Скачать книгу

aus einander gerichteten, selbst gefälligen

       Thätigkeit in Darstellungen »aus seinem Leben« lehrreich

       und warnend vor die Augen zu führen, und an

       seinem eigenen Beispiele zu zeigen, wie selbst ein

       großes Talent und ein gesundes Naturell in solcher

       Zeit verleitet werden können, die Dichtung ganz in

       das wirkliche Leben herab zu ziehen, und sie zu augenblicklichen

       und bloß persönlichen Zwecken zu

       verbrauchen, so daß sie am Ende, obgleich immer

       ihrer eigenthümlichen hülfreichen Natur gemäß, nur

       als ein »Hausmittel« dienen muß, um über innere

       peinliche Verwickelungen oder kleine moralische

       Verlegenheiten glücklich hinweg zu helfen.

       Daß nun ein solches Zeitalter der Wunderwelt der

       Volkssagen eben nicht günstig gewesen seyn könne,

       läßt sich leicht erachten. Auch hat man darin nicht unterlassen,

       sie bald als kindisch zu verspotten, bald als

       abergläubisch und gefährlich zu verwerfen; und da

       ein, eben dieser Zeit angehöriges, sonst achtbares Bestreben,

       die Zustände des Volks zu verbessern und

       dasselbe an sich heran zu bilden, hinzugekommen ist;

       so hat man vielfältig sogar gesucht, die alten wunderbaren

       Sagen und Mährchen ganz zu verdrängen, und

       an ihre Stelle eine Reihe sogenannter natürlicher und

       vernünftiger, kurz zeitgemäßer Erzählungen unterzuschieben,

       so, daß, wenn es gelungen wäre, in kurzer

       Zeit Nachbar Velten und Vetter Michel die Stellen

       eingenommen haben würden, welche Kaiser Friedrich

       und der Ritter Siegfried so lange glänzend behauptet

       hatten.

       Und in dieser Beschaffenheit der vorletzten Zeit

       liegt nun auch der Hauptgrund, warum die Sagen und

       Mährchen, wie ihre Sammler jetzt häufig klagen,

       unter dem Volke selbst so selten geworden sind. Hernach

       ist die Noth und der Druck der jüngsten Zeit hin-

       zugekommen, und so haben nach und nach die seltsamen

       Wesen und Gestalten der alten Sagenwelt sich

       von der unfreundlichen Wirklichkeit in ihre Wälder,

       Burgen, Klüfte und Höhlen, oder in ihre luftige Heimath

       auf eine Zeitlang zurückziehen müssen.

       Aber sie werden wiederkehren, und die glorreiche

       Zeit, welche uns angebrochen ist, und worin Alles

       ehrwürdig- Alte in erneuerter Form wieder auferstehen

       muß, wird auch sie wieder, und hoffentlich in

       noch besserer und verjüngter Gestalt, zurückführen

       und in ihr altes schönes Recht einsetzen; ja, es ist zu

       erwarten, daß diese Zeit selbst dereinst als der Beginn

       eines neuen würdigen Sagenkreises und einer großen

       nationalen Poesie, von den kommenden Geschlechtern

       werde betrachtet werden.

       Dritte Frage:

       Wie lassen sich die Volkssagen ordnen und

       eintheilen?

       Diese Frage, welche wohl nur von ordnungsliebenden

       Sammlern aufgeworfen werden möchte, läßt sich auf

       mannigfaltige Weise beantworten.

       Volkssagen lassen sich ordnen e i n m a l auf gleiche

       Weise, wie die einzelnen Dichtungsarten selbst

       klassifiziert worden sind, insofern dieß nämlich nicht

       nach der Form der Darstellung, sondern nach der Art

       des Inhalts geschehen ist, und so bekommen wir komische

       und tragische, elegische und satyrische, idyllische

       und epische Sagen; sie lassen sich f e r n e r ordnen

       nach ihrer Heimath, und in dieser Rücksicht giebt

       es allgemein verbreitete Sagen, Sagen einzelner Länder,

       Sagen einzelner Provinzen, und endlich ganz bestimmte

       Local-Sagen; sie lassen sich d r i t t e n s ordnen

       nach den Gestalten, Personen oder Begebenheiten,

       die in ihnen wiederkehrend vorkommen, und auf

       diese Weise haben wir Hühnen-Sagen, Zwerg-Sagen,

       Geister-Sagen, oder auch die Sagen von Karl dem

       Großen, vom Kaiser Friedrich, die Mährchen vom

       Rübezahl u.s.w.; und endlich v i e r t e n s lassen sie

       sich ordnen, – und dieß möchte vielleicht die bequemste

       und beste Art ihrer Eintheilung seyn, – nach der

       ihnen selbst inwohnenden Zeit; und in dieser Rücksicht

       kann man sie füglich in vier Hauptordnungen

       bringen: Es giebt Sagen 1) aus fabelhafter Urwelt, 2)

       aus dunkler Vorwelt, 3) aus späterer historisch erhellter

       Zeit, und 4) die außer aller Beziehung auf irgend

       eine Zeit stehen, und welchen man deshalb zur Unterscheidung

       die Benennung: V o l k s m ä h r c h e n ,

       beilegen könnte, da jene ersteren drei Arten hingegen

       vorzugsweise den Namen der V o l k s s a g e n verdienen

       möchten. Welche von diesen oder anderen ge-

       denkbaren Eintheilungsarten man jedoch annehmen

       wolle, scheint höchst gleichgültig zu seyn, oder wird

       vielmehr von den besondern Zwecken abhangen, um

       welcher willen ihre Sammlungen veranstaltet werden.

       Am besten ist es wohl, sie gar nicht zu ordnen, ihr

       freies, buntes, durch einander geschlungenes Leben,

       durch keine steife Rangordnung zu stören, und dergestalt

       den neu entdeckten oder neu erfundenen immer

       einen ungehinderten Eintritt in die wunderbare alte

       Gesellschaft offen zu erhalten.

       Vierte Frage:

       Welchen Nutzen haben die Volkssagen?

       Wenn man zu Beantwortung dieser Frage zuvörderst

       den Begriff von Nutzen überhaupt erörtert und die

       mancherlei Zwecke berücksichtigt hätte, zu welchen

       die Volkssagen etwa gebraucht werden können; so

       würde man wahrscheinlich finden, daß nach Verschiedenheit

       der Forderungen, welche an sie gemacht werden,

       auch ihr Nutzen höchst verschieden ausfällt.

       Wer sich ihrer gelehrten Absichten, für Historie,

       alte Erdbeschreibung, Kultur- oder Sitten-Geschichte

       und dergl. bedienen wollte, würde schwerlich eine reiche

      

Скачать книгу