Скачать книгу

hat­te sie auf Voll­stän­dig­keit über­prüft. Jetzt ging sie zu der ver­letz­ten Stu­te.

      Seit Raf­fa­el da ist, dach­te Ma­ri­sa, geht es The­resa bes­ser.

      Sie hat­te ih­re Vi­ta­li­tät, ih­ren Witz wie­der­ge­fun­den.

      Ro­man­ti­sche Lie­be war in Ma­ri­sas Au­gen ei­ne Er­fin­dung der Neu­zeit. Die Mensch­heit war Jahr­tau­sen­de oh­ne sie aus­ge­kom­men. Ge­sun­der Sex war wun­der­bar und un­ver­bind­lich, Ent­täu­schun­gen nicht pro­gram­miert.

      Aber The­resa hat­te an­de­re Vor­stel­lun­gen und Wün­sche. Sie hat­te sich auf ih­ren ers­ten Ehe­mann, Kon­stan­tins Va­ter, ver­las­sen kön­nen. Das hat­te sie auch von Ma­xi­mi­li­an er­war­tet. Ein Irr­tum, wie sie bald hat­te er­ken­nen müs­sen.

      Ma­ri­sa hat­te ver­sucht, ih­re Freun­din zu trös­ten. The­resa war an­ders als sie. Sie wünsch­te sich Lie­be von ei­nem Mann, sie selbst tat das nicht. Ihr ge­nüg­te die Lie­be zu ih­ren Söh­nen und den Tie­ren.

      Ama­lia stand vor dem ge­öff­ne­ten Klei­der­schrank. Sie wühl­te in ih­ren T-Shirts.

      Auf dem Fuß­bo­den türm­ten sich Rö­cke und Ho­sen.

      »Was ist denn hier los?« Ma­da­me Du­rand stand in der Tür.

      Ama­lia fuhr her­um. »Ich ha­be nichts an­zu­zie­hen.« Sie nutz­te die Ge­bär­den­spra­che.

      Ma­da­me Du­rand war die Ein­zi­ge im Haus, die das Ge­bär­den be­herrsch­te.

      »Aha? Und was ist das?« Sie deu­te­te auf den Bo­den.

      Ama­lia sah sie un­sch­lüs­sig an. »Ich weiß nicht, was ich an­zie­hen soll.«

      »Wol­len wir mal zu­sam­men nach­se­hen?«

      Ama­lia nick­te eif­rig. Sie war nicht ei­tel, ganz im Ge­gen­teil. Ab­ge­schnit­te­ne Jeans und ver­wa­sche­ne Shirts ge­nüg­ten ihr nor­ma­le­r­wei­se.

      Die rei­chen klei­nen Mäd­chen in Ama­li­as Klas­se ka­men in Ro­sa und Weiß gehüllt, tru­gen Schmuck und fühl­ten sich ver­höhnt.

      Die Pri­vat­schu­le war zu Be­ginn ein Pro­blem ge­we­sen. Zum ers­ten Mal war Ama­lia mit Kin­dern aus ih­rem ei­ge­nen Mi­li­eu kon­fron­tiert wor­den. Auf dem Gut kam sie nur mit den Kin­dern der Dorf­be­woh­ner und der An­ge­stell­ten in Be­rüh­rung. Manch­mal auch mit The­resas Reit­schü­lern. Sie hat­te nie er­fah­ren, wie es sich an­fühl­te, aus­ge­schlos­sen oder gar ge­mobbt zu wer­den. Mit Aus­nah­me ih­res Cous­ins war Ama­lia nie auf Ab­leh­nung ge­sto­ßen.

      Ama­lia hat­te, wie im­mer, den Ver­such ge­macht, mit ih­ren Pro­ble­men selbst fer­tig zu wer­den, bis Ma­da­me sie dar­auf an­sprach. Sie hat­te ge­spürt, dass et­was nicht stimm­te.

      Vol­ler Ab­scheu dach­te Ma­da­me an ih­ren Zu­sam­men­stoß mit der Di­rek­to­rin, ei­ner schwe­ren, of­fen­bar kon­flikt­scheu­en Frau, die ihr zu ver­ste­hen ge­ge­ben hat­te, dass sie nicht die Ab­sicht hät­te, mit den rei­chen El­tern ih­rer ver­wöhn­ten Bäl­ger zu spre­chen.

      Ma­da­me schil­der­te The­resa das Ge­spräch mit ihr.

      »Fin­den Sie her­aus, wann der nächs­te El­tern­abend statt­fin­det.«

      »Ge­wiss.«

      Sie will hin­ge­hen, dach­te Ma­da­me Du­rand er­staunt.

