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verneinend den Kopf.

      Diese verdammten Flammen bissen ihn jetzt so schlimm, dass er am liebsten laut aufgeschrien hätte. Nic sah, wie er mit steifen Beinen zu seinem Wagen ging und, mit durchdrehenden Reifen, davon schoss.

      Auf den Tisch vor ihr hatte Onkel Luis lieblos den schönen Blumenstrauß geworfen. Eine neue Welle der Übelkeit raste durch sie hindurch, und sie schaffte es gerade noch, sich seitlich über das Geländer zu beugen, um zu erbrechen. Schwach ließ sie sich zurück in den Stuhl fallen; die Welt um sie herum verschwamm im Nebel, und dann verlor sie ihr Bewusstsein.

      Auf diesen Augenblick hatten die Flammen der Kraftlinien gewartet, sie schossen aus dem Boden und krochen vorsichtig an Nic hoch, bis sie die Kette erreichten. Ohne Mühe schmolzen sie den Verschluss auf, so dass die Kette auf die Erde fiel, dann machten sie sich mit ihrer ganzen Kraft darüber her.

      Als Nic kurze Zeit später erwachte, fühlte sie sich erstaunlicherweise gut. Der Nebel in ihrem Kopf hatte sich verzogen, sie konnte wieder klar denken. Als sie aus dem Stuhl aufstehen wollte, blieb ihr Blick am Blumenstrauß von Onkel Luis hängen. Erstaunt riss sie die Augen auf - vertrocknet lag er auf dem Tisch. Ungläubig streckte sie die Hand aus, um ihn zu berühren: Die Blumen zerfielen zwischen ihren Fingern zu Staub. Sie sah etwas Goldenes auf dem Boden, das bis zur Unkenntlichkeit zerschmolzen war. Als sie es aufhob, war es noch warm. Ihre Hand suchte nach dem Anhänger, den sie um den Hals tragen sollte, doch sie fand ihn nicht. Sie war sich sicher, dass sie die Reste in den Händen hielt. Was zum Teufel war hier losgewesen?

      Ihr Herz begann ängstlich zu pochen. Das alles war doch recht unheimlich. Nic sprang aus dem Stuhl auf und lief ins Haus; ihr Weg führte sie in die Küche. Dort suchte sie nach der Dose, in der der Brief ihrer Großmutter lag. Mit zittrigen Händen holte sie ihn hervor. Tatsächlich, wie von Zauberhand waren dort neue Zeilen hinzugekommen. Sie las:

       Meine liebste Nic, du brauchst dich nicht zu fürchten, die Farm beschützt dich. Aber deine Erfahrungen musst du schon selbst machen. Vergiss nicht, wenn Luis die Farm in die Hände bekommt, wird er nicht nur unsere Tiere im Stall töten. Ich fürchte, du selbst bist in großer Gefahr, du wirst bald die ganze Wahrheit erfahren, bitte warte noch etwas.

      Nachdenklich faltete sie den Brief zusammen und steckte ihn wieder in die Dose zurück. Sie hatte nie an Magie glauben wollen; für Nic gab es immer logische Erklärungen. Hatte sie tatsächlich kleine blaue Flämmchen gesehen? Und wie funktionierte das mit dem Brief, der in der Handschrift ihrer Großmutter Nachrichten für sie hatte? Mit der Hand rieb sie sich über die Stirn - wie, um die ängstlichen Gedanken wegzuwischen. So sehr sie auch überlegte, sie fand dieses Mal einfach keine logische Erklärung. Seufzend stand sie auf und beschloss, über diese Dinge erst einmal nicht nachzudenken. Sie sah auf die Uhr und eilte schnell noch in den Stall, denn die Tiere mussten noch gefüttert werden. Als sie den Stall betrat, standen alle Tiere wie erstarrt und blickten sie unverwandt an. Sogar die Hühner, die wieder aufgetaucht waren, hielten mitten in der Bewegung inne. Nic konnte sich das Verhalten der Tiere nicht erklären. Fassungslos wanderte ihr Blick über die Tiere, und die Tiere standen da und starrten zurück. »Okay, Leute«, sagte sie schließlich, »ich werde die Farm nicht verkaufen. « Als hätten sie verstanden, änderte sich ihr Verhalten schlagartig. Die Schafe zogen sich wieder in ihre Ecke zurück, die Schweine schnüffelten am Trog und quiekten leise, in der Hoffnung, etwas zu fressen zu bekommen. Die Hühner liefen aufgeregt durch den Stall, und die Kuh schloss für einen Moment die Augen. Lediglich der große schwarze Hengst sah sie skeptisch an.

      »Was für einen Quatsch denke ich denn da«, schimpfte Nic laut vor sich hin, »Tiere können nicht

      erleichtert die Augen schließen und auch nicht strafend schauen, denn Tiere können nicht denken,

      basta.« Der Hengst wieherte leise. Nic ging zu ihm und drohte ihm mit dem Finger, doch sie lächelte dabei. »Und wir beide sprechen uns noch - wie kannst du denn nach mir schnappen? «

      Als sie die Tiere versorgt hatte, stapfte sie zurück ins alte Farmhaus, denn sie hatte vor, noch etwas aus- und umzuräumen.

