Скачать книгу

über­sprin­gen zu las­sen.

      »Möch­test du das denn, Kind?«, hat­te Ma­ria ge­fragt.

      »Viel­leicht ist es dann nicht mehr so lang­wei­lig«, hat­te Ama­lia auf ih­rem Ta­blet geant­wor­tet und ge­nickt.

      »Wenn die Schu­le das emp­fiehlt, ma­chen wir den Ver­such«, sag­te Ma­xi­mi­li­an.

      »Du bist of­fen­bar gar nicht so dumm, wie du aus­siehst.«

      Zum ers­ten Mal hat­te Ama­lia auf Fre­de­ri­cos Frech­heit re­a­giert. »Was man von dir kaum sa­gen kann.«

      Ma­xi­mi­li­an hat­te laut ge­lacht. »Ge­schieht dir ganz recht.«

      Ma­ria schmun­zel­te. Die Klei­ne be­saß nicht nur einen scha­r­fen Ver­stand, sie wuss­te auch mit Wor­ten um­zu­ge­hen, und sie hat­te Fre­de­ri­co an ei­ner emp­find­li­chen Stel­le ge­trof­fen. Im letz­ten Jahr war er durchs Ab­itur ge­ras­selt. Ihr En­kel war nicht dumm, aber sträf­lich faul.

      Ma­ria er­hob sich, als Ali­cia mit dem Ge­schirr er­schien. Lud­wig schlab­ber­te den Rest des Was­sers auf und schloss sich sei­ner Her­rin an. Sie wür­de noch ein Stun­de ru­hen. Bis da­hin soll­ten al­le zum abend­li­chen Es­sen ein­ge­trof­fen sein.

      Ma­da­me Du­rand hat­te am Mor­gen mit Ma­ja den Spei­se­plan für den Tag be­spro­chen.

      Die­se Auf­ga­be, wie vie­le wei­te­re, hat­te Ma­da­me schon lan­ge über­nom­men. Sie war nicht si­cher, ob die Si­gno­ra es be­merk­te. Sie schien mit ih­ren Pfer­den voll­kom­men aus­ge­las­tet. Ei­ne Haus­frau war sie de­fi­ni­tiv nicht. Sie ar­bei­te­te im Stall ge­nau­so hart wie die Pfer­de­bur­schen, gab Reit­un­ter­richt, ritt Pfer­de ein, be­weg­te sie und wach­te nachts bei den träch­ti­gen oder kran­ken Tie­ren.

      Wenn sie sich um Fre­de­ri­co ge­nau­so küm­mer­te wie um ih­re kost­ba­ren Tie­re, dach­te sie, wür­de der Jun­ge viel­leicht nicht so aus dem Ru­der lau­fen.

      Der Ein­fluss des Va­ters war ein­deu­tig stär­ker als der The­resas. Seit der Pu­ber­tät, die in ih­ren Au­gen im­mer noch an­hielt, ori­en­tier­te sich Fre­de­ri­co am Va­ter.

      Ma­xi­mi­li­an schien es zu ge­fal­len. Mit dem Stolz ei­nes Man­nes auf einen Sohn, der ihm so ähn­lich war.

      Fre­de­ri­co trank zu viel. Er sah gut aus, und die Mäd­chen um­schwärm­ten ihn. Für Ma­da­me war er ein Blen­der mit ei­nem schwie­ri­gen Cha­rak­ter. Er be­saß ei­ne ge­fähr­li­che Mi­schung aus Char­me, Bos­heit und Ag­gres­si­vi­tät. In The­resas Au­gen glaub­te sie manch­mal tie­fe Be­sorg­nis und auch Trau­er zu er­ken­nen, wenn ihr Sohn bei Tisch schwa­dro­nier­te, mit sei­nen Aben­teu­ern an­gab, die al­le mit M und S be­gan­nen, Mo­tor­rä­der und Mäd­chen, in die­ser Rei­hen­fol­ge, ge­folgt von zwei­mal S, Spaß und Sau­fen. Mehr als ein­mal war die Po­li­zei im Haus ge­we­sen. Von Oss­ten hat­te im­mer al­les auf sei­ne Art ge­re­gelt.

      Wenn Fre­de­ri­co nie­mals die not­wen­di­gen Kon­se­quen­zen aus sei­nen Ta­ten oder Un­ta­ten zie­hen müss­te, wür­de er wei­ter über die Strän­ge schla­gen. Ma­xi­mi­li­an wie­gel­te je­des Mal ab, sprach von Te­s­tos­te­ron und dem Über­mut der Ju­gend.

      Ma­da­me hielt Fre­de­ri­co für einen aus­ge­wach­se­nen Sa­dis­ten, der sein Müt­chen un­ter an­de­rem an ei­nem klei­nen Mäd­chen kühl­te. An Ama­lia. Sie frag­te sich, wann sich die Wand­lung Fre­de­ri­cos vom Mut­ter­söhn­chen zum Va­ter­kind voll­zo­gen hat­te. War Ama­li­as An­kunft vor acht Jah­ren Aus­lö­ser da­für ge­we­sen?

