ТОП просматриваемых книг сайта:
Himmel über der Maremma. Ursula Tintelnot
Читать онлайн.Название Himmel über der Maremma
Год выпуска 0
isbn 9783748504658
Автор произведения Ursula Tintelnot
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Amalia hörte das schabende Geräusch, als ihr Onkel den Kristallstöpsel aus der Karaffe zog, um sich einen Cognac einzuschenken. Onkel Maximilian war zwanzig Jahre älter als ihr Vater Johann. Sein dichtes kurzes Haar war grau, während das ihres Vaters noch dunkelblond wie ihr eigenes gewesen war.
Sie kannte den Inhalt der Unterhaltung. Frederico mochte sie nicht. Er ärgerte sie, wann immer es ihm gefiel. Und es gefiel ihm oft.
Als Amalias Vater starb, war sie vier Jahre alt gewesen. An ihre Mutter konnte sie sich nicht erinnern.
Warum sie ihren Vater und sie verlassen hatte, wusste Amalia nicht. Damals war sie zu klein gewesen, um Fragen zu stellen, und jetzt gab es niemanden mehr, den sie fragen konnte. Onkel Maximilian war ihr einziger auffindbarer Verwandter. So war sie vor acht Jahren wie ein Postpaket von Hamburg nach Italien geschickt worden. Ihre Erinnerungen an eine große Stadt, den Hafen und die Wohnung mit dem Ausblick auf eine belebte Straße verblassten.
Maximilian reiste in Gedanken dreizehn Jahre zurück.
Zum letzten Mal war er seinem Bruder und dessen Frau Bella vor mehr als zwölf Jahren begegnet. Er sah Bella noch vor sich. Sie war zauberhaft. Eine Frau, die ihn in den Wahnsinn trieb. Er wollte sie, und er nahm sie sich.
Nie wieder sprach Johann ein Wort mit ihm. Bella verließ ihren Mann und ihr Baby gleich nach der Geburt. Und jetzt war dieser verhasste Bruder längst nicht mehr am Leben, und dessen Tochter lebte in seinem Haus.
Maximilian hatte das Erbe seines Vaters an sich gerissen, die Ehe seines Bruders zerstört, und nun gehörte auch Amalia ihm. Das Mädchen, ein Abbild seiner Mutter, erinnerte ihn Tag für Tag an Bella und an das, was zwischen ihnen gewesen war. Aber er war kein Mann, der sich über Dinge aufregte, die der Vergangenheit angehörten.
In gewisser Weise verstand er seinen Sohn. Frederico war ihm sehr ähnlich. Unversöhnlich in seiner Ablehnung. Und unerbittlich, wenn es um sein Territorium ging.
Amalia war ein unabhängiges Mädchen. Sie beklagte sich nie über Frederico. Wenn er sie zu demütigen versuchte, nahm sie es stoisch hin, was ihn zu noch gröberen Scherzen veranlasste.
Auch Maximilian hatte mit dem spät geborenen Bruder die Zuneigung seiner Eltern teilen müssen. Zwanzig Jahre lang war er ihr Kronprinz, ihr Stolz gewesen.
Johann entwickelte sich zu einem Wunderkind. Mit drei Jahren begann er Klavier zu spielen, mit fünf bekam er seine erste Geige. Sein musikalischer Höhenflug war unaufhaltsam. Mit zwanzig Jahren war er erster Geiger in einem großen Orchester. Er reiste um die ganze Welt. Während Johann sich seiner Kunst widmete, widmete sich Maximilian den Firmen seines Vaters und sorgte dafür, dass sein Bruder am Ende keinen Heller erhielt.
Dass sein Vater nicht mehr Herr seiner Sinne war, begünstigte Maximilians Pläne. Nachdem seine und Johanns Mutter gestorben war, verlor sein Vater nicht nur jegliches Interesse an den Geschäften, sondern auch seinen Verstand. Es war nicht schwer, ihm einzureden, dass Johann nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Der Alte enterbte seinen jüngeren Sohn und überschrieb alles seinem Ältesten.
Als Johann zur Beerdigung seines Vaters anreiste, brachte er seine wunderschöne junge Frau mit. Maximilian konnte den Blick nicht von ihr wenden. Die gerade Nase, ihre schön geschwungenen Lippen. Das streng zurückgebundene Haar schimmerte. Er hatte viele Frauen gekannt. Diese wollte er, auch, weil sie die Frau seines Bruders war.
Maja war eine wunderbare Köchin. Und sie liebte Amalia. Das Mädchen rührte sie.
Amalia war so zierlich, viel zu dünn, und manchmal sah sie traurig aus. Als sie vor acht Jahren kam, sprach sie nicht. Maja schob es darauf, dass die Kleine kein Italienisch konnte. Aber das war es nicht. Auch, nachdem sie alles verstand, sprach sie nicht. Amalia sagte kein Wort. Umso mehr drückten ihre strahlenden Augen aus, wenn sie sich freute, die sich verschleierten, wenn sie traurig war.
Amalia schmiegte sich an Maja, wenn sie ihr einen Leckerbissen zusteckte, und sie lächelte so voller Dankbarkeit, dass das Herz der Köchin schmolz.
Die Familie traf sich zum Abendessen in der großen verglasten Veranda. Einem ganz in Frühlingsgrün und Weiß gehaltenen Raum mit Blick auf die sanften Hügel gegenüber.
Theresa bestand darauf, dass die Familie sooft wie möglich an einem Tisch zusammenkam. Frederico stand am Fenster und sah gelangweilt hinaus in die Dunkelheit. Seine Großmutter Maria betrat in diesem Moment das Zimmer.
»Wo ist Theresa? Kann meine Tochter nicht ein einziges Mal pünktlich sein?« Sie sah sich um.
Maximilian begrüßte seine Schwiegermutter. »Nein«, sagte er spöttisch, »das kann sie nicht. Ein eklatanter Erziehungsfehler.«
»Rede keinen Unsinn, ich habe sie anders erzogen.«
Die alte Dame ließ sich auf einem Stuhl am Tisch nieder. Sie war schlank und saß aufrecht, ohne die Rückenlehne in Anspruch zu nehmen.
»Du hast sie gar nicht erzogen.«
Maria schmunzelte. »Hat sie dir das erzählt?«
»Ja, hat sie.«
»Das stimmt, ich war zu häufig auf Reisen.«
Maria betrachtete ihren Schwiegersohn. Er sah gut aus und war ein sehr großzügiger Mann. Kaum jünger als sie selbst. Wenn sie Lust auf einen jüngeren Liebhaber gehabt hätte … dem Alter nach hätte er besser zu ihr gepasst. Aber er war zu alt, um sich eine noch ältere Geliebte zu nehmen, dachte sie zynisch.
»Wo ist Amalia?«
Frederico wandte sich endlich seiner Großmutter zu. »Der Stockfisch ist auch noch nicht da.«
Maria hob die Brauen. Ihr jüngster Enkel ließ keine Gelegenheit aus, sich über seine Cousine lustig zu machen. Die Tür öffnete sich, und Theresa trat ein.
»Endlich, Kind, du weißt, dass ich nicht gerne warte.«
»Ich weiß, Mama.« Sie begrüßte ihre Mutter mit einem flüchtigen Kuss. »Ich habe den Nachmittag im Stall verbracht und musste mich noch umziehen.«
Ihren Mann begrüßte sie mit einem Lächeln. Sie konnte ihm ansehen, was er dachte. Raffael, der junge Verwalter, war ein fähiger Mann und Maximilian ein Dorn im Auge.
»Guten