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      Ferry starrte seinen Vorgesetzten an, ohne sich zu rühren. Paris starrte kalt zurück. Seine Augen verrieten nichts, sie schienen wie versteinert. Innerlich zählte Ferry bis Zehn, um sich zu beruhigen. Er hatte nicht vor, einen Aufstand zu veranstalten, doch Paris' Verhalten ging ihm massiv gegen den Strich. Er liess seinen Kopf nach links und nach rechts fallen und die Gelenkkapseln knackten geräuschvoll. Dann atmete er tief durch, streckte sich und sah zu Laura hinüber. Sie machte einen Schmollmund wie ein Kind, das sein Spielzeug nicht hergeben will. In ihren zusammengekniffenen Augen las er, dass es ihr genauso ging wie ihm. Sie schielte zu ihm herüber, wohl um zu sehen, wie er sich verhielt. Fast unmerklich nickte er ihr zu; dann griff er langsam an sein Holster, löste den Halteriemen und zog die Waffe mit zwei Fingern heraus. Sein Blick war ebenso eisig wie der von Paris, als er ihm die Waffe hinhielt.

      Aus den Augenwinkeln gewahrte er, dass auch Laura die Waffe aus dem Holster geholt hatte. Einen Moment lang hielt sie sie feuerbereit in der Hand und die Griffschalen leuchteten auf: der Handlinien-Scan hatte sie als Besitzerin der Waffe identifiziert und die Waffe scharf geschaltet! Paris zog eine Augenbraue hoch, verharrte jedoch unbeweglich. Mit der anderen Hand griff Laura den Lauf der Waffe und hielt sie Paris mit dem Griff voran hin. Ihr Blick hatte etwas Drohendes. Scheinbar ungerührt nahm Paris die Waffe an sich und steckte sie zu Ferrys Waffe in seinen Gürtel. Wortlos drehte er sich um, öffnete die Tür und trat hinaus. Sie folgten ihm ins Hauptquartier.

      Die Köpfe aller anwesenden Mitarbeiter drehten sich zu ihnen um, einige standen auf, jemand klatschte. Ferry kannte einige der Anwesenden von früher: in ihren Gesichtern las er Freude und Überraschung. Andere Gesichter zeigten nur blankes Staunen. Das Klatschen erstarb. Paris hatte eine so finstere Miene aufgesetzt, dass alle sich bemühten, schnell wieder an ihre Arbeit zu kommen.

      "Laura! Ferry! Welcome back!", schrie eine Stimme zu ihrer Rechten. Sie erkannten Master Susan, die Kanadierin, die mit weit ausgebreiteten Armen aus ihrem Büro gestürmt kam. Sie strahlte und schien ausser sich vor Freude. Immerhin, dachte Ferry, wenigstens eine Person, die sich zu freuen schien, dass sie zurück waren. Susan hatte sie erreicht und fiel Laura um den Hals und drückte sie fest. Auch Laura schien froh zu sein, dass sich jemand mit ihnen freute und erwiderte die Umarmung. Tränen liefen über ihre Wangen und sie vergrub ihr Gesicht in der Schulter der älteren Frau. Susan tätschelte ihr sanft den Rücken und warf Paris einen vorwurfsvollen Blick zu.

      "It's okay, you're safe now! I am so glad to see you!", flüsterte sie Laura zu. Paris räusperte sich. Nach einem kurzen Moment löste Master Susan die Umarmung, hielt Laura auf Armeslänge und betrachtete sie eingehend von oben bis unten, wohl um zu sehen, ob es ihr wirklich gut ging. Ihre Stirn kräuselte sich kurz, als sie das aufgeschnittene Hosenbein von Lauras Uniform sah. Ferry hatte es aufschneiden müssen, um sich um ihr gebrochenes Bein kümmern zu können. Master Susan schien sich ihre eigenen Gedanken darüber zu machen, sagte jedoch nichts. Wieder strahlte sie Laura an und strich sanft die Tränen von deren Wangen. Wieder räusperte sich Paris, doch Susan ignorierte ihn. Sie war die Leiterin der Kommandozentrale und sie konnte hier tun und lassen, was sie wollte; der Chef der Streitkräfte war hier nur geduldeter Gast und das liess sie ihn mit einem warnenden Blick wissen. Dann wandte sie sich Ferry zu. Erst legte sie ihm ihre Hand auf die Schulter und drückte sie leicht. Sie musterte ihn - wie zuvor Laura - mit prüfendem Blick. Ferrys Ohren begannen zu glühen; er wurde sich bewusst, dass er vermutlich schrecklich aussah. Unrasiert und schmutzig, wie einer, der aus der Wildnis kam! Was ja auch stimmte... Doch Master Susan schien zufrieden mit dem, was sie sah. Sie zog auch ihn in eine feste Umarmung und drückte ihn. Sie hatte mehr Kraft, als man von einer Dame erwarten würde, die um die Siebzig sein musste.

      "Welcome back, Ferry. It's been too long!", sagte sie. Er konnte echte Freude und Mitgefühl in ihrer Stimme hören. Er hatte immer einen guten Draht zur Chefin von Central Command gehabt, als er noch aktiver Commander gewesen war.

