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      „Stimmt doch gar nicht.“ Carl schüttelt energisch den Kopf.

      „Wann hat Kiki mit dir Schluss gemacht? Ende der Elften?“

      Carl blickt zu Boden. In seinen Gedanken sieht er sofort die groß gewachsene, athletische Blondine mit dem freundlichen, knabenhaften Gesicht. Mit den Fußspitzen fährt er über den Staub auf dem Betonboden. „Mitte der Zwölften“, murmelt er.

      „Sorry. Wollte nicht gemein sein, aber ich dachte, du wärst inzwischen über sie hinweg.“

      „Bin ich eigentlich auch“, seufzt Carl. „Die letzten anderthalb Jahre sind nur so schnell verflogen, dass ich nicht bemerkt habe, wie alleine ich bin.“

      „Solange dich die anderen nicht für andersrum halten, ist es doch okay.“

      „Bloß weil ich auf Tomboys stehe, bin ich lange kein Homo!“

      „Man könnte es beinahe glauben, schließlich trägt Kiki nie Röcke oder Kleider.“

      „So maskulin ist sie nun auch wieder nicht!“

      „Weiss nicht, aber wenn ich daran denke, wie deine Ex auf dem Eis hinlangt, würde ich mir wie Schwarzeneggers Ehefrau vorkommen.“

      „Das war ein Ausrutscher, den sie sehr bedauert hat.“

      „Sie hat das andere Mädel ausgeknockt und ihr zwei Zähne ausgeschlagen!“

      „Ich sagte doch, dass es ihr unendlich leidgetan hat. Obwohl das beim Eishockey durchaus mal passiert, falls du dich mit der Torhüterin anlegst“, entgegnet Carl, der Vincent einen bösen Blick zuwirft.

      „Na ja, ich fand Kiki eben nie sonderlich feminin. Fast wie einer der Jungs, nur mit Möpsen, heißem Fahrgestell und nem geilen Knackarsch!“

      „Kannst du bitte aufhören von meiner Ex zu schwärmen, sonst fange ich tatsächlich an sie zu vermissen.“

      „Okay, ich bin schon ruhig.“ Vincent steckt sich eine Zigarette an. Da die Sonne hinter den Wolken hervorkommt, schiebt er seine Sonnenbrille auf die Nase. Fragend bietet er Carl die Schachtel an. Dieser schüttelt den Kopf. „Möchtest du nicht wieder mit ihr zusammen sein? Ich hab den Eindruck, sie mag dich noch immer, sonst würde sie nicht jede zweite Woche zur Redaktionssitzung der Schülerzeitung antanzen.“

      „Keine Ahnung?“, entgegnet Carl schulterzuckend. „Wenn sie mit mir reden will, weiß sie, wo sie mich findet.“

      Die beiden jungen Männer beobachten schweigend die Klassenkameraden unter der Uhr. „Mir ist langweilig“, seufzt Vincent.

      „Dann wünsch ich dir viel Spaß in der Schule! Ich mach mich vom Acker.“

      „Arbeitest du heute im PC-Laden?“

      „Ja. Es dürfte einiges an neuer Software reingekommen sein. Mal sehen, ob ich etwas abstauben kann.“

      „Cool!“ Die beiden stehen auf und schultern ihre Taschen. „Wir sehen uns morgen!“, verabschiedet sich Carl.

      „Tschüss!“ Während Vincent mit Zigarette im Mundwinkel zu den Klassenkameraden trottet, verlässt Carl den Pausenhof in Richtung Fahrradschuppen.

      * * *

      Vor dem langen Metallregal stehen mehrere Pappkartons. Carl öffnet den Obersten, um die bunten Schachteln mit den 3½ Zoll Disketten in das Regal zu räumen. Ein Kollege stellt eine Sackkarre mit weiteren Kisten neben ihm ab. „Das sind erst mal alle“, erklärt der ältere Mann. „Falls du mehr brauchst, musst du Bescheid geben. Ich bin in der Werkstatt.“

