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in seiner Hütte.

      7

      Doch vorerst wurde nichts aus der Feldarbeit, denn über Nacht war der Winter zurückgekommen. Als Karo aufwachte, lag der Schnee mindestens handbreit auf der Landschaft und verwandelte sich im nun einsetzenden Regen in einen schlammbraunen Matsch.

      An diesem Morgen kam er