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menschlichen Seele, aus der in jedem Gemüthe wohnenden

       Sehnsucht nach Freude, Freiheit, Ordnung,

       Licht und Recht; und sie sind überall zu Hause, wo

       Menschen denken, betrachten, empfinden und gesellig

       leben. Sie entstehen wie von selbst, sie verändern, sie

       erneuern sich, und wenn nicht Dichter, Chroniken-

       Schreiber oder Sammler sie für längere Zeit festhalten

       und aufbewahren, verschwinden sie auch wieder, wie

       von selbst und oftmals ohne Spur; wie denn, zum Beweise

       dieser Behauptung, von dem ganzen großen Sagenkreise

       altdeutscher Vorzeit außer den wenigen

       Bruchstücken, die uns alte Gesänge und das Heldenbuch

       bewahrt haben, wohl nur wenige oder gar keine

       Ueberbleibsel in lebendiger Ueberlieferung mehr gefunden

       werden möchten.

       Was es jedoch mit den einzelnen noch vorhandenen

       Sagen für eine Bewandniß habe; welchen geschichtlichen,

       örtlichen oder anderweitigen Veranlassungen

       sie ihre Entstehung verdanken mögen; wann und wo

       sie zuerst erfunden seyn können; in welcher Verbindung

       die Sagen einzelner Provinzen und ganzer Länder

       mit einander stehen, wie sie gewandert, verändert

       und umgestaltet sind; wie weit die Erzählungen von

       bestimmten fabelhaften Wesen und Personen reichen

       u.s.w., dieß alles sind Fragen, welche von Wißbegierigen

       leicht aufgeworfen werden können, und deren

       Beantwortung schon an andern Orten und namentlich

       in den »Volkssagen von Nachtigall in Halberstadt«

       ausführlich und geistreich versucht worden ist. Auf

       jeden Fall aber bleibt es ausgemacht, und erhellet

       auch zur Genüge aus dem oben Gesagten, daß die

       ganze Geschichte eines Volks, seine Abstammung,

       Wanderungen und Schicksale, ferner die verschiede-

       nen Zustände von Rohheit und steigender Ausbildung,

       seine Verfassung, Sitten, Religion, Regierungsart,

       das Klima und die Beschaffenheit seiner Wohnsitze,

       seine Armuth oder Wohlhabenheit, und endlich

       seine Bedürfnisse, Ansprüche und Wünsche auch auf

       die Sagen desselben den mannigfaltigsten und bestimmtesten

       Einfluß werden äußern müssen, und daß

       daher ein scharfsichtiger Beobachter und aufmerksamer

       Prüfer auch umgekehrt aus Inhalt, Art, Ton, und

       Farbe der einzelnen Sagen treffende Rückschlüsse auf

       Zeit, Ort, und Veranlassung ihrer Entstehung wird

       machen können. Es ist begreiflich, daß die Mythen roherer

       Völker auch ein wilderes, kriegerisches, aber

       mehr wunderbares und religiöses Gepräge zeigen werden,

       daß die Sagen südlicher Nationen freundlicher,

       reicher, üppiger und sinnlicher, die der nördlichen

       hingegen düsterer, trüber und ahndungsvoller erscheinen

       müssen; daß unter freien, glücklichen und wohlhabenden

       Völkern auch die Mährchen heiterer und

       scherzhafter, bei ärmeren und gedrückteren aber trauriger,

       klagender und mißmuthiger seyn werden; daß

       ferner gebirgige Gegenden deren mehr und mannigfaltiger

       besitzen müssen als das ebene Land, und endlich,

       daß es, wie schon mehrmals bemerkt worden ist,

       vor allen Dingen die Zeit sey mit ihren Veränderungen

       und Fortschritten, mit ihren religiösen und politischen

       Reformen und Umwälzungen, vorzüglich aber

       mit ihren Ansichten und Ansprüchen, Wünschen und

       Hoffnungen, welche entscheidend auf dieselben werde

       gewirkt haben. –

       Wenn es nun aber eine Zeit gäbe, oder gegeben

       hätte, in welcher die Menschen sich gar wohl und behaglich

       gefühlt hätten, worin sie mit ihren friedlichen

       und glücklichen Lagen und Verhältnissen, hauptsächlich

       aber mit dem Zustande ihrer Bildung, mit ihrer

       Einsicht, ihrer Weisheit, ihren Empfindungen und Urtheilen

       höchlich zufrieden gewesen wären, welche sie

       selbst als eine vortreffliche und überlegene Zeit zu betrachten

       und zu preisen sich nicht hätten erwehren

       können, und von welcher aus sie die verflossenen Zeiten

       nicht bloß zu eigener Genugthuung vornehm betrachtet,

       sondern auch deren Thaten, Arbeiten und Bestrebungen

       einer neuen Prüfung und verständigen

       Sichtung zu unterwerfen für nöthig erachtet hätten, so

       würde eine solche Zeit begreiflicher Weise der Poesie

       eben nicht günstig gewesen seyn. Wozu hätte sie auch

       in ihrer eigenen Vortrefflichkeit diesen schöneren Gegensatz

       einer unvollkommenen Wirklichkeit, dieses

       erfreuliche Bild eines besseren Lebens, diese hülfreiche

       und tröstenden Begleiterin des beschränkten Daseyns

       eben gebrauchen können. Wenn sie aber dennoch

       der Poesie, als einer angenehmen Zugabe, eines

       herkömmlichen Luxus des Lebens, etwa zur Uebung

       des Urtheils und Witzes, oder zu gelegentlicher Er-

       wärmung der Empfindung nicht ganz hätte entbehren

       wollen; so würde sie doch gewiß nicht unterlassen

       haben, derselben eine neue angemessene Richtung zu

       ertheilen. Sie würde also zuvörderst das Alterthümliche

       und hauptsächlich alles Wunderbare daraus verbannt,

       und sie sodann angewiesen haben, sich in allen

       Stücken, so viel wie möglich, an die wirklichen Zustände

       des Lebens, an die sogenannte Natur und

       Wahrheit zu halten, und sich in Form und Inhalt einer

       getreuen Nachahmung derselben zu befleißigen,

       indem es ja nur darauf abgesehen sey, durch die erdichteten

       Darstellungen zu einer recht täuschenden,

       schnellen und vielseitigen Berührung mit der geliebten

       Wirklichkeit zu gelangen.

       Wir kennen sie; und haben sie zum Theil erlebt,

       eine solche eigenliebige, an sich selbst verschwendete

       und zersplitterte Zeit, und ein großer Meister hat es

       übernommen, uns das Bild derselben und ihrer buntscheckigen,

      

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