Скачать книгу

kennt und er den Darsteller immer wieder in Kinofilmen gesehen hat, kommt Carl nicht auf dessen Namen. Da die drei Männer im Vorführraum nicht hören können, was der Moderator zum Besten gibt, warten sie auf die Anweisungen per Funk. Erst als der Schauspieler zum Bühnenrand schlendert, bestätigt Hannes den letzten Funkspruch: „Kurzfilm läuft!“ Auf der Kinoleinwand erscheint ein Video. Aus dem Abhörlautsprecher im Vorführraum erklingt eine emotionale Ansprache, in der sich der abwesende Regisseur an die Premierengäste wendet. Der Moderator betritt nach der kurzen Einspielung nochmals die Bühne. Im Moment als sich dieser zur Leinwand dreht und mit einer ausschweifenden Handbewegung darauf zeigt, knackst es aus dem Walkie-Talkie: „Bitte Saal 11 starten!“

      Carl dimmt die Saalbeleuchtung und startet den Filmprojektor. Konzentriert wartet er neben dem Projektor, bis die Schutzmarke des Verleihs zu sehen ist. Gespannt warten die Männer auf die Klänge der Filmmusik. Nachdem er die ersten Worte in deutscher Sprache aus der Abhöre wahrnimmt, entspannt er sich. Hannes legt das Headset ab und betrachtet mit kindlicher Freude den gleichmäßig ratternden Filmprojektor. „Schnurrt wie ein Kätzchen!“

      „Hoffen wir, dass es die nächsten 113 Minuten so bleibt“, scherzt Carl. Gelassen platziert er den Hocker neben den Stufen zum Catwalk, wo er seine Cola und ein Taschenbuch abgestellt hat. „Das Schwierigste haben wir hinter uns. Nun heißt es abwarten, bis wir die Filmkopien wieder zerlegen.“

      „Noch immer kein Interesse am Film?“, fragt Leonard.

      „Nein, ist nicht mein Ding. Es reicht völlig, wenn ich ihn mir irgendwann mit meiner Freundin im Kino ansehen muss.“

      „Ich verstehe.“

      Hannes folgt dem Film neugierig durch das Guckloch neben dem Projektionsfenster, während Carl das Buch aufschlägt.

      * * *

      Interessiert beobachtet Leonard aus einiger Entfernung, wie Carl die Blende des Filmprojektors schließt. Im dunklen Saal erklingt bereits Applaus, obwohl das Spotlight noch am Rande der Bühne nach dem Moderator sucht. „Das war’s! Wir sind fertig“, stellt Carl fest.

      Hannes beginnt, das Zubehör des Videoprojektors in verschiedene Flightcases zu packen. Carl fängt das lose Filmende ein, das vom Filmteller hängt. Er schaut sich im Vorführraum um, doch Leonard ist längst über den Catwalk verschwunden. „Kannst du mir kurz mit dem Deckel helfen?“, bittet Hannes. „Möchte meinen Beamer nur ungern über Nacht offen stehen lassen.“

      „Kein Problem. Ist der inzwischen abgekühlt?“

      „Ja. Dauert auch nicht viel länger als bei deinem Projektor.“ Gemeinsam heben die Männer den unhandlichen Deckel des massiven Gehäuses über den aufgebockten Videoprojektor. „Danke dir! Wir holen das Zeug morgen Vormittag ab.“

      „Da liege ich zum Glück noch im Bett“, erwidert Carl mit einem spöttischen Grinsen.

      „Man sieht sich“, Hannes reicht ihm die Hand.

      „Ja. Man sieht sich.“ Carl klebt einen kurzen Streifen Tape an das Ende des Filmwickels, bevor er die Filmkopie von der Telleranlage hebt. Vorsichtig trägt er die massive Filmrolle über den Catwalk zurück zum Regiebereich. Im Foyer herrscht erneut reges Treiben. Aus dem großen Saal strömen die Gäste. Einige Premierengäste hasten zu den Shuttlebussen, während andere das Kino bereits verlassen. Im Regieraum trifft Carl auf Leonard und Flo, die mehrere abgespielte Filmkopien in den Sicherheitsschrank sperren. „Wohin mit der Kopie?“, fragt Carl.

      „Die kannst du an die Wand neben den Umrolltisch stellen, die muss heute Nacht getrennt werden“, erklärt Flo.

      „Haben wir alle Filme?“, wundert sich Carl.

      Leonard zückt seinen PDA. „Ich vermisse die Kopie aus Kino 12.“

      „Bin schon unterwegs!“ Mit langen Schritten verschwindet Carl auf dem Catwalk.

