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ei­nem lan­gen wei­ßen Lei­nen­kleid trug, war rie­sig. Ein Gi­gant aus Tüll und Sei­de.

      Sie fass­te mit bei­den Hän­den den vor­de­ren Rand und bog ihn keck nach oben. »Du soll­test dich auch bes­ser vor der Son­ne schüt­zen.«

      »Das wä­re zu Reit­ho­sen der Hit, Ma­ma«, spot­te­te sie.

      Lud­wig we­del­te mit dem Schwanz und ver­zog die Lef­zen, was man als Lä­cheln deu­ten konn­te. The­resa kraul­te ihn zwi­schen den Oh­ren. Sie pass­te sich dem Gang ih­rer Mut­ter an. Die bei­den Frau­en hat­ten in den letz­ten Jah­ren wie­der zu­ein­an­der ge­fun­den. Ma­ria dach­te an die tau­send Ab­schie­de von ih­rer Toch­ter, an ih­re lan­ge Ab­we­sen­heit, die ih­re Auf­trit­te nun mal not­wen­dig mach­ten. Und hät­te man sie ge­fragt …

      Wenn sie sich frag­te, ob sie sich für ihr Kind oder ih­re Kar­rie­re ent­schei­den soll­te, so hät­te sie auch heu­te noch die Kar­rie­re ge­wählt. Sie war kei­ne gu­te Mut­ter ge­we­sen. The­resa war mit Frem­den auf­ge­wach­sen.

      Jetzt griff sie nach The­resas Arm. »Ich war wohl kei­ne gu­te Mut­ter?«

      Die Ant­wort kam spon­tan und ehr­lich. »Nein, das warst du nicht. Aber ich hät­te dich nicht an­ders ge­wollt.«

      Vor der Reit­hal­le stand ein of­fe­ner Pfer­de­trans­por­ter.

      »Ah«, sag­te The­resa, »Ari­el be­kommt sei­ne schö­ne Braut zu­ge­führt.«

      Ari­el war ein dunk­ler Hengst, ihr gan­zer Stolz. Er hat­te vie­le Ren­nen ge­won­nen.

      Ma­xims be­vor­zug­tes Reit­pferd. Kein Wun­der, dach­te The­resa, dass ihr Ehe­mann einen Deck­hengst ritt. Sie muss­te sich zu­sam­men­rei­ßen, um ih­re plötz­li­che Hei­ter­keit zu un­ter­drü­cken. Pferd und Rei­ter hat­ten die­sel­ben Vor­lie­ben, nur wa­ren Ari­els Rit­te auf den Da­men von mehr Er­folg ge­krönt. Al­le Stu­ten, die er ge­deckt hat­te, wa­ren träch­tig ge­wor­den. Ihr Mann war nur ein­mal Va­ter ge­wor­den.

      The­resas Blick fiel auf einen Jun­gen, der auf dem Gat­ter der Wei­de ba­lan­cier­te, auf der die Stu­ten mit ih­ren Foh­len stan­den. Kur­ze, von der Son­ne ver­gol­de­te Lo­cken, ein brei­ter la­chen­der Mund, et­was ab­ste­hen­de Oh­ren. Ab­ge­schnit­te­ne Jeans und ein Top. Sie lä­chel­te. Das war kein Jun­ge, son­dern ein Mäd­chen. Ama­lia.

      Ama­lia setz­te vor­sich­tig Fuß vor Fuß. Ih­re Ar­me hat­te sie aus­ge­brei­tet, um das Gleich­ge­wicht nicht zu ver­lie­ren.

      »Sie wird fal­len«, sag­te Ma­ria.

      »Wird sie nicht.«

      Raf­fa­el stand plötz­lich ne­ben ih­nen. Er schnipp­te mit den Fin­gern. Ei­ner der Stall­bur­schen brach­te einen Hocker.

      »Si­gno­ra.« Er mach­te ei­ne Ges­te.

      »Dan­ke, mein Lie­ber, aber ich bin kei­ne Grei­sin.«

      Der Bur­sche grins­te und ver­schwand. Ma­ria ent­nahm ei­ner ih­rer Klei­der­ta­schen ein Ta­schen­tuch und brei­te­te es auf dem nicht ganz sau­be­ren Sitz aus, be­vor sie sich dank­bar nie­der­ließ.

      Ama­lia sprang vom Zaun und nä­her­te sich lang­sam Lu­na und ih­rem Sohn.

      »Nur kei­ne hek­ti­schen Be­we­gun­gen«, hat­te The­resa ihr ein­ge­schärft.

      Sie schna­lz­te lei­se mit der Zun­ge. Lu­na kam ihr ein paar Schrit­te ent­ge­gen. Ne­ben ihr trab­te Lau­ser. Der klei­ne Hengst war ge­wach­sen und so aus­ge­las­sen, dass er al­le paar Schrit­te in die Hö­he hop­sen muss­te.

