sind. Mit der Maus positioniert er einige Chatfenster neu, um sich einen besseren Überblick über die laufenden Diskussionen zu verschaffen. Gelangweilt schiebt er die Maus beiseite und schaltet den Monitor aus. Er rollt mit dem Bürostuhl zu einem anderen PC.

      In der obersten Tastenreihe der Tastatur steckt Brigittas Telefonnummer. Er faltet sie auseinander und betrachtet die Nummer. Auch an diesem PC beendet er den Bildschirmschoner. Dahinter verbirgt sich ein Windowsdesktop, der mit unzähligen Icons der diversen Programme zugepflastert ist. Er startet den Netscape Navigator, klickt auf den AltaVista Bookmark und tippt die Telefonnummer in das Suchfeld. Für einige Momente scrollt er durch eine endlose Liste mit unsinnigen Ergebnissen, bevor er die Maus zur Seite schiebt. Carl kippelt auf dem Bürostuhl vor und zurück. Lange starrt er die Notiz an. Schließlich rollt er mit dem Stuhl zum Regal. Behutsam legt er den Zettel zwischen Telefon und Faxgerät ab. Er atmet tief durch und greift sich ans Ohr. Vorsichtig zieht er einen gelben Ohrstöpsel aus dem Gehörgang. Das Rauschen der Lüfter dröhnt für wenige Atemzüge wie der Turbinenraum eines Kraftwerks. Erst nachdem er sich an den Geräuschpegel im Zimmer gewöhnt hat, hebt er den Hörer ab. Er zögert. Sein Blick wandert erneut zu Brigittas Notiz. Deutlich spürt er seinen hämmernden Pulsschlag. Mit den Fingerspitzen fährt er über den Apparat. Die Finger sind kalt, taub und dennoch schweißnass. Er zittert, als er die Nummer auf dem Zettel wählt. Es klingelt am anderen Ende der Leitung.

      „Brigitta hier“, meldet sich eine freundliche Stimme.

      „Hallo, Brigitta! Hier ist Carl.“ Er atmet nochmals tief durch. „Ich hoffe, du bist nicht überrascht, dass ich anrufe.“

      „Nein, überhaupt nicht. Ich hatte sogar Angst, dass du kneifst.“

      „Freust du dich über meinen Anruf?“, fragt er mit zitternden Worten nach.

      „Ja, klar! Vielen Dank noch mal, dass du mir die CDs so günstig verkauft hast, das war wirklich sehr lieb.“

      „Gern geschehen! Was machst du im Moment?“

      „Nichts Besonderes. Ich bin im Internet unterwegs und suche nach Tutorials, wie man am einfachsten auf eine SQL-Datenbank zugreifen kann.“

      „Das klingt kompliziert, brauchst du das für die Uni?“

      „Eigentlich nicht. Zumindest nicht im Augenblick. Es interessiert mich nur, da ich an einem Programm schreibe, für das ich es gebrauchen könnte.“

      „Was programmierst du?“

      „Ein kleines Tool zur Verwaltung von ... Dingen.“

      „Dingen?“

      „Ähm ja. Wie soll ich es am besten beschreiben? Es ist ein Tool, um Downloads aus dem Internet zu katalogisieren und für das Brennen auf CDs vorzubereiten.“

      „Aha.“

      „Klingt jetzt komisch, oder?“

      „Nicht

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