Скачать книгу

und holte zwei Gläser hervor, die sie den Piloten strahlend hinhielt, als ob es ein Geschenk wäre. "Bitte vollmachen, ja?"

      Daraufhin wedelte sie erneut mit der Hand, was wohl bedeuten sollte, dass die beiden gehen sollten. Mit ihren Gedanken schien die Deutsche bereits wieder ganz woanders zu sein. Sie murmelte irgend etwas vor sich hin und setzte sich wieder hinter ihren Schreibtisch, der überquoll von Büchern und Stapeln von irgendwelchen Krankenakten und sonstigen Unterlagen. Ordnung schien nicht so ihr Ding zu sein.

      Wie Lakaien standen Laura und Ferry da, die Pipi-Gläser in den Händen und schauten sich fragend an. Anscheinend wollte ihnen niemand erzählen, was eigentlich los war. Laura zuckte mit den Schultern und steuerte die Tür zu den Waschräumen an; Ferry holte sie mit wenigen Schritten ein.

      "Was sollte das heissen, "ich will wissen, ob sie es sind"? Meinst du, Paris hält uns für Graue, die sich als wir verkleidet haben, oder was?", fragte er im Flüsterton. Es gab keinen Grund zu flüstern, denn die Krankenstation war leer, aber er wollte auf Nummer sicher gehen. Laura blieb stehen und schaute ihn an.

      "Ich habe keine Ahnung! Ich verstehe gar nichts mehr im Moment! Ausser Master Susan scheinen alle komplett durchgedreht zu sein… Na ja, Klara scheint nicht viel anders als sonst, aber sie ist immer ein bisschen sonderbar… Doch auch sie scheint mehr zu wissen, als sie uns sagen will. Und Paris? Dass er sauer sein wird, war anzunehmen, aber dass er gleich so blöd tut, finde ich die Höhe! Keine Freude, uns wiederzusehen! ¡Nada! Nichts!"

      Wütend schüttelte sie den Kopf und warf ihre Haare über die Schulter, wie nur sie es konnte.

      Doch dann wurde er wieder ernst. Auch er war sauer. Immerhin hatte Paris ihn persönlich auf diese Mission geschickt und Ferry konnte schliesslich nichts dafür, dass es ein paar Tage gedauert hatte! Damit hatte man rechnen müssen. Dass sie beide heil und wohlbehalten zurück waren, musste doch eigentlich als voller Erfolg der Mission gewertet werden? Was also hatte Paris ihm vorzuwerfen? Wütend starrte er auf den Probenbecher in seiner Hand.

      "Pipi-Probe!", motzte er. "Was glauben die eigentlich? Dass wir einen Grau-Virus einschleppen, oder was? So was hab ich noch nie erlebt. Frechheit!"

      "Mir egal. Ich freu' mich jetzt auf eine lange, heisse Dusche... Danach können sie von mir aus untersuchen, was sie wollen. Ich bin sowieso Geschichte in dieser Truppe! Dass Paris mich rauswirft, ist ja wohl klar…", entgegnete Laura und trat in einen der Waschräume ein.

      Ferry starrte noch einen Moment lang das Glas in seiner Hand an, als ob es ihm Antworten liefern könnte, doch das konnte es nicht. Also trat er schweigend in die benachbarte Kabine ein. Er zog die schmutzige Uniform aus und öffnete durch Drücken einer Kachel seinen Spind. Wie jeder Raum waren auch die Waschräume eigentlich Toiletten. Ergo boten sie auch alle Annehmlichkeiten einer Toilette, zum Beispiel eine neue, saubere Uniform im Spind. Er holte sie heraus, hängte sie an einen Haken an der Wand und warf die schmutzige hinein, nachdem er die Taschen geleert hatte. Er holte auch gleich ein frisches Glarnertüchlein heraus, ein schwarzes. Er würde Paris zeigen, dass er echt und noch der Alte war!

      Er griff hinter den Stapel mit Tüchlein und holte Rasierzeug, Zahnbürste und Zahnpasta hervor: die Toilette hatte an alles gedacht und alles bereitgestellt. Ferry fand sogar einen Bartschneider. Das war neu! Wollte das System ihm etwas sagen? Sollte er sich einen Bart stehen lassen? Er schaute sich im Spiegel an. Er hatte immer einen starken Bartwuchs gehabt und als er losgeflogen war nach Atlantis, hatte er schon einen Dreitagebart gehabt. Dieser hatte sich über die rund zehn Tage zu einem echten Vollbart entwickelt; Ferry fand, dass er wie der Räuber Hotzenplotz persönlich aussah… Sorgfältig stutzte er den Bart mit dem Trimmer, doch er fand, dass es irgendwie nicht sein Stil war… Also seifte er sich ein und begann mit der Nassrasur. Er begann immer bei den Kotletten und arbeitete sich zum Kinn vor. Doch diesmal liess er Kinn und Oberlippe aus. Vielleicht war das sein Stil? Er wischte den Schaum um die Mundpartie weg und betrachtete sein Spiegelbild: dieses präsentierte einen Oberlippenbart, der sich um die Mundwinkel herum zog und in ein Kinnbärtchen überging, alles schön kurz geschoren, nur etwas mehr als ein Dreitagebart.