      Stolz schaute sie sich ein paar Stunden später um: die Räume waren sauber, aufgeräumt und wirkten wieder gemütlich. Da ihr Magen immer noch etwas angegriffen schien, verzichtete sie auf ein Abendessen, sie trank lediglich ein Glas Milch. Nic hatte eine Kiste mit Kleinigkeiten, die sie später noch auf den Speicher tragen wollte. Doch es kostete sie Überwindung, die Treppen zum Speicher hochzusteigen. Hier war Großmutter gestorben, doch es half nichts, die Sachen mussten verstaut werden. Das erste, was ihr auffiel, war der Gestank, der ihr entgegenschlug. Der sonst so aufgeräumte Speicher sah chaotisch aus. Nic ging und öffnete das kleine Dachfenster. Dabei war ihr Fuß nur einige Zentimeter von dem toten, zu Staub zerfallenen Pachnoda entfernt. Doch Nic konnte ihn nicht sehen - noch nicht.

      Den Rest des Abends verbrachte sie damit, auf dem Speicher herumzuräumen. Als sie auf die Uhr sah, stellte sie erschrocken fest, dass es schon sehr spät war. Wo hatte sie nur all die Energie herbekommen? Normalerweise läge sie schon längst tiefschlummernd im Bett. Sie fühlte sich zwar müde, doch lange nicht mehr so ausgelaugt wie die letzten Tage. Nic verschloss das Fenster, löschte das Licht und ging zufrieden schlafen.

      Was die ersten Tage schwer und schmerzhaft für sie gewesen war, ging ihr jetzt, durch den geregelten Tagesablauf, leichter und schneller von der Hand, was nicht heißen sollte, dass es nicht anstrengend war.

      Am nächsten Abend klingelte Alois Grisham, der Rechtsanwalt und Notar ihrer Großmutter. Neugierig öffnete Nic die Tür. Vor ihr stand ein kleiner, dürrer, grauhaariger Mann. In seinem schwarzen Anzug sah er eher aus, als würde er in einem Bestattungsinstitut arbeiten. Nic musste ein Lächeln unterdrücken. Als er sich gesetzt hatte, zog er aus seiner Aktentasche ein Bündel Papiere, dann fragte er: »Sind Sie bereit, Fräulein Vielfalt, kann ich das Testament vorlesen? « Mit einem Kloß im Hals konnte sie nur nicken, und so las Alois Grisham:»Ich, Esmeralda Vielfalt, bestimme im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, dass meine Enkelin, Nicoletta Vielfalt, alles, was ich besitze, erben soll. Ich weiß, das Nicoletta die Farm nach ein paar Wochen verkaufen möchte. «

      Nic saß wie vom Donner gerührt - anscheinend hatte Großmutter sie besser gekannt, als sie sich selbst. »Doch ich verfüge, «, las der Notar weiter, »dass Nicoletta ein Jahr auf der Farm leben muss. Sollte sie nach dieser Zeit ihre Meinung nicht geändert haben, darf sie verkaufen. « Nic war etwas entsetzt, sie fragte den Notar: »Wie stellt sie sich das denn vor? Ich werde meinen Job kündigen müssen, wovon soll ich denn leben? Das, was ich so täglich auf dem Hof verkaufe, reicht nicht zum Leben. « Alois Grisham hob die Hand und lächelte. »Stopp, junge Frau, Ihre Großmutter hatte auch noch ein Bankkonto. « Nic verschlug es die Sprache. »Ein Bankkonto? «, würgte sie staunend hervor, woher war das Geld?

      Schweigend schob ihr der Notar einen aktuellen Kontoauszug zu. Nic konnte nur trocken schlucken, als sie den Betrag las: 100,000 Dollar waren auf dem Konto. Was hatte sie da noch dagegenzusetzen, fragte sie sich im Stillen. Ein Jahr ging schnell vorbei, dann konnte sie ja ihr altes Leben wieder aufnehmen. »Also gut«, sagte sie resigniert, »wo soll ich unterschreiben? « Nic dachte plötzlich an ihr Auto, das noch in der Stadt stand. »Könnte ich Sie noch um einen Gefallen bitten? «, fragte sie den Notar. »Würden Sie mich bitte mit in die Stadt nehmen? Ich habe dort meinen Wagen stehenlassen und müsste ihn holen. « »Aber natürlich, Fräulein Nicoletta, es wäre mir eine Freude, Sie mit in die Stadt zu nehmen. « Auf der Fahrt nach Wishek unterhielten sich Grisham und sie kaum, was sie als sehr entspannend empfand. Mit einem festen, warmen Händedruck verabschiedete sich Alois Grisham. Er zwinkerte ihr freundschaftlich zu und meinte: »Das war eine sehr gute Entscheidung. Ich bin mir sicher, Sie werden es nicht bereuen, auf der Farm zu bleiben. «

      Als sie dann endlich wieder auf der Farm ankam, war es schon dunkel geworden. Nic drehte noch schnell ihre Runde durch den Stall und verschloss das Tor. Wie jeden Abend war sie müde, aber es war nicht mehr diese bleierne, lähmende Müdigkeit, die sie in den ersten Tagen gehabt hatte. Nic kochte sich einen Tee und setzte sich an den Küchentisch und überlegte ihre nächsten Schritte. Morgen würde sie ihren Chef anrufen müssen, um zu kündigen. Gott sei Dank hatte sie keine eigene Wohnung, dafür hatte das Geld, das sie verdiente, nicht gereicht. Sie hatte sich nur ein kleines

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