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      Kapitel 9 Wiedersehen mit alten Bekannten

      Mit hängenden Schultern und gesenktem Blick bahnte sich Finn einen Weg durch das geschäftige Treiben, das zur Mittagszeit auf der Haupthandelsstraße herrschte. Zwar kam er hier nur schlecht voran, doch es war der beste und einfachste Weg aus der Stadt. Plötzlich rempelte ihn ein Mann an, der Finn ärgerlich anfuhr, >> Hey Junge, pass auf wo du hinläufst! << Finn wies die Anklage nicht zurück, nahm es hin und setzte seinen Weg durch das Gedränge fort. Seit seiner Niederlage fühlte er sich niedergeschlagen und einsam, alles war ihm gleichgültig. Warum sollte er sich noch dagegen stellen? Das Leid und die Angst, dass er überall erkennen konnte, bestätigte nur seine Entscheidung, die Stadt zu verlassen. Die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit drücke auf das Gemüt der Menschen und er wollte diese Last nur noch loswerden und ihr entfliehen.

      Wieder passierte er eine Bettlerin mit drei Kindern, die ein paar verrostete Münzen in ihrem kaputten Becher liegen hatte. Als sie ihn flehend ansah, gab er ihr ein paar Münzen von seinem Geld. Er wusste, dass er sparsam sein musste, aber mit drei Kindern an ihrer Seite hatte diese Frau eine harte Zeit vor sich.

      Als er seinen Weg fortsetzte, nahm er Gesprächsfetzen zweier Bauern auf, die im Umland arbeiteten und die Stadt mit Nahrung versorgten. Auch sie waren voller Sorge; Es sollte ein richtig harter und kalter Winter werden, der vor der Tür stand. Zudem waren ihre Felder noch immer nicht abgeerntet, da sie sich keine Helfer leisten konnten. Zu allem Überfluss war wohl ein anderer Getreidebauer spurlos verschwunden und sein Feld ebenfalls noch nicht abgeerntet. Dies war nur eins von vielen Problemen, die er auf seinem Weg bereits unzählige Male gehört hatte. Dementsprechend waren die Preise für Brot auch gestiegen und würden im Winter weiter in die Höhe schießen. Doch die meisten Bewohner der Stadt waren bereits mager und blickten gierig auf die frische Ware, die sicher hinter Schaufenstern angeboten wurde.

      Doch über all dem Hunger, dem Leid und der Verzweiflung, die in der Stadt herrschten, lag noch etwas anderes. Die Angst vor den Dunklen. Er konnte die Leute beobachten, wie sie eilig und teilweise schon gehetzt ihren Besorgungen und Arbeiten nachgingen, bevor die Nacht aufs Neue hereinbrach, zusammen mit Tyrannus Schergen. Wer zufällig einen Bekannten traf, grüßte schnell und wandte sich dann wieder seiner Aufgabe zu. Zeit für Unterhaltungen hatten die Menschen nicht.

      Auch viele Geschäfte schlossen schon vor Sonnenuntergang ihre Pforten und verrammelten teilweise ihre Fenster und Läden, sodass sie sich sicher in ihren Häusern und Hütten fühlten. Finn wusste, dass diese lächerlichen Maßnahmen die Dunklen nicht von einem Eindringen abhalten würden, aber er ließ den Leuten ihre Illusion. Was hätte er auch sonst tun können? Das letzte bisschen Hoffnung und Sicherheit, was manche noch in sich trugen, wollte er ihnen nicht nehmen.

      Finn konnte dies alles nicht mehr ertragen, er wollte einfach nur noch raus aus Salyach. Die Stadt nahm ihm die Luft zum Atmen, er fühlte, wie sie ihn packte und zu erdrücken drohte, sodass nichts mehr von ihm übrig blieb. In seinen Augen war die gesamte Stadt wie eine Schlange, die ihren eisernen Würgegriff um alles Gute gelegt hatte, was es hier noch gab. Doch er würde sich endgültig von ihr befreien, das hoffte er zumindest.

      Er beschleunigte seine Schritte, als die Läden und die Häuser am Straßenrand in immer größeren Abständen auftraten. Bald war er endlich raus aus der Stadt. Aber auch an der Stadtgrenze, wo weniger Betrieb herrschte, bot sich ihm das gleiche Bild wie im Zentrum. Hier drückte ebenfalls die Hoffnungslosigkeit die Menschen nieder, zwang sie in die Knie und ließ sie alles andere vergessen. Die Sorgen nahmen überhand und das Lebenswerte vergaßen die Leute. Auch er war einer von ihnen gewesen, doch das hatte sich jetzt geändert.

      Einige Zeit später verschwanden auch die letzten Häuser und Hütten und wichen den bestellten Feldern, die rund um die Stadt angelegt worden waren. Mit einem Mal fühlte sich Finn frei. Es tat gut, alleine zu sein, keine Sorgen und Ängste mit sich herum zu schleppen. Die Last viel von ihm ab, wie ein Sack voller Steine, den er scheinbar den ganzen Weg auf seinen Schultern getragen hatte. Nun musste er sich um nichts mehr kümmern, seine Pflichten und Aufgaben waren wie weggeblasen, genau wie seine Sorgen und Ängste. Er konnte sein Glück kaum fassen und lachte laut auf, als er mit federndem Schritt seinen Weg fortsetzte. Bisher hatte er kaum die Stadt verlassen. Es hatte nie wirklich einen Grund dafür gegeben, nur das ein oder andere Mal hatte sein Vater darauf bestanden, ihm das Umland von Salyach zu zeigen.