      * * *

      Carl kehrt mit der letzten Premierenkopie in den Regieraum zurück. Jens wartet mit Leonard und Herrn Johannson vor den Monitoren. Die drei Männer sind in ihr Gespräch vertieft und scheinen ihn nicht zu beachten. Ungerührt von deren Anwesenheit stellt er den Film zu den anderen Kopien neben dem Umrolltisch. Carl sieht, dass dort eine einzelne Filmrolle liegt, die noch nicht in der dazugehörenden Filmdose verpackt worden ist. Er sieht sich nach dem Vorführleiter um, doch kann er Flo im weitläufigen Vorführraum nicht entdecken. Seine Blicke wandern zu Jens und Leonard, die an ihn herantreten. Jens starrt ihn mit düsterer Miene an. „Können wir uns kurz mit dir unterhalten?“

      „Selbstverständlich“, erwidert Carl. Gleichgültig geht er einige Schritte auf die drei Männer zu. Die Verunsicherung versteckt er mühelos hinter einem teilnahmslosen Gesichtsausdruck. Walter Johannson wirkt aufgeregt. Leonard reagiert nicht auf Carls Blickkontakt. Seine Augen sind klar, hart und direkt. Seine Miene ist undurchschaubar, japanisch und fremd. Jens weicht unwillkürlich einen Schritt vor Carl zurück. „Herr Yamanaka hat mir von einem ungeheuerlichen Vorfall berichtet!“

      „Was ist passiert?“ Carl bleibt ruhig, verschränkt jedoch die Arme vor der Brust und starrt Jens ungerührt an. Dieser fährt sich durch die ordentlich frisierten Haare und blickt Hilfe suchend zu Leonard. „Wie es aussieht, ist im Internet eine Kopie des Films aufgetaucht!“

      „Bereits so früh? Das wird ja immer schlimmer!“

      „Das eigentlich Schlimme daran ist, dass die Raubkopie aus dem AmphiPlex stammt.“

      „Oh!“

      „Nun ja!“ Jens zögert und sucht nochmals den Blickkontakt mit Leonard. „Wir glauben, dass du etwas darüber wissen könntest.“

      „Tut mir leid, aber ich habe nichts Verdächtiges bemerkt.“

      Auf Jens‘ Stirn bilden sich erste Schweißperlen. „Carl, wir vermuten, dass es jemand vom Personal war, da die Raubkopie bereits letzte Nacht im Internet aufgetaucht ist.“

      „Ich habe gestern niemanden mit einer Kamera gesehen. Bist du sicher, dass es bei uns passiert ist?“

      Helfend wandert der nervöse Blick des Theaterleiters zum Asiaten, während er sich die Stirn mit dem Ärmel des Designerhemds abtupft. Leonard erwidert dessen Blick mit einem kurzen Nicken. „Kudos to Carl! Du bist wirklich ein eiskalter Typ.“ Leonard räuspert sich und deutet mit seinen Händen Applaus an. „Womöglich bist du aber auch einfach nur sehr dumm.“

      Carl ignoriert die Provokation, da er sich auf Leonards Gestik und Mimik konzentriert.

      „Wir konnten die Kopiennummer des Films in diesen Vorführraum zurückverfolgen. Wie es sich herausstellt, haben wir die Filmrolle gestern gemeinsam in den Schrank gesperrt. Das Siegel war heute Morgen jedoch intakt.“

      „Wie soll ich an die Filmrolle gelangt sein?“

      „Daran arbeiten wir noch, aber wir konnten den Saal eindeutig identifizieren.“

      „Wie denn?“

      „Du hast vergessen, dass sich auf der rechten Seite der Leinwand einige Flecken befinden, die normalerweise kaum auffallen. An sehr hellen Stellen im Film kann man sie jedoch erkennen.“ Leonard gibt Johannson einen Wink. Dieser zieht einen klobigen Laptop aus einer Aktentasche und steckt eine gebrannte CD in das optische Laufwerk. Leonard bittet Jens und Carl zu sich, um ihnen eine dieser Stellen zu zeigen. „Bei 23 Minuten und 17 Sekunden sieht man die Flecken deutlich.“ Johannson steuert den Player an die besagte Stelle. Nach einem weiteren Nicken von Leonard startet er die Wiedergabe. Gebannt starren die vier Männer auf das Display. Johannson deutet auf den Bereich am Rand. „Hier kann man es sehr schön sehen. Das gleiche Muster wie der Schmutz auf eurer Leinwand“, erläutert Leonard.

      „Meine Güte, Carl! Wie konntest du uns nur so etwas Ungeheuerliches antun?“, prustet Jens los.

      „Weshalb glaubt ihr, dass ich es war?“

      „Wir haben dir immer vertraut, aber das ist absolut unverzeihlich! Gesteh es einfach, um die Sache nicht unnötig zu verkomplizieren, oder sollen wir die Polizei rufen!“,

Скачать книгу