      "It's good to be back. Good to see you, Susan.", flüsterte er zurück. Wie immer liess er ihren Rang weg, wie er das bei allen Mitgliedern des Corps tat. Es mangelte ihm nicht an Respekt für Vorgesetzte, doch er betrachtete die Leute lieber als Menschen, als Freunde, denn als Funktionsträger. Auf der anderen Seite hatte er auch nie verlangt, dass man ihn mit seinem Titel ansprach.

      "Susan!", bellte Paris. Er schien Mühe zu haben, sich beherrschen zu können. Wäre er nicht so schwarz gewesen, hätte man wahrscheinlich gut sehen können, dass er vor Wut rot angelaufen war.

      Master Susan liess Ferry mit einem Seufzer los und lächelte ihn aufmunternd an. Sie sah von ihm zu Laura und dann zurück zu ihm. Ein Funkeln trat in ihre Augen; sie schien zu wissen, dass die beiden wieder zusammen waren und es schien ihr zu gefallen. Erneut lächelte sie und nickte den beiden kurz zu.

      "I let you go with your grumpy boss now. We'll talk later. It's good to have you two back!" Sie drehte sich zu Paris um und bedachte ihn mit einem wütenden Blick, dann stolzierte sie an ihm vorbei, zurück in ihr Büro. Paris durchbohrte sie mit einem ebenso wütenden Blick von hinten, bis sie verschwunden war. Dann wandte er sich den Rückkehrern zu.

      "Mitkommen!", knurrte er. Er steuerte auf den Durchgang zu, der neben den Büros lag und aus der Kommandozentrale führte. Hinter dem Durchgang lagen das Lazarett, Laboratorien, die Mannschaftsküche und die Aufenthaltsräume für die Squad on Duty, die Pikett-Staffel.

      Mit einem unterdrückten Seufzer setzten sie sich in Bewegung, um ihrem Vorgesetzten zu folgen. Die herzliche Begrüssung von Susan hatte gut getan, doch jetzt schien wieder eine Eiszeit über sie hereinzubrechen.

      Paris steuerte schnurstracks auf die Krankenstation zu. Ohne zu klopfen trat er ein; Laura und Ferry folgten ihm. Klara, die Chefärztin des Corps, war erschrocken aufgesprungen und schaute die drei mit grossen Augen an. Die Ärztin schien einen Moment zu brauchen, bis sie die beiden Piloten erkannte, doch dann trat ein breites Lächeln auf ihr Gesicht.

      "Hallo! Da seid ihr ja! Schön.", strahlte sie. Ohne sich von seiner grimmigen Miene beeindrucken zu lassen, ging sie an Paris vorbei und schüttelte den beiden die Hände. Sie hatte einen beeindruckenden, kräftigen Händedruck, den man ihr gar nicht zutraute. Klara war Deutsche, grossgewachsen und dünn. Sie war so bleich, dass man das Gefühl hatte, durch sie hindurchsehen zu können. Sie hatte kurzes, strubbliges Haar, welches jedes Mal, wenn man sie sah, eine andere Farbe hatte. Vielleicht nutzte sie die Haarfarbe, um den fehlenden Teint zu kompensieren? Heute lag der Farbton irgendwo zwischen lachsrosa und kupferfarben.

      Einige Piloten nannten Klara abschätzig "den Geist", weil sie so bleich war und immer irgendwie entrückt schien. Ferry hingegen begegnete ihr stets mit Respekt, denn er wusste, wie kompetent Klara war: nach der Schlacht von Mollis hatte sie drei Tage ohne Pause gearbeitet und um das Leben der Verletzten gekämpft. Viele der Überlebenden verdankten Klara ihr Leben und dafür war Ferry ihr unendlich dankbar; er hatte viele Kameraden verloren an diesem Tag, doch dank Klara waren es einige weniger, als es hätten sein können.

      Mit ihren grossen, hellen Augen schaute die Ärztin Paris fragend an; sie schien nicht ganz zu verstehen, was die drei hier wollten. In ihren Augen war gesund, wer selbst gehen konnte. Ungeduldig starrte Paris zurück.

      "Saubermachen und durchchecken! Das volle Programm! Mit den besprochenen Extras… Ich will wissen, ob sie es sind… Dann sofort zu mir ins Büro!", wies er an. Klaras Blick verklärte sich für einen Moment, als ob sie träumte, doch sie schien nur zu überlegen. Dann tauchte sie wieder auf und strahlte Paris an. Sein Befehlston schien sie überhaupt nicht zu berühren.

      "Ach so! Ja, klar. Wie besprochen. Bis gleich!", sagte sie und wedelte mit den Händen in Richtung Tür, um Paris zu bedeuten, dass er gehen solle. Mit einem Stirnrunzeln wandte sich dieser zum Gehen. Er schien noch etwas sagen zu wollen, doch er liess es bleiben und ging mit langen Schritten davon und knallte die Tür hinter sich zu. Auch das schien die Ärztin nicht zu stören. Sie wandte sich den Patienten zu.

      "Na, hattet ihr eine gute Zeit? Ihr wart ganz schön lange weg. Aber egal, jetzt seid ihr ja da… Dann checken wir euch mal durch! Obwohl ich finde, dass ihr ganz gesund ausseht... Aber wenn Master Paris das so will… na ja. Geht euch doch erst mal frischmachen. Ihr wisst ja, wo die Duschen sind." Sie zeigte auf eine Tür, die zu einem angrenzenden Raum führte.

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