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nicht laufen lassen.“ Jens stockt, um nach Luft zu schnappen. „Was glauben Sie denn, was uns das Arbeitsgericht erzählt, wenn wir den da einfach so feuern? Wir sind hier nicht in den Staaten!“

      „Es ist nicht in unserem Interesse, dass Carl seinen Job verliert“, erklärt Leonard.

      Der Theaterleiter kann die Verwunderung kaum unterdrücken. Dennoch bleibt Carl ruhig. Beinahe beiläufig lässt er seine Blicke über Jens, Leonard und Johannson schweifen, der ebenfalls verwundert wirkt. „Bitte? Was soll der Unsinn?“ Jens ringt nach Luft. „Seit wann ermutigen wir Leute, Raubkopien aufzunehmen und ins Internet zu stellen? Ich denke, ich sollte mich mit Ihrem Vorgesetzten unterhalten! Sie scheinen den Ernst der Lage vollständig zu verkennen. Zuvor werde ich jedoch die Polizei verständigen!“

      „Die Polizei wird auf keinem Fall gerufen! For Christ sake!“, tobt Leonard. „Falls dieses AmphiPlex jemals wieder einen Film von unserem Verleih spielen will, leisten Sie meinen Anweisungen Folge. Senior Vice President Miller ist bereits unterwegs ins Kino, da es sein persönliches Anliegen ist, ein Gespräch mit Indigo Flux zu führen.“

      Carl kann die Überraschung kaum verbergen. Die Farbe weicht ihm schlagartig aus dem Gesicht. Er tritt einige Schritte zurück, da er sich mit dem Rücken an der Wand abstützen muss. Johannson beobachtet ihn mit Adleraugen, doch Carl ignoriert ihn. Er verfolgt Leonards Diskussion mit dem Theaterleiter. Der schmächtige Asiat wirkt auf Carl wie ein aufgebrachtes Raubtier, dass gnadenlos auf Jens losgelassen wird.

      „Mit wem?“

      „Indigo Flux ist Carls Pseudonym.“

      „Bitte?“

      „Was denken Sie denn, was wir hier machen? Playing cops and robbers?“ Leonard atmet tief durch. „Hierbei handelt es sich um eine Operation, die seit Jahren vorbereitet wurde!“

      „Oh!“, staunt Jens. Nervös lockert er seinen Krawattenknoten. Für einen Moment herrscht beklemmende Stille im Vorführraum. Carl beobachtet Leonard, der sich bedächtig nähert. Die beiden beäugen sich für einige Augenblicke. „Überrascht?“

      Carl zögert mit der Antwort. Er überlegt. „Ein wenig. Sie stellen verzweifelte Behauptungen auf und versuchen Leute einzuschüchtern, damit Sie vor Ihrem Boss das Gesicht wahren.“ Er stößt sich sanft von der Wand ab, um seine ganze Körpergröße vor Leonard einzusetzen. „Ihr durchsichtiger Erpressungsversuch wird Ihnen aber nicht helfen, Herr Yamanaka. Es geht hier nicht um mich oder das AmphiPlex, sondern um Ihr Versagen als Sicherheitsbeauftragter. Warum sonst wollen Sie die Polizei raushalten?“

      Leonard weicht einen Schritt zurück und lächelt Carl an. „Du willst also die Polizei rufen?“

      „Ja, warum nicht?“ Carl zuckt mit den Schultern. „Sie haben bereits bestätigt, dass die Filmkopie in einem versiegelten Schrank gelagert wurde. Wer außer Ihnen oder Ihren Kollegen hätte während der technischen Sichtung die Möglichkeit gehabt, unbemerkt einen Mitschnitt zu erstellen?“

      „Gutes Argument!“ Leonard greift sich ans Kinn und neigt den Kopf zur Seite. „Vergisst du dabei nicht etwas?“

      „Was denn?“

      „Als Dauerparker hast du eine Chipkarte für die Tiefgarage?“

      „Wie alle anderen Filmvorführer und die Mitglieder der Theaterleitung.“

      „Dann weißt du höchstwahrscheinlich, dass die Uhrzeiten der Ein- und Ausfahrt sekundengenau protokolliert werden.“

      „Das wäre möglich.“

      „Ich habe das Kino letzte Nacht etwa gegen halb eins verlassen. Wie würdest du der Polizei erklären, dass du erst kurz nach drei Uhr aus der Tiefgarage gefahren bist?“

      Entsetzt sieht Carl zu Leonard hinab, der ihn nur anlächelt. Er lehnt sich nochmals an die Wand. Jens geht einige Schritte auf seinen Vorführer zu, doch dieser weicht den wutentbrannten Blicken aus.