      „In Ordnung.“

      Der Kollege schlurft gemächlich durch den Laden, bevor er hinter der Theke verschwindet. Sorgfältig füllt Carl die Regalböden mit den diversen Verbrauchsmaterialien und Kleinteilen auf, bis er alle Kisten geleert hat. Nachdem er fertig ist, stellt er die leeren Kartonagen neben der Tür zur Werkstatt ab. Hinter der Theke holt er ein Buch aus seinem Rucksack. Noch bevor er das Taschenbuch aufschlagen kann, hört er jemanden an der Ladentür. Neugierig blickt er zur Tür, um zu sehen, wer das Geschäft betritt. Die zierliche Blondine mit den kindlichen Gesichtszügen trägt eine Brille und bändigt die strähnigen, kinnlangen Haare mit einem Haarreif. In der Hand hält sie ein Notizbuch. Sie bleibt an den frisch befüllten Regalen stehen und sucht dort etwas. Neugierig beobachtet Carl das Mädchen von seinem Platz hinter der Kasse. Sie streckt sich, um die Artikel auf obersten Regalboden besser zu sehen. Dabei erkennt er das Logo der TU München auf ihrer Tasche. Nachdem sie im Regal nichts findet, das ihr Interesse weckt, sieht sie sich mehrmals suchend um. Als sie Carl hinter der Theke bemerkt, geht sie auf ihn zu. „Grüß Gott! Können Sie mir sagen, wo ich CD-Rohlinge finde?“

      „Servus!“

      Sie bleibt vor ihm stehen und lächelt ihn erwartungsvoll an.

      „CD-Rohlinge gibt es bei mir. Wir legen die nicht aus, da die ziemlich teuer sind und sonst sehr schnell Füße kriegen.“

      Die junge Frau kichert bei Carls Antwort. Er mustert sie für einen Moment. Hinter ihren schmalen, rechteckigen Brillengläsern bemerkt er grünblaue Augen, die er auf Anhieb sympathisch findet.

      „Wie viele brauchst du?“

      „Wie viele habt ihr denn?“

       Carl zögert für einen Augenblick. Er mustert sie ein weiteres Mal. „Du weißt, dass CD-Rohlinge deutlich mehr als Floppies kosten und du dafür einen Brenner benötigst?“

      „Ja, aber ich brauche keine Disketten.“

      „In Ordnung. Einen Moment bitte!“

      Sie nickt. Im Kassensystem sucht Carl nach dem Lagerbestand des Artikels. Obwohl er die Artikelnummer auswendig kennt, klickt er mit der Maus umständlich durch die Menüs. Aus den Augenwinkeln beobachtet er das Mädchen. Sie ignoriert ihn jedoch. Die junge Frau studiert den ausgelegten Flyer für PC-Komponenten. Umständlich bewegt sie ihren Zeigefinger Zeile für Zeile über die Preisliste.

      „Ich kann dir Philips Rohlinge für 12 DM pro Stück anbieten.“

      „Der Preis ist in Ordnung“, bestätigt sie beiläufig. „Wie viele hast du?“

      „Bist du sicher, dass du mehr als einen benötigst?“

      Das blonde Mädchen schaut von der Preisliste auf. Ihr Lächeln ist verschwunden. „Ich brauche hundert Stück.“

      Ungläubig starrt er sie an. Als sie sein Erstaunen bemerkt, kehrt ihr fröhliches Lächeln zurück.

      „Ernsthaft? Willst du dir das komplette Internet auf einmal runterladen?“

      Aus ihrem Lächeln wird ein herzliches Lachen. Bevor sie antwortet, fährt sie sich durch die Haare und rückt den Haarreif zurecht.

      „So etwas in der Art.“

      „Das dauert aber eine ganze Weile!“

      „Nicht, wenn du mit 10 Megabit angebunden bist.“ Sie bemerkt Carls erstaunten Gesichtsausdruck. Das freundliche Lächeln verwandelt sich in ein schelmisches Grinsen.

      „Okay!“ Er wirft dem Mädchen einen ratlosen Blick zu. „Ich hab noch fünf Päckchen, das wären dann fünfzig Stück.“

      „Besser als nichts!“, erwidert sie mit strahlenden Augen.

      „Brauchst du sonst noch etwas? Ein paar Festplatten oder ein RAID oder eine Cray?“

      „Vielleicht“, antwortet sie lachend.

      „Verrätst du mir auch was?“

      „Wenn du mir verrätst, ob ich Mengenrabatt auf die Rohlinge bekomme!“

      Carl seufzt.

      „Ich zahle auch in bar!“

      Er tippt einige Befehle ins Kassensystem, um sich den Mitarbeiterrabatt für die Rohlinge anzeigen zu lassen. „Du kannst sie für 500 haben, wenn du mir einen Gefallen

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