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Französische Volksmärchen in deutscher Sprache - 583 Seiten. Ernst Tegethoff
Читать онлайн.Название Französische Volksmärchen in deutscher Sprache - 583 Seiten
Год выпуска 0
isbn 9783742762917
Автор произведения Ernst Tegethoff
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
7. Iwein
Als König Artus einst zu Carduel das Pfingstfest beging,
erzählte Kalogreant seine letzte Abenteuerfahrt
zur Wunderquelle von Broceliande, welche für ihn
einen schlimmen Ausgang genommen hatte. König
Artus hörte den Bericht und schwur, er wolle am Johannistage
das nämliche Abenteuer bestehen, aber
Iwein, der das Mißgeschick seines Vetters Kalogreant
rächen wollte, brach in aller Stille nach dem Zauberwalde
auf.
Ein Bauer wies ihm den Weg: »Geht nur immer geradeaus,
« sagte er, »dann werdet Ihr zu der kochenden
Quelle gelangen, die trotzdem so kalt ist wie Marmelstein.
Der herrlichste Baum, der Sommer und Winter
sein Laub behält, überschattet sie, und daran hängt an
langer Kette ein metallnes Becken. Neben der Quelle
werdet Ihr einen Stein finden und auf der anderen
Seite eine kleine Kapelle. Wenn Ihr nun das Becken
mit Wasser füllt und dieses auf den Stein ausgießt, so
wird sich ein solches Unwetter erheben, daß Wild und
Vögel den Wald fliehen; denn solchermaßen wird es
blitzen, stürmen und krachen, regnen und donnern,
daß Ihr schon gewaltiges Glück haben müßt, wenn Ihr
ohne Schaden davonkommen wollt.«
Gegen Mittag gewahrte Iwein den Baum und die
Kapelle. Am Baume war ein Becken aus lauterm
Golde befestigt, die Quelle aber brodelte wie kochendes
Wasser. Der Steinblock war ein durchbohrter
Smaragd mit vier Rubinen besetzt, die flammten wie
die Morgensonne. Iwein füllte das Becken und goß
das Wasser auf den Stein. Auf der Stelle zuckten
mehr als ein Dutzend Blitze hernieder und die Wolken
gossen Schnee, Regen und Hagel aus. Iwein
glaubte von den rings um ihn einschlagenden Blitzen
und von den splitternden Bäumen vergehen zu müssen.
Aber alsbald sandte Gott wieder schönes Wetter,
die Vögel kehrten auf die Tanne zurück und trieben
ihr lustiges Spiel über der Wunderquelle. Kaum hatte
sich der Sturm gelegt, so erschien, vor Zorn flammend
wie Kohlenglut, ein Ritter mit solchem Lärm, als jage
er einen Brunsthirsch: es war der Hüter der Quelle.
Beider Blick verkündete, daß sie einander auf den
Tod haßten. Mit mächtigen Lanzenstößen zersprengten
sie einander Schild und Harnisch, die Lanzen zersplitterten
und die Trümmer flogen in die Höhe. Dann
gingen sie einander mit den Schwertern an und es entbrannte
ein furchtbarer Kampf, doch keiner wich um
eines Fußes Breite von der Stelle. Schließlich zerhieb
Herr Iwein den Helm des Gegners, so daß das Blut
von dessen Haupte strömte und die Maschen seines
weißen Harnischs rötete. Auf den Tod verwundet floh
der Fremde; im Galopp sprengte er nach seiner Burg,
die Zugbrücke rasselte herunter und das Tor öffnete
sich, hinten nach aber jagte Herr Iwein, ungestüm wie
ein Falke, der einen Kranich verfolgt. So galoppierten
sie beide durch das Stadttor und durch die menschenleeren
Straßen und gelangten mit verhängten Zügeln
vor das Tor des Schlosses. Der Zugang war so eng,
daß zwei Ritter nicht nebeneinander eindringen konnten.
Wie bei einer Rattenfalle befanden sich unter dem
Tor zwei Schlagfallen, welche eine scharf geschliffene
eiserne Falltür hielten. Trat jemand auf diese Vorrichtung,
so sauste die Falltür herab und er war gefangen
oder gar zerhackt. Der Quellwächter sprengte geradeswegs
hindurch, Iwein aber, der hinter ihm herhastete,
packte ihn schon am Sattelbogen, da trat sein
Roß auf das Holzbrett, welches die Eisentüre hielt.
Wie die Teufel in die Hölle, so fuhr die Falltür herab,
durchschnitt den Sattel und trennte das Pferd mitten
auseinander, ohne indessen, Gott sei Dank, Herrn
Iwein zu berühren, dem nur die beiden Sporen von
den Fersen gerissen wurden. Da stürzte er und der
Todwunde entkam ihm. Eine ebensolche Tür, wie sie
am äußeren Eingang sich befand, war auch innen angebracht.
Der Schloßherr eilte hindurch und die Tür
fiel hinter ihm herab. So war Herr Iwein gefangen.
Auf einmal hörte er, wie sich das schmale Türchen
eines Seitenraumes öffnete; eine wunderschöne Jungfrau
trat heraus und schloß die Pforte hinter sich wie-
der zu. Als sie Herrn Iwein erblickte, erschrak sie:
»Wenn man Euch hier bemerkt, Herr Ritter,« rief sie,
»so seid Ihr verloren. Unser Herr ist auf den Tod verwundet,
und wohl weiß ich, daß Ihr sein Mörder seid.
Unsere Herrin und ihre Leute sind trostlos und werden
Euch gewißlich töten, wenn sie Euch hier erwischen.
« »Das steht bei Gott!« antwortete Iwein. »Sie
sollen Euch aber nicht erwischen,« hub Lunete, die
Jungfrau, wieder an, »denn ich will Euch helfen, wie
Ihr mir einst am Artushofe halfet, als ich als kleines
blödes Mädchen dorthin kam. Da, nehmt dies Ringlein
und stellt es mir zurück, wenn Ihr wieder frei
seid!« Sie fügte hinzu, daß es mit dem Ringe diese
Bewandtnis habe: wenn man ihn so anstecke, daß der
Stein in der Faust verborgen sei, so brauche der, welcher
den Ring am Finger trage, nichts mehr zu fürchten,
denn er sei für jedermann unsichtbar, ebenso wie
ein Baumstamm, den die Rinde verdeckt. Nach diesen
Worten führte sie den Ritter in den Nebenraum, hieß
ihn sich auf ein Ruhebett niederlassen und reichte ihm
Speise und Trank. Nun kamen die Ritter und Bürger,
die ihren Herrn rächen wollten, sie zogen die Falltüren
in die Höhe und fanden die beiden Teile des toten
Rosses, aber Iwein war nirgends zu sehen. Rasend
vor Wut stürzten sie in den Saal und schlugen blindlings