      „Ich hätte nie gedacht, dass du so dumm und naiv bist, so etwas auch nur zu versuchen! Es hätte dir von Anfang an klar sein müssen, dass du damit nicht weit kommst!“, fährt ihn Jens an.

      Carl ignoriert den Theaterleiter. Leonard legt eine Hand auf dessen Schulter. „Sie unterschätzen Ihren Mitarbeiter offenbar gewaltig. Immerhin hat er es geschafft, Hunderte Filme im AmphiPlex unbemerkt mitzuschneiden und ins Internet zu stellen.“

      „Ist das wahr?“, fragt Jens.

      Carl schweigt. Leonard antwortet. „Ja. Machen Sie sich keine Gedanken darüber, Jens. Das ist nicht mehr Ihr Business.“

      „Das sehe ich aber anders!“, schnaubt Jens.

      „Nein. Das sehen Sie falsch. Wir werden uns ab sofort um diese Angelegenheit kümmern. Diskret!“

      Jens öffnet den Mund. Bevor er ein Wort hervorbringt, wirft ihm Leonard einen Blick zu, der ihn zum Schweigen bringt. „Haben Sie einen Raum, in dem wir auf meinen Vorgesetzten warten können?“

      „Sie dürfen selbstverständlich das Büro der Theaterleitung benutzen, wenn es Sie nicht stört, dass ich dort den Tagesabschluss mache.“

      „Nein. Ich dachte an einen Raum, in dem wir uns in Ruhe und ungestört unterhalten können.“

      Nach kurzem Überlegen erwidert Carl: „Wir könnten im Pausenraum warten. Die meisten Kollegen aus dem Service sind entweder auf dem Heimweg oder auf der Premierenparty.“

      „Dann lasst uns gehen, damit dein Kollege die Filme trennen kann.“

      0b0000110: [Der Pausenraum]

      Jens betritt gemeinsam mit den anderen Männern den minimalistisch eingerichteten Pausenraum des AmphiPlex. Neben der Tür steht eine Kochnische mit Wasserkocher, Kaffeeautomaten und Waschbecken. An der Wand gegenüber ein Getränkeautomat, daneben einige Kästen mit Leergut. In der Mitte ein quadratischer Holztisch, um den mehrere Klappstühle herumstehen. Zwei Mitarbeiter aus dem Service sitzen bei geöffnetem Fenster am Tisch. Beide rauchen.

      „Sorry Leute! Wir benötigen den Raum“, verscheucht Jens das Personal.

      „Okay“, bestätigt der Junge, während er seine Kaffeetasse im Waschbecken ausleert. Das Mädchen packt ihre Zigaretten ein und verschwindet mit ihrer Colaflasche in einem der benachbarten Umkleideräume. Leonard bedeutet Johannson, vor der Tür zu warten. Dieser holt daraufhin einen Klappstuhl und stellt ihn in den Gang.

      Wortlos bleibt Carl mit verschränkten Armen neben der Kaffeemaschine stehen. Er beobachtet die anderen mit argwöhnischen Blicken. Jens setzt sich an den Tisch und bietet Leonard einen Stuhl an. Dieser ignoriert die Geste.

      „Jens, ich benötige Sie im Moment nicht. Falls etwas sein sollte, wird Sie Herr Johannson kontaktieren. Sobald Senior Vice President Miller wieder im Kino eintrifft, schicken Sie ihn bitte zu uns.“

      „In Ordnung. Ich warte im Büro“, erwidert Jens beim Aufstehen, „und Sie sind sicher, dass ich keine Polizei rufen soll?“

      „Absolut! Folgen Sie bitte meinen Instruktionen. Wir werden uns dafür erkenntlich zeigen.“

      Jens verbeugt sich auf japanische Art vor Leonard, bevor er den Raum verlässt. Der Asiat gibt Johannson einen Wink, der daraufhin den Posten vor der Tür bezieht. „Was für ein Schleimer!“, seufzt Leonard. „Es sind Typen wie dein Theaterleiter, die meine Arbeit unnötig verkomplizieren.“

      Carl schweigt und starrt sein Gegenüber an. Er beobachtet jede Bewegung des Asiaten. Leonard legt seine Aktentasche auf den Tisch, bevor er zur Kaffeemaschine schlurft. Carl weicht demonstrativ aus.

      „Willst du einen Kaffee? Es könnte ein wenig dauern, bis wir unsere Verhandlungen abgeschlossen haben.“

      „Verhandlungen?“

      „Ja, Verhandlungen! Was glaubst du, warum ich keine Polizei sehen möchte?“ Leonard stellt eine frische Tasse unter den Automaten und

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