      Ferry fand, dass sein Spiegelbild irgendwie fremd aussah, aber irgendwie auch chic… Gepflegt und männlich. Er bemerkte, dass in der Kinnpartie schon einige silbrige Stellen waren, doch das störte ihn nicht; er war so alt, wie er war, dagegen konnte man nichts machen. Ein Mann im besten Alter, wie man so schön sagte... Ja, das Bärtchen gefiel ihm! Er würde es stehen lassen; er war neugierig, was Laura dazu sagen würde.

      Anschliessend putzte er sich die Zähne, machte das Probenglas voll und stellte sich unter die Dusche. Es tat unendlich gut, nach all diesen Tagen wieder eine heisse Dusche nehmen zu können! Laura hatte recht gehabt: nach dieser entspannenden Wohltat fühlte er sich gleich besser. Seine Wut war verflogen und er fühlte sich frisch und voller Tatendrang. Nun würde er herausfinden, was hier los war!

      Er zog die frische Uniform an, band sein Halstüchlein um und betrachtete sich noch einmal im Spiegel: Fertig, ready for battle!

      Er nahm den Becher mit der Urinprobe und trat hinaus. Im selben Moment öffnete sich die Tür neben ihm; Laura war auch fertig. Sie war noch immer bleich, aber ihre Bäckchen hatten einen sanften rosa Schimmer von der heissen Dusche bekommen. Wie immer sah sie aus, wie aus dem Ei gepellt, modelverdächtig. Sie schaute ihn an und warf die wallenden Haare über die Schulter. Gott, war diese Frau sexy! Ferry schoss es durch den Kopf, dass sie vielleicht eins der Krankenbetten zweckentfremden könnten, doch er verwarf den Gedanken schnell wieder. Er wollte nicht, dass die Frau Doktor sie beim Geschlechtsakt erwischte. Laura hatte den Kopf leicht zur Seite geneigt und studierte sein Gesicht. Oh... Das Bärtchen!

      "Na, hat die Dusche gut getan?", begann er. Lauras Scanner-Blick war ihm unangenehm.

      "Hmmm.", machte Laura; sie studierte noch immer sein Gesicht… Sie kniff die Augen zusammen und runzelte die Stirn.

      "Wollen wir? Die Höhle des Löwen wartet…", versuchte Ferry sich aus der Situation zu befreien.

      "Okay.", kam es zurück. Diesmal war es an Ferry, seine Partnerin fragend anzuschauen.

      "Ist okay.", erklärte sie, "Das Bärtchen… Ich muss mich noch dran gewöhnen, aber es ist okay. Es steht dir! Macht dich irgendwie… reifer? Passt zu dir... Lass uns gehen, ich will das alles so schnell wie möglich hinter mich bringen!" Damit ging sie mit energischen Schritten in Richtung der Tür, die zum Untersuchungszimmer führte.

      * * *

      Ferry war als erster drangekommen bei Doktor Klara und nach einer Weile war ihr Assistent Gian dazugekommen und hatte sich weiter um ihn gekümmert, während Klara mit der Untersuchung von Laura begonnen hatte. Nun wartete Ferry in der Kaffeeküche des Hauptquartiers auf Laura.

      Die Untersuchungen hatten ganz schön gedauert. Sie waren einen schier endlosen Fragebogen durchgegangen: was er gegessen hatte, was er getrunken hatte, ob er sich gut fühle, Krankheitssymptome, Verletzungen aus dem Gefecht mit den Grauen, und so weiter. Röntgen, Blutprobe, Abklopfen, Leistungs-EKG, das volle Programm! Zum guten Schluss hatte es sogar noch eine Tetanus-Impfung gegeben, scheinbar eine Anweisung von Paris... Ferry fasste sich an den Oberarm, wo die Impfung gesetzt worden war. Scheisskerl! Tetanus-Spritzen taten immer weh, mehrere Tage lang. Und in Ferrys Fall war die Spritze total unnötig, weil er erst vor kurzem eine Auffrischung bekommen hatte, als er sich in der Küche seines Bistros geschnitten hatte und den Schnitt mit ein paar Stichen hatte nähen lassen müssen! Doch Gian war hart geblieben, Anweisung sei Anweisung, hatte er lapidar gemeint. Ferry rubbelte den Oberarm, doch der Schmerz würde davon nicht weggehen, das wusste er. Einen Vitamin-Mineralien-Cocktail hatte der Assistenzarzt ihm auch noch gespritzt, doch dieser schmerzte überhaupt nicht.

      Commander Black ging hinüber zu der vollautomatischen Kaffeemaschine. Es war ihm schleierhaft, wie das Corps es geschafft hatte, der Toilette eine so tolle Kaffeemaschine zu entlocken, doch für den Moment war es ihm egal: er war ein Kaffee-Junkie und seit vielen Tagen auf Entzug! Also genoss Ferry ganz einfach die Tatsache, dass er tollen Kaffee auf Knopfdruck haben konnte; er liess sich seinen vierten Espresso heraus, gab Zucker dazu und schlürfte das heisse Getränk genüsslich. Laura würde mit ihm schimpfen, wenn sie ihn so schlürfen hörte, aber sie war ja nicht

Скачать книгу