      Sie stell­te ei­ne gro­ße Va­se auf den Tisch in der Hal­le. The­resa leg­te Wert dar­auf, dass dort im­mer ein kinds­gro­ßer Blu­men­s­trauß stand.

      Ein kost­spie­li­ges Ver­gnü­gen, dach­te Ma­da­me. Al­le paar Ta­ge er­schien ein Gärt­ner, der die­se zau­ber­haf­ten Ar­ran­ge­ments lie­fer­te.

      Lau­tes Ge­klap­per in der Kü­che riss sie aus ih­ren Ge­dan­ken.

      Gleich dar­auf Ma­jas Ge­ze­ter. »Wie un­ge­schickt! Sol­len wir das Brot vom Fuß­bo­den es­sen?«

      Ali­cia hat­te das Back­blech mit der Foc­ca­cia fal­len las­sen.

      »Es ist nichts pas­siert«, hör­te sie Ali­cia. »Es ist ganz ge­blie­ben.«

      »Wisch es gut ab und pass ein biss­chen bes­ser auf.«

      Ma­da­me stieg die Trep­pe hin­auf und be­trat, oh­ne an­zu­klop­fen, Ama­li­as Zim­mer. Das Schild »Aper­to!« an der Tür sag­te ihr, dass sie ein­tre­ten durf­te. Ama­li­as Um­riss am Fens­ter. Sie press­te ihr Ta­blet an sich. Ma­da­me bück­te sich und hob ein acht­los fal­len ge­las­se­nes T-Shirt auf.

      Ama­lia deu­te­te nach drau­ßen. Ma­da­me Du­rand trat eben­falls ans Fens­ter. Ama­lia ge­bär­de­te: »Sie kom­men.«

      »Wer kommt?«

      »Kon­stan­tin und die Blon­de.«

      »Sie heißt An­na­bel«, sag­te Ma­da­me.

      Un­ten fla­cker­te die au­to­ma­ti­sche Be­leuch­tung auf. An­na­bels blon­de Lo­cken tanz­ten im Licht.

      Ma­da­me wand­te sich vom Fens­ter ab. Sie knips­te das De­cken­licht an und staun­te. Ama­lia trug einen knö­chel­lan­gen blau­weiß ge­streif­ten Rock aus feins­tem Ba­tist, da­zu ein bauch­frei­es en­ges T-Shirt. Ge­schen­ke von The­resa, wie sie sich er­in­ner­te.

      Ama­li­as klei­ne Brüs­te zeich­ne­ten sich un­ter dem hau­t­en­gen Shirt ab. Es war nicht zu über­se­hen, stell­te Ma­da­me Du­rand mit ei­ner Mi­schung aus Be­dau­ern und Ent­zü­cken fest, ihr Schütz­ling wur­de zur Frau. Und, wie sie ver­mu­te­te, zu ei­ner sehr apar­ten Frau. Die jetzt noch kind­li­chen Zü­ge wür­den bald ver­schwin­den, ho­hen Wan­gen­kno­chen und ei­nem trot­zi­gen Kinn wei­chen. Die fein ge­schwun­ge­nen Lip­pen und die gro­ßen ver­träum­ten Au­gen wa­ren ein Erb­teil ih­rer Mut­ter. Ma­da­me sah hin­über zu der Fo­to­gra­fie, die im­mer auf Ama­li­as Nacht­tisch stand. Jo­hann und Bel­la, Ama­li­as Mut­ter, sie trug den Na­men zu recht, war schön. Sie frag­te sich, wo die­se Frau heu­te wohl war und wie man das ei­ge­ne Kind ver­las­sen konn­te.

      Ma­xi­mi­li­an stell­te den Ma­se­ra­ti ne­ben An­na­bels Wa­gen ab. Er sah sich um, der Mi­ni fehl­te. Auf dem Park­platz stan­den nur die Fa­mi­li­en­kut­sche, Ma­da­me Du­rands Al­fa Ro­meo Gi­u­lia und Fre­de­ri­cos Mo­tor­rad.

      Ein Blick auf die Uhr sag­te ihm, dass er ge­ra­de noch recht­zei­tig kä­me.

      The­resa war heu­te schon früh auf­ge­bro­chen. Wo­hin, wuss­te er nicht. Zum Abend­es­sen woll­te sie zu­rück sein.

      Er wuss­te, dass er The­resa ver­letzt, dass sie un­ter sei­nen Es­ka­pa­den ge­lit­ten hat­te und viel­leicht noch litt. Aber nie­mals hat­te sie sich da­zu her­ab­ge­las­sen, mit ihm dar­über zu spre­chen. Sie schwieg. Und sie war bei ihm ge­blie­ben! Sie wand­te sich nie­mals ge­gen ihn, we­der in Ge­sell­schaft, noch wenn sie al­lei­ne wa­ren. Sie wies ihn nicht ein­mal in ge­wis­sen Näch­ten ab. The­resa schien ent­schlos­sen zu sein, ei­ne vor­bild­li­che Ehe zu füh­ren, wie die mit ih­rem ers­ten Mann, Tho­mas, Kon­stan­tins Va­ter.

      Oh, sie konn­te wü­tend

Скачать книгу