      Hier zwischen dem mannshohen Getreide fühlte er, wie sich seine Stimmung aufhellte und mit neuer Energie setzte er seinen Weg fort. Kurz überlegte er, einen Blick zurück auf die Stadt zu werfen, ließ es aber dann doch bleiben. Er wollte ein neues Kapitel im seinem Leben aufschlagen, da waren alte Erinnerungen nur belastend.

      Immer weiter trugen ihn seine Füße durch die monotone Landschaft aus bestellten Feldern und dennoch bewunderte Finn die Schönheit des Getreides und der Natur, die in der Stadt nicht vorhanden war. In der Ferne am Rand der Felder konnte er kleine Hütten ausmachen, die meist neben großen Windmühlen standen, die sich immerzu drehten. Es war Erntezeit und anders als in der Stadt schufteten die Bauern hier draußen Tag und Nacht, um den Ertrag rechtzeitig von den Feldern zu holen. Er hatte beabsichtigt, einen Bauern nach einer Unterkunft für die Nacht zu fragen und er war zuversichtlich, dass ihn schon irgendwer aufnehmen würde.

      Immer noch war er auf der Haupthandelsstraße, die hier jedoch schmaler und unbefestigt war. Hier trieben sich nur wenige Menschen auf der Straße herum, nur ab und zu begegneten ihm ein paar Feldarbeiter, die auf dem Rückweg in die Stadt waren. Sie grüßten nicht, als sich ihre Wege kreuzten und Finn erkannte, dass auch sie vor Einbruch der Nacht zurück in ihren Häusern sein wollten, in denen sie sich sicher fühlten. Jeder von ihnen hatte seine eigenen Sorgen, was kümmerte sie da schon ein verwaister Junge?

      Finn war das nur Recht, er wollte so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf sich ziehen. Langsam wurde es spät und es dämmerte bereits, als er am Horizont die ersten Ausläufer des Wolkengebirges erkennen konnte. Um dieses Gebirge, das die Einöde des Landes Warrawick und den Wald der Illusionen trennte, rankten sich viele Mysterien und Legenden, doch Finn war nicht auf weitere Abenteuer aus. Er wollte nur weg von der Stadt, hatte kein bestimmtes Ziel vor Augen und wollte dort nächtigen, wo er sich gerade aufhielt. Weiter hatte er noch nicht gedacht, also würde er spontan entscheiden, wohin sein Weg führte, wenn es soweit war. Zudem war er jetzt sehr flexibel, da er nur das Nötigste eingepackt hatte, dass er bei seinem überstürztem Aufbruch gefunden hatte. Sein Schwert, das Geld, welches er von Nahiri bekommen und seine wenigen privaten Sachen, die er mit zu den Widerständlern genommen hatte, lagen gut verstaut in seinem Bündel. Zudem hatte er noch ein paar Kleinigkeiten eingepackt, die ihm das Leben erleichtern würden. Darunter waren eine Handvoll Fackeln, ein Wasserschlauch und ein Laib Brot, den er sich noch in der Stadt erworben hatte. Die Sonne war bereits zur Hälfte hinter dem Gebirge verschwunden, als Finn sich nach einer Unterkunft umsah. Die Kälte kroch in seine Glieder und ungeduldig lief er weiter die Straße entlang, bis er einen kleinen Feldweg fand, der sich bis zu einer Hütte mit angrenzender Mühle schlängelte. Finn bemerkte in seiner Eile jedoch nicht, dass die Windräder der Mühle im Gegensatz zu den Anderen still standen und sich nichts im Haus regte.

      Ungeduldig lief Darian im Schlafsaal der Widerständler auf und ab. Noch immer verweilte Lucias und Sadalons Gruppe hier im Hauptquartier, erst am Abend im Schutz der Dunkelheit wollten sie zu dem Anwesen aufbrechen, um seine Mutter zu befreien. Auch sorgte er sich immer noch um Finn, der nach seinem verlorenen Kampf Hals über Kopf aufgebrochen war. Er hoffte nur, dass sein Freund eine sichere Unterkunft gefunden hatte und Nahiri gut auf ihn achtete. Julius, der während des gesamten Tages nicht von seiner Seite gewichen war, versuchte ihn ein weiteres Mal zu beruhigen, >> Darian, Lucia weiß, was sie tut, bald ist deine Mutter vor den Dunklen in Sicherheit. Sie werden sie bestimmt ohne Schwierigkeiten befreien können. << Und als ob er seine Gedanken gelesen hatte, fügte er hinzu, >> Und auch Finn wird es sicherlich gut gehen. Außerdem ist Nahiri immer in seiner Nähe. Er wird schon bald wieder zur Besinnung kommen. Auch in diesem Punkt wird Lucia Recht behalten. <<

      Darian hob hilflos seine Arme, >> Ich werde mir solange Sorgen machen, bis beide wieder gesund hier im Hauptquartier sind. Außerdem bin ich mir bei Finn nicht so sicher. Lucia meinte, er würde nur

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