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sich ohne

       weiteres zu überlassen, sondern verlangte, auch noch

       darüber hinaus Etwas zu wissen und von den Sagen

       selbst allerhand zu erfahren, so etwa, wie man von

       einem Menschen, der uns gefällt, gern noch mancherlei

       persönliche Dinge zu wissen begehrt, als da sind:

       wie er heiße, woher er komme, was er wolle, wohin er

       gehe, und dergleichen mehr; ein solcher würde wahrscheinlich

       eine Menge Fragen thun, die ihm denn

       doch beantwortet werden müßten.

       Ich will eine solche Antwort auf die natürlichsten

       von diesen Fragen hier, so gut es gehn will, versuchen.

       Vielleicht, daß einige Leser dadurch befriedigt

       werden. Andersdenkende aber mögen ihre abweichenden

       Ansichten daran prüfen, befestigen, oder auch berichtigen.

       Erste Frage:

       Was sind Volkssagen?

       Im Grunde könnte man darunter alle jene Erzählungen

       von verschiedenartigstem Inhalte verstehen, die im

       Munde des Volks leben, und sich dort von der Großmutter

       zum Enkel getreu fortpflanzen. Indessen möchte

       alsdann manches dazu gerechnet werden, was diesen

       Namen eigentlich nicht verdient, als z.B. wirkliche

       historische Anekdoten, eigentliche Mährchen, die

       das Gepräge absichtlicher Erfindung an sich tragen,

       und und endlich, falls sie sich unter dem Volke erhalten

       sollten, jene erdichteten Erzählungen mit moralischer

       Richtung, die man in der neuern Zeit ihm geflissentlich

       in Kalendern, Aufklärungsschriften, Volksbüchern

       und dergleichen, hat in die Hände spielen

       wollen. Echte Volkssagen aber, lassen sich vielleicht

       an folgenden Unterscheidungszeichen erkennen:

       1) sie ruhen auf einem geschichtlichen oder örtlichen

       Grunde; sie beziehen sich entweder auf wirkliche

       historische Personen, Familien und Begebenheiten,

       oder auf bekannte Gegenden und Orte, und bekommen

       eben dadurch einen Schein und Anstrich von

       Wahrheit;

       2) sie enthalten aber auch einen wunderbaren oder

       wenigstens abenteuerlichen Bestandtheil, durch welchen

       jener Anschein von Wahrheit immer wieder zunichte

       gemacht, und ein zweifelhaftes und eben dadurch

       anziehendes Halbdunkel über das Ganze verbreitet

       wird; und endlich

       3) sie haben keine anderen Quellen, als sich selbst;

       sie sind da, sie werden erzählt, sie gefallen, sie reizen,

       aber wer sie erdacht, wer sie zuerst erzählt habe, ist

       unbekannt.

       Und durch dieses alles werden sie nun dasjenige,

       wofür sie eigentlich gehalten werden müssen, nämlich

       der Kreis und Inbegriff der gesammten Volks-Dichtung:

       sie enthalten den Stoff der ganzen National-Poesie,

       und was von dieser überhaupt gilt, das findet auf

       sie ebenfalls Anwendung.

       Wenn wir annehmen, daß wohl jeder Mensch von

       Zeit zu Zeit das Stückwerk seines Daseyns lebhaft

       empfindet, daß er sich bald durch die Noth des Augenblicks,

       bald durch das Dunkel der Zukunft, hier

       durch die eigene Kurzsichtigkeit, dort durch fremde

       Verkehrtheit, immer aber durch ein räthselhaftes Geschick,

       und durch eine unübersehbare und unerforschliche

       Weltordnung gedrückt, gehemmt und beschränkt

       fühlt; so werden wir es sehr begreiflich finden, daß er

       sich auch dann und wann hinaus sehnt aus der Enge

       und Verwirrung dieses Lebens in eine Welt voll erkannten

       Zusammenhanges, wo alle billigen Wünsche

       erfüllt, jede Sehnsucht befriedigt, der Schmerz versöhnt,

       und die Thränen getrocknet werden. Da aber in

       der weiten Wirklichkeit eine solche Welt nicht vorgefunden

       wird, so ist es ebenfalls natürlich, daß der

       Mensch sie sich selbst auferbaut in Träumen, Wünschen,

       Hoffnungen und Ahndungen. Und so entsteht

       ihm dann jene wunderbare Welt der Dichtungen,

       wohin der Geist so gern sich flüchtet aus den kleinlichen

       und drückenden Verwicklungen des alltäglichen

       Lebens, und worin er nicht sowohl wirklichen Ersatz

       für den Druck des Lebens, als vielmehr nur ein tröstliches

       Bild und eine Bürgschaft finden will von einer

       zusammenhängenden, weisen und gerechten Ordnung

       der Dinge. Damit aber die solchergestalt erschaffene

       Welt nicht bloß als ein Reich phantastischer Gebilde

       erscheine, so knüpft er sie gern mit festen Banden an

       die Wirklichkeit fest. Bekannte Gegenden und Orte

       müssen den Hintergrund bilden, geschichtliche Personen

       geben ihre Namen her, oder wahre Begebenheiten

       werden auf irgend eine Weise hinein verflochten; und

       wie die meisten Menschen gerne ihrer Jugend gedenken,

       sie als eine Zeit des Glückes und der Zufriedenheit

       sich vorzustellen pflegen, und so aus der Erinnerung

       einer besseren Vergangenheit Erheiterung und

       Trost in der Gegenwart hernehmen mögen, so werden

       auch jene Dichtungen am liebsten in eine frühere, oft

       dunkle, aber immer als glücklicher gepriesene Vorzeit

       verlegt. Endlich aber werden ungewöhnliche und

       abenteuerliche Verhältnisse und wunderbare Wesen

       und Gestalten hineingewebt, theils als Reiz und Spiel

       der Einbildungskraft, theils als Zeugniß von dem in

       der menschlichen Seele tief gegründeten Glauben an

       einen unergründlichen Weltzusammenhang, theils

       endlich als immerwährende Erinnerung, daß das

       Ganze doch nur menschliche Erfindung und Spiel sey.

       Und auf diese Weise bildet sich die Poesie überall

       und zu allen Zeiten. Ihre Quelle ist die im menschlichen

       Gemüthe gegründete unverwüstliche Sehnsucht

       nach einem glücklichen, vollkommenen und befriedigenden

       Zustande, und sie selbst erscheint zugleich als

       Spiegel und als Gegensatz der Wirklichkeit, als bedeutsames

       Bild einer wünschenswerthen Weltordnung

      

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