      The­resa hat­te nie viel In­ter­es­se an dem Mün­del ih­res Man­nes ge­zeigt. Und doch schien sie auf ih­re Art das Mäd­chen zu mö­gen. Sie er­teil­te Ama­lia re­gel­mä­ßig Reit­un­ter­richt und hat­te ihr Lu­n­as Foh­len ge­schenkt. Der klei­ne Hengst war Ama­li­as gan­ze Lie­be. Und, dach­te Ma­da­me, Kon­stan­tin.

      Denn Ama­li­as Wunsch, heu­te hübsch aus­zu­se­hen, lag zwei­fel­los an Kon­stan­tins Kom­men.

      »Du freust dich auf Kon­stan­tin?«

      Ama­lia nick­te strah­lend und hob den Dau­men. »Ich will ihm mein Foh­len zei­gen. Wir müs­sen es doch tau­fen.«

      Ma­da­me Du­rand lä­chel­te. »Weißt du schon, wie es hei­ßen soll?«

      Ama­lia schüt­tel­te den Kopf und zog sich ein blau­es Trä­ger­kleid­chen über, das ihr sehr gut stand. Sie dreh­te sich vor dem Spie­gel. Als sie sah, dass Ama­lia das Kleid wie­der aus­zog und nach ei­nem är­mel­lo­sen ver­wa­sche­nen T-Shirt griff, floh Ma­da­me und zog die Tür zu.

      Oh, du mein Gott, dach­te sie. Ei­ne ver­lieb­te Drei­zehn­jäh­ri­ge, wenn das mal gut geht.

      Ma­da­me Du­rands Sor­gen wa­ren nur all­zu be­rech­tigt.

      Kon­stan­tin ent­stieg am Nach­mit­tag ei­nem tod­schi­cken Sport­coupé und mit ihm An­na­bel.

      Sie trug zu ei­nem schnee­wei­ßen Sei­den­kleid Sti­let­tos und wirk­te be­nei­dens­wert kühl, bei sechs­und­drei­ßig Grad. Als kä­me sie ge­ra­de­wegs aus der Du­sche. Und sie war bild­hübsch. Fre­de­ri­co und Ma­xi­mi­li­an sa­ßen un­ter der rie­si­gen Kas­ta­nie vor dem Haus. Die Kro­ne des Bau­mes schütz­te vor Re­gen und Son­ne. An­na­bel häng­te sich bei Kon­stan­tin ein, als sie auf das Haus zu­schritt.

      Mit den Schu­hen, dach­te Ma­da­me, wür­de sie oh­ne Un­ter­stüt­zung nicht weit kom­men. Auf­fahrt und Hof wa­ren ge­pflas­tert wie ei­ne al­te Dorf­stra­ße.

      Kon­stan­tin stell­te sei­ne Freun­din vor: »Ma­xi­mi­li­an, das ist An­na­bel, Fre­de­ri­co, mein Bru­der, und … Ma­da­me Du­rand.« Er stutz­te, als er sie al­lei­ne kom­men sah. »Wo ist denn Ama­lia?«

      »Gu­ten Tag, Kon­stan­tin, An­na­bel. Ich weiß es nicht, sie war eben noch hier.«

      »Und Ma­ma?«

      Ma­xi­mi­li­an sag­te: »Sie hat ei­ne neue Schü­le­rin. Ich den­ke, sie ist noch in der Reit­hal­le.«

      »Viel­leicht ist Ama­lia bei ihr, ich geh mal nach den bei­den se­hen.«

      »Wer ist denn Ama­lia, Lieb­ling?«

      »Komm mit, An­na­bel, dann wirst du sie ken­nen­ler­nen.«

      Ama­lia hat­te den Tag in der Nä­he des Hau­ses ver­bracht. Sie woll­te kei­ne Mi­nu­te mit Kon­stan­tin ver­säu­men.

      Im Stall, dach­te Ma­da­me, wirst du sie nicht fin­den.

      Ama­lia war in den Flü­gel des Hau­ses ge­flüch­tet, in dem Ma­ria leb­te. Sie glaub­te zu wis­sen, was in dem Mäd­chen vor­ging.

      Sie hör­te An­na­bels un­gläu­bi­ge Stim­me. »In den Stall?«

      »Ja.«

      »Nein, Lieb­ling, ich möch­te mich lie­ber frisch ma­chen.« Sie ki­cher­te.

      Wie frisch will sie wohl noch wer­den, frag­te sich Ma­da­me und ta­del­te sich gleich dar­auf.

      An­na­bel war ner­vös und un­si­cher, man muss­te nach­sich­tig mit ihr sein. Mit den Män­nern hat­te sie leich­tes Spiel. Von Oss­ten be­trach­te­te sie, wie er al­le Frau­en an­sah. Nun ja. Fre­de­ri­co konn­te den Blick nicht von ihr las­sen. Die schwers­te Prü­fung aber wür­de noch kom­men, The­resa hat­te sie noch nicht ken­nen­ge­lernt.

      Es war

Скачать книгу