      Ama­li­as Lä­cheln wur­de brei­ter. Sie hielt Lu­na ein Stü­ck­chen Zu­cker hin und spür­te war­men Samt in ih­rer Hand­flä­che, als die Stu­te den Zu­cker vor­sich­tig von ih­rer fla­chen Hand nahm.

      Als sie zu­rück­blick­te, schob sich ein brau­ner Pfer­de­hin­tern rü­ck­wärts aus dem Trans­por­ter. Ma­ri­as Son­nen­hut leuch­te­te in der Son­ne, Raf­fa­el und The­resa stan­den Sei­te an Sei­te ne­ben der Ram­pe. Raf­fa­el nahm die Stu­te am Strick und brach­te sie in ein Ge­he­ge ne­ben der Reit­bahn.

      Ama­lia rann­te zum Zaun, pflück­te im Lau­fen ih­re Kap­pe vom Bo­den, setz­te sie oh­ne an­zu­hal­ten auf und kam gleich­zei­tig mit Raf­fa­el beim Ge­he­ge an. Sie woll­te un­be­dingt da­bei sein, wenn Ari­el die Stu­te deck­te. Sie hat­te das nicht oft ge­se­hen, und es war auf­re­gend. Nor­ma­le­r­wei­se wur­de ei­ne künst­li­che Be­fruch­tung vor­ge­nom­men.

      Ama­lia kann­te die sanf­te Pfer­de­da­me, die schon ein paar Foh­len von Ari­el hat­te. Sie ge­hör­te zu ei­nem Gut, das nur we­ni­ge Ki­lo­me­ter ent­fernt lag.

      Plötz­lich ent­stand Auf­re­gung drü­ben im Stall. Schril­les Wie­hern, Stamp­fen und Schreie, lau­te Flü­che, wie­der Ge­schrei, Hun­de­ge­bell.

      Raf­fa­el schloss das Gat­ter und lief hin­über zum Stall. Ama­lia blieb dicht hin­ter ihm. Ma­ri­as Hut war ver­schwun­den. Sie konn­te we­der ih­re Non­na noch The­resa ent­de­cken.

      Be­vor sie die Stall­tür er­reich­ten, dreh­te sich Raf­fa­el um. Er hob Ama­lia auf die Um­zäu­nung des Reit­plat­zes.

      »Rühr dich nicht vom Fleck«, sag­te er streng.

      Sie sah ihn in den Stall ei­len, hör­te ihn flu­chen, wie nur er flu­chen konn­te. »Wel­cher ver­fluch­te Pin­sel hat den Hengst raus­ge­las­sen. Ich bra­te sei­ne Ei­er und stop­fe sie ihm in den Hals.«

      Se­hen konn­te sie nichts, aber sie hör­te das er­reg­te Wie­hern, den Lärm stamp­fen­der Hu­fe, split­tern­des Holz und lau­te Be­feh­le. Gleich dar­auf er­schien der rie­si­ge Hengst im Zu­stand äu­ßers­ter Er­re­gung. Ari­el wirk­te dop­pelt so groß wie sonst. Er muss­te sei­ne Braut ge­wit­tert ha­ben und war völ­lig au­ßer sich. Fre­de­ri­co hing an ei­ner Sei­te, Raf­fa­el an der an­de­ren, um den Hengst zu hal­ten. Er sieht aus wie ein Schlacht­ross. Ama­lia dach­te an das Ge­mäl­de in der Bi­blio­thek ih­res On­kels. In die­sem Mo­ment stieg Ari­el, Fre­de­ri­co ließ den Strick los, Raf­fa­el klam­mer­te sich ans Ha­lf­ter. Ver­ge­bens. Er sack­te in die Knie und fiel vorn­über.

      »Raf­fa­el!« The­resas Schrei.

      Ama­lia hielt den Atem an, aber sie rühr­te sich nicht.

      Das Cha­os war per­fekt, als Ari­el das Ge­he­ge er­reich­te und zu ei­nem wun­der­schö­nen Sprung an­setz­te. Er schien zu flie­gen.

      Fre­de­ri­co hetz­te mit zwei Stall­bur­schen hin­ter ihm her. Als sie das Ge­he­ge er­reich­ten, war Ari­el be­reits da­bei, sei­ne Braut be­glü­cken. Sie stand ganz still. Zu­frie­den und sanft wie ein Lämm­chen ließ Ari­el sich zu­rück in den Stall füh­ren.

      Nichts da­von sah The­resa. Raf­faels Au­gen wa­ren ge­schlos­sen und ei­ne Platz­wun­de am Kopf zeig­te, wo Ari­els Huf ihn ge­trof­fen hat­te.

      »Ich schneid ihm die Ei­er ab«, mur­mel­te er, oh­ne die Au­gen zu öff­nen.

      »Ganz, wie du willst, mein Liebs­ter.« Sie strich ihm über die Stirn.

      »Komm, Kind«, sie hör­te die Stim­me ih­rer Mut­ter, »du musst ihn los­las­sen, die Am­bu­lanz ist da.«

      The­resa

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