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Französische Volksmärchen in deutscher Sprache - 583 Seiten. Ernst Tegethoff
Читать онлайн.Название Französische Volksmärchen in deutscher Sprache - 583 Seiten
Год выпуска 0
isbn 9783742762917
Автор произведения Ernst Tegethoff
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
die Männer und sprach: »Sagt an, Ihr Herren, ich bitte
Euch, führt keine Brücke auf das andere Ufer?« »Meiner
Treu, nein, Bruder,« erwiderte der Fischer, »keine
Furt, keine Fähre, keine Brücke vermittelt den Übergang
über diesen Strom, kein Pferd kann ihn durchschreiten,
und kein Fahrzeug, das größer wäre als dieses
kleine Boot, ist auf zwanzig Meilen im Umkreis
zu finden.« »So sagt mir um Gottes willen,« fuhr Parzival
fort, »wo ich heute nacht Herberge finden
kann!« »Ich will Euch heute nacht beherbergen,« antwortete
der Fischer. »Steigt nur in jener Felsenschlucht
aufwärts, und wenn Ihr droben seid, wird
sich vor Euch ein Tal ausbreiten; darin steht das
Haus, das ich bewohne, nahe an Fluß und Wald.«
Parzival erstieg den Gipfel des Berges und vor seinen
Augen dehnten sich weite Länder aus, aber er erblickte
nichts als Himmel und Erde. »Verflucht sei,
der mich so in die Irre führte,« murrte er, »treulos
handelte er, mich zum Spott hierherzulocken.« Plötzlich
sah er zu seiner Seite im Tale einen Turm ragen,
viereckig, aus grauem Stein und mit zwei Erkern geziert.
Bis tief nach Asien war kein schönerer gebaut.
Vor dem Turm lag der Saalbau, von Bogengängen
umgrenzt. Der Jüngling wanderte in der Richtung des
Schlosses weiter und bat den Fischer, den er Lügner
und Betrüger gescholten hatte, innerlich um Verzeihung.
Er ging auf das Schloßtor zu und fand die Zugbrücke
herabgelassen, dann ritt er in den Hof und vier
Diener traten ihm entgegen. Zwei davon nahmen ihm
die Waffen ab, einer führte sein Roß in den Stall und
warf ihm Futter und Streu vor, einer hüllte Parzival in
einen Scharlachmantel. Sodann führten sie ihn in den
Bogengang, wo er wartete, bis der Schloßherr ihn
rufen würde. Alsbald kamen zwei Diener und führten
ihn in den Saal, der war viereckig und ebenso lang
wie breit. Mitten im Saale stand ein Lager, auf dem
ein Ritter saß, dessen Haupt zierte ein maulbeerschwarzer,
purpurbesetzter Zobelpelz, und aus dem
gleichen Stoffe war sein ganzes Gewand. Er stützte
sich auf den Ellenbogen; vor ihm war ein Feuer aus
trocknem Holze angezündet, das hellen Schein verbreitend
zwischen vier Säulen flackerte. Vierhundert
Gäste hätten bequem rings um das Feuer Platz gefunden.
Die Diener nahmen den Fremden in ihre Mitte
und führten ihn vor den Schloßherrn, dieser begrüßte
ihn und sprach: »Möge es Euch nicht kränken, mein
Freund, daß ich mich nicht vor Euch erhebe!« »Bei
Gott, Herr, es kränkt mich nicht,« erwiderte Parzival.
Der Ritter erhob sich dennoch, so gut er konnte, und
lud den Jüngling ein, an seiner Seite Platz zu nehmen,
dann fragte er ihn: »Woher kommt Ihr heute,
Freund?« »Herr, heute früh brach ich von Belrepaire
auf«, erwiderte der Jüngling. »Bei Gott,« sprach der
Ritter, »dann habt Ihr einen hübschen Marsch hinter
Euch. Ihr müßt aufgebrochen sein, ehe noch der Hornstoß
des Wächters den jungen Tag verkündete.« »Es
hatte gerade zur Prim geläutet, als ich davonritt«, antwortete
Parzival.
Während sie so redeten, trat ein Jüngling durch die
Tür des Saales, der trug ein Schwert um den Hals, das
er dem Ritter reichte. Dieser zog es halb aus der
Scheide und sah nach, wo es gearbeitet war, denn das
war auf dem Schwerte eingegraben. Es war aus gutem
Stahl gearbeitet und konnte nur in einer einzigen Gefahr
zersplittern, die aber kannte niemand als der,
welcher das Schwert geschmiedet und gehärtet hatte.
Der Jüngling, der es brachte, sprach: »Herr, Eure
Nichte überreicht Euch dieses Schwert als Gabe, nie
fand man ein leichteres weit und breit. Ihr sollt es
schenken, wem es Euch gefällt. Doch würde es die
Dame freuen, wenn es der, der es erhält, in Ehren verwendet.
Der das Schwert geschmiedet, fertigte nicht
mehr als drei der Art und schwur, keines mehr zu
schmieden nach diesem.« Der Schloßherr umgürtete
den Fremdling mit dem Schwert. Es war das Schatzhaus
eines Königs wert, Arabien hatte sein bestes
Gold zum Griffe geliefert und feinste Venezianer Arbeit
war die Scheide. Der Ritter sagte: »Bruder, dieses
Schwert ist Euch bestimmt und ich wünsche, daß Ihr
es tragt. Gürtet es Euch um und zieht es in Ehren!«
Jener dankte dem Schloßherrn, schnallte sich das
Schwert um, und es gefiel ihm wohl, trefflich stand es
ihm an, da er es an seiner Seite trug, und besser noch,
als er es in der Faust hielt, um die Klinge zur Hälfte
herauszuziehen, um sie zu prüfen. Hinter ihm sah er
im Schein des Feuers den Diener stehen, der die Waffen
verwahrte; diesem gab er das Schwert, daß er es
aufbewahre. Dann nahm er wieder neben dem Schloßherrn
Platz, der ihm große Ehren erwies.
Als sie noch über dies und jenes sprachen, trat ein
Jüngling aus einer Kammer, der eine weiße Lanze in
der Mitte umklammert hielt. Langsam trug er sie hoch
erhoben zwischen dem flammenden Feuer und den
beiden Rittern auf der Lagerstatt vorüber, und alle,
die im Saale waren, blickten auf die Lanze und den
weißen Stahl. Und siehe: von der Lanze Spitze troff
ein purpurroter Tropfen Bluts herab und rollte auf des
Trägers Hand. Parzival sah dies Wunder, aber er fragte
nicht nach seiner Deutung, denn er erinnerte sich
des Verbotes, das ihm jener auferlegt, der ihn zum
Ritter schlug1, als er ihm sagte, er solle sich vor zu
vielem Reden hüten; so fürchtete er, man würde sein
Fragen für Ungebühr erachten, und blieb stumm. Darauf
traten