Скачать книгу

Abend ihr Zim­mer be­trat, wies sie Ma­xim nicht ab. Das hat­te sie nie ge­tan. The­resa stand am Fens­ter und schau­te auf die Hü­gel in der Fer­ne. Blas­se Hü­gel, die hel­ler wer­dend, hin­ter­ein­an­der zu schwe­ben schie­nen. Sie wand­te sich nicht um, spür­te sei­ne Hän­de an ih­rer Tail­le. Er be­saß noch im­mer die­se Ausstrah­lung, die sie zu Be­ginn ih­rer Be­zie­hung so an­ge­zo­gen hat­te.

      Am Mor­gen er­wach­te sie al­lein. Ma­xim war ein no­to­ri­scher Früh­auf­ste­her, sie nicht. Wenn die Ar­beit es zuließ, schlief sie lan­ge und über­ließ sich trä­ge dem Be­ginn des Ta­ges.

      Als sie fest­stel­len muss­te, dass sie nicht die ein­zi­ge Frau im Le­ben ih­res Man­nes war, hat­te sie ge­lit­ten, sich ver­ra­ten und ge­de­mü­tigt ge­fühlt.

      Aber The­resa war auch prag­ma­tisch. Lan­ge Ge­sprä­che mit Ma­ri­sa, ei­ner Frau, die sie be­wun­der­te, hat­ten ihr Welt­bild lang­sam ver­än­dert.

      »Wenn du dich nicht ar­ran­gie­ren kannst, musst du dich tren­nen. Aber denk nicht mal im Traum dar­an, dass ich über Jah­re dein see­li­scher Müll­ei­mer sein wer­de. Du musst ei­ne Ent­schei­dung tref­fen.«

      Das war hart ge­we­sen, aber ehr­lich und hilf­reich. The­resa hat­te sich ent­schie­den.

      Sie führ­te ein an­ge­neh­mes Le­ben, mit Frei­hei­ten, von de­nen an­de­re Frau­en nur träu­men konn­ten. Sie lieb­te die Ar­beit mit den Pfer­den, die Ma­rem­ma und ritt für ihr Le­ben gern. Es mach­te ihr Ver­gnü­gen, ein gro­ßes Haus zu füh­ren. Wenn Ma­xi­mi­li­an die Guts­be­sit­zer und sei­ne Ge­schäfts­freun­de ein­lud, bril­lier­te sie.

      Nie­mand wür­de auf die Idee kom­men, sie zu be­mit­lei­den.

      Ma­xim wur­de ho­fiert und ge­noss es. Geld brach­te of­fen­bar An­se­hen. An sol­chen Aben­den hat­te er nur Au­gen für sie. Sie lä­chel­te und spiel­te das Spiel mit. The­resa hat­te sich ar­ran­giert.

      Nach dem Du­schen ging sie hin­un­ter in die Hal­le. Die Haus­tür war weit ge­öff­net und ließ un­ge­hemmt Son­ne und Hit­ze ins Haus. Als sie die Tür schloss, be­merk­te sie, dass An­na­bels Sport­wa­gen ver­schwun­den war. In der Kü­che stand wie je­den Mor­gen ihr Früh­stück be­reit. Der un­wi­der­steh­li­che Duft frisch ge­mah­le­ner Kaf­fee­boh­nen er­füll­te den küh­len Raum.

      »Gu­ten Mor­gen, Si­gno­ra.«

      »Gu­ten Mor­gen, Ma­ja.« The­resa ließ sich am Kü­chen­tisch nie­der. »Wo ist Kit­ty?«

      »Sie müss­te bald wie­der da sein. Sie ist im Dorf, um nach ih­rer Mut­ter zu schau­en.«

      Durch die ge­öff­ne­ten La­mel­len der nur an­ge­lehn­ten Lä­den konn­te sie in den gro­ßen Ge­mü­se­gar­ten se­hen. Der Gar­ten war, wie die Kü­che, Ma­jas Reich. Von ei­ner ho­hen Mau­er um­ge­ben, war er von au­ßen nicht ein­seh­bar. Obst­bäu­me wa­r­fen Schat­ten auf Bee­te und sau­ber ge­hark­te We­ge. Hier konn­ten die Mäd­chen oder Ma­ja je­der­zeit Sa­lat und fri­sches Ge­mü­se ern­ten. Ma­ja konn­te nicht nur ko­chen, sie be­saß auch das, was man einen grü­nen Dau­men nann­te.

      »Geht es ih­rer Mut­ter schlech­ter?«

      »Die Nacht war nicht gut. Kit­ty hat bei ihr ge­wacht.«

      The­resa trank noch einen Schluck Kaf­fee und er­hob sich.

      »Sa­gen Sie ihr, sie soll so lan­ge wie nö­tig bei ih­rer Mut­ter blei­ben. Ali­cia muss al­lei­ne zu­recht­kom­men.«

      »Es sind zwei Per­so­nen mehr im Haus, Si­gno­ra«, gab Ma­ja zu be­den­ken.

      »Na­tür­lich, dar­an ha­be ich nicht ge­dacht. Viel­leicht kann ei­ne der Frau­en aus dem Dorf aus­hel­fen?«

      Ma­ja nick­te. »Das wird si­cher ge­hen.«

      Die Kö­chin ging zum Te­le­fon und er­le­dig­te zwei An­ru­fe.

      Die Si­gno­ra ist ei­ne an­ge­neh­me Ar­beit­ge­be­rin, und, dach­te sie schmun­zelnd, sie hat kei­ne Ah­nung von Haus­halts­füh­rung, aber ein Händ­chen da­für, die rich­ti­gen Men­schen ein­zu­stel­len.

      Oh­ne Ma­da­me Du­rand und sie wä­re der Haus­halt längst zu­sam­men­ge­bro­chen. Ma­da­me hat­te seit Lan­gem un­be­merkt die Pflich­ten ei­ner Haus­da­me über­nom­men. Ama­lia brauch­te, seit sie zur Schu­le ging, kei­ne Er­zie­he­rin oder Nan­ny mehr.

      The­resa frag­te: »Hat Kon­stan­tin ge­sagt, wann er zu­rück ist?«

      »Nein, Si­gno­ra.«

      Die Glo­cke der klei­nen Kir­che in Bas­so läu­te­te. Schon Mit­tag. Soll­te sie Kon­stan­tin an­ru­fen? Aber nein. Er wür­de zu ihr kom­men, wenn er ne­ben An­na­bel Zeit da­zu fand. Sie ver­zog un­be­wusst die Lip­pen zu ei­nem spöt­ti­schen Lä­cheln und schau­te hin­über zu den gel­ben Hü­geln, die in der Hit­ze zu ver­glü­hen schie­nen. Die Luft flim­mer­te, als ob die Land­schaft einen letz­ten Atem­zug mach­te. Oben auf dem Kamm stan­den Zy­pres­sen in Reih und Glied, ei­ne Ar­mee von schlan­ken Wäch­tern. Sie konn­te Bas­so von hier aus nicht se­hen. War­um es so hieß, wuss­te sie nicht. Viel­leicht weil es so klein war? Oder so weit un­ten im Tal? Es be­stand nur aus we­ni­gen Häu­sern, ein paar Re­stau­rants und, un­ver­meid­lich, ei­ner Kir­che oh­ne Pas­tor. Wenn Be­er­di­gun­gen oder Hoch­zei­ten ab­zu­hal­ten wa­ren, muss­te man war­ten, bis ein Pas­tor aus ei­nem der be­nach­bar­ten Or­te Zeit hat­te.

      The­resa dach­te an Kit­ty. Ih­re Mut­ter lag im Ster­ben. Ar­mes Mäd­chen. Selbst­ver­ständ­lich wür­de sie der Be­er­di­gung bei­woh­nen müs­sen. Sie seufz­te. Das war der Teil ih­res Auf­ga­ben­be­reichs, den sie am we­nigs­ten moch­te. Die­se Auf­trit­te als Guts­her­rin la­gen ihr nicht.

      Ma­xim hat­te kei­ne Schwie­rig­kei­ten da­mit.

      »Das sind un­se­re Leu­te, die er­war­ten das«, pfleg­te er zu sa­gen. Mein Mann hat zu­wei­len et­was Über­heb­li­ches, dach­te sie. In ih­ren Au­gen wa­ren die­se Men­schen nicht »ih­re Leu­te«, sie wa­ren Men­schen, von de­nen un­ter an­de­rem der Er­halt des Gu­tes ab­hing. Aber Ma­xi­mi­li­an ge­fiel sich in der Rol­le des Guts­herrn. Die Bau­ern moch­ten ihn, er wi­ckel­te sie ein mit sei­ner jo­vi­a­len Art, und da er die Scha­fe ge­nau­so schnell sche­ren konn­te wie sie, er­kann­ten sie ihn als einen der ih­ren an.

      Ma­ria stand hin­ter halb ge­schlos­se­nen Lä­den. Sie sah ih­re Toch­ter in der glü­hen­den Son­ne ste­hen. Die dunk­len Lo­cken hat­te sie aus der Stirn ge­kämmt und mit ei­nem Tuch im Nacken ge­hal­ten. Von ihr hat­te sie ih­re Schön­heit nicht (ihr Va­ter war ein schö­ner Mann ge­we­sen), aber mit Si­cher­heit die kö­nig­li­che Hal­tung.

      Ein wei­ßes T-Shirt und hel­le, eng an­lie­gen­de Reit­ho­sen be­ton­ten ih­re schlan­ke Ge­stalt. Plötz­lich wand­te The­resa sich ih­rem Fens­ter zu. Ma­ria stieß den La­den auf und wink­te ih­rer Toch­ter.

      »Gu­ten Mor­gen, Ma­ma. Komm mit, ich will zum Stall hin­über. Ich er­war­te zwei Käu­fer. Sie wol­len sich Abigail und Sul­tan an­se­hen.«

      Ma­ria be­wun­der­te die Ener­gie, mit der ih­re Toch­ter sich den Pfer­den wid­me­te. Sie hat­te sich in den letz­ten Jah­ren einen aus­ge­zeich­ne­ten Ruf als Züch­te­rin er­wor­ben. Es war har­te kör­per­li­che Ar­beit, die ih­re Toch­ter leis­te­te.

Скачать книгу