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Schreib­tisch, auf dem ein Bild­schirm ne­ben ei­ner Te­le­fon­an­la­ge thron­te, von der aus man di­rekt mit dem Stall­meis­ter oder The­resa ver­bun­den wer­den konn­te, Re­ga­len an den Wän­den und zwei Stüh­len, gab es hier nichts, nichts, was den Raum wohn­li­cher mach­te.

      Ihr Blick blieb an ei­nem Fo­to hän­gen, auf dem zwei la­chen­de klei­ne Mäd­chen zu se­hen wa­ren. Sei­ne Frau hat­te ihn vor Jah­ren ver­las­sen und die Töch­ter mit­ge­nom­men. Raf­fa­el lieb­te sei­ne Mäd­chen und be­such­te sie so oft es ging.

      Auf ih­re Fra­ge, was schief­ge­gan­gen war, hat­te er geant­wor­tet: »Ich ha­be sie und die Kin­der ver­nach­läs­sigt.«

      The­resa zog ihr Han­dy aus der Ta­sche und wähl­te ei­ne Num­mer in Sie­na.

      Raf­fa­el be­weg­te sich vor­sich­tig.

      Wei­ße Wän­de, ein ho­hes Fens­ter und ei­ne über­brei­te Tür, die sich schwung­voll öff­ne­te. Ein ste­chen­der Schmerz fuhr ihm in den Kopf. Ge­pei­nigt schloss er die Au­gen.

      »Da sind Sie ja wie­der. Gu­ten Mor­gen. Pro­fes­sor Do­na­to«, stell­te der Arzt sich vor.

      »Wo bin ich hier?«

      »Sie sind in ei­nem Hos­pi­tal in Sie­na. Of­fen­sicht­lich reicht ein Pfer­de­huf nicht aus, Sie ins Jen­seits zu be­för­dern.«

      Raf­fa­el ver­such­te sich auf­zu­set­zen. »Ver­flucht gei­ler Zos­sen.«

      Der Arzt grins­te. »Wenn Sie nicht ein Le­ben lang un­ter Kopf­schmer­zen lei­den wol­len, blei­ben Sie die nächs­ten Ta­ge lie­gen. Prel­lun­gen und Ab­schür­fun­gen ha­ben wir ver­sorgt. Sol­len wir je­man­den be­nach­rich­ti­gen?«

      »Nein.« Er schüt­tel­te den Kopf, ließ es so­fort wie­der und zog ei­ne Gri­mas­se.

      Die Schwes­ter sah ihn be­sorgt an.

      Vor der Tür hör­te man Stim­men, er­reg­te Stim­men:

      »Sie kön­nen da nicht hin­ein. Der Pro­fes­sor hält Vi­si­te.«

      »Das passt mir sehr gut, ihn will ich ge­ra­de spre­chen.«

      Die halb ge­öff­ne­te Zim­mer­tür schwang ganz auf, und The­resa er­schien, ge­folgt von ei­ner Kran­ken­schwes­ter mit hoch­ro­ten Wan­gen.

      »Es ist gut, Ober­schwes­ter. Ich küm­me­re mich um die Si­gno­ra.«

      Do­na­to beug­te sich über The­resas Hand.

      Wie mach­ten sie das nur, die­se Men­schen, die zu ei­ner Schicht ge­hör­ten, der er selbst nicht an­ge­hör­te. Hat­ten sie im­mer al­les im Griff?, über­leg­te Raf­fa­el.

      The­resa be­dach­te Raf­fa­el mit ei­nem freund­li­chen Blick. Mehr nicht.

      Sie wand­te sich so­fort wie­der an den Pro­fes­sor. »Wie geht es mei­nem Stall­meis­ter?«

      Wenn er die Kraft da­zu ge­habt hät­te, er wä­re auf­ge­stan­den und ge­gan­gen. ‚Mei­nem Stall­meis­ter’? Die­ses ar­ro­gan­te Mist­stück. Wie konn­te sie nur?

      »Ich brau­che ihn drin­gend, wir ste­cken bis zum Hals in Ar­beit.«

      Do­na­to wa­rf einen Blick auf ihn. »Er wird durch­kom­men, hat einen har­ten Schä­del. Ein paar Ta­ge be­hal­ten wir ihn noch hier.«

      Raf­fa­el wand sich in­ner­lich. Ich brin­ge ihn um, ich brin­ge sie bei­de um.

      The­resa be­weg­te sich lang­sam mit dem Arzt zur Tür. Ihn schien sie ver­ges­sen zu ha­ben. Er schloss wü­tend und er­schöpft die Au­gen. Sie hat­te über ihn ge­spro­chen, wie über einen Ge­gen­stand, einen Be­sitz. Er fühl­te sich ge­de­mü­tigt und ver­letzt. Und jetzt war sie ge­gan­gen, oh­ne ein Wort. Von we­gen, Stall­meis­ter! Sie konn­te ihm so fremd sein wie ei­ne Au­ßer­ir­di­sche. Manch­mal stell­te er al­les in Fra­ge. Es gab Mo­men­te, in de­nen er glaub­te, sie zu ken­nen wie nie­man­den sonst, und dann ent­zog sie sich ihm. Von ei­ner Se­kun­de zur an­de­ren leg­te sie einen He­bel um, wur­de die un­nah­ba­re Chefin, die Guts­be­sit­ze­rin, die zu ei­ner Eli­te ge­hör­te, von ihm so weit ent­fernt wie der Mars.

      Als er die Au­gen wie­der auf­schlug, saß The­resa ne­ben sei­nem Bett, hielt sei­ne Hand und sah ihn un­ver­wandt an. Ein Blick zum Fens­ter zeig­te ihm, dass es be­reits däm­mer­te.

      The­resa griff zu ei­nem Glas. »Du musst trin­ken.«

      Er schob ih­re Hand zur Sei­te. »Ich bin kein Klein­kind.«

      »Ich weiß.«

      »Ich has­se dich.«

      Sie lach­te lei­se. »Was hät­te es ge­än­dert, Do­na­to zu sa­gen, dass ich den Mann, den ich un­end­lich lie­be, nicht im Stall, son­dern im Bett brau­che?« Sie hauch­te ihm einen Kuss auf die Stirn. »Ich muss ge­hen.«

      Die Ab­sät­ze ih­rer San­da­len kla­cker­ten. Sie öff­ne­te die Tür, schloss sie wie­der, kam zu­rück und küss­te ihn rich­tig.

      Er sah ihr nach. Sie hat­te ihm zum ers­ten Mal ei­ne Lie­bes­er­klä­rung ge­macht. Er lä­chel­te. »Ich lie­be dich auch«, sag­te er.

      »Ich weiß.« The­resa schloss die Tür.

      Ama­lia saß mit Ma­ria am gro­ßen Tisch un­ter der Kas­ta­nie. Vor ihr lag ein Skiz­zen­block.

      »Ich ha­be ge­glaubt, dass er tot ist.«

      Mit kräf­ti­gen Stri­chen zeich­ne­te sie einen ge­wal­ti­gen dunk­len Pfer­de­kör­per. Die Vor­der­hu­fe sta­chen in die Luft, Hals und Kopf bo­gen sich dra­ma­tisch nach hin­ten, das Maul war weit ge­öff­net. Selbst die gro­ßen gelb­li­chen Zäh­ne wa­ren deut­lich zu se­hen. Ma­ria dach­te, man hört ihn förm­lich wie­hern.

      Sie frag­te sich, ob nur sie den er­stick­ten Schrei des Mäd­chens ge­hört hat­te. War er in der Auf­re­gung un­ter­ge­gan­gen?

      »Du magst ihn?«

      Ama­lia sah sie ernst­haft an. »Ja, Non­na, ich mag ihn. Manch­mal er­in­nert er mich an mei­nen Pa­pa. Aber …« Sie zö­ger­te.

      »Ja?«

      »Er ist viel öf­ter da und hat im­mer Zeit für mich.«

      Wie­der ein El­tern­teil, das sich für die Kar­rie­re ent­schie­den hat­te, wie sie selbst.

      »Dein Pa­pa war ein groß­ar­ti­ger Mu­si­ker.«

      »Aber kein gu­ter Pa­pa.«

      Die­ses Kind! Hat­te sie nicht ge­nau solch ein Ge­spräch vor ein paar Ta­gen mit ih­rer Toch­ter ge­führt? »Hät­test du lie­ber einen an­de­ren Pa­pa ge­habt?«

      »Nein.« Die Ant­wort kam prompt.

      Ma­ria hör­te Lud­wig un­ter dem Tisch he­cheln. Auf dem Tisch stand ei­ne Kris­tall­ka­raf­fe mit Zi­tro­nen­was­ser, in dem Eis­wür­fel dem Zu­stand voll­stän­di­ger Auf­lö­sung ent­ge­gen schwam­men.

      »Wo soll ich den Tisch de­cken?«, frag­te Ali­cia.

      In­zwi­schen war es dun­kel ge­wor­den, doch die Hit­ze ließ nicht nach. Die Au­ßen­be­leuch­tung tauch­te die Um­ge­bung in ein sanf­tes Licht.

      »Die Si­gno­ra ist noch nicht zu­rück.«

      Ali­cia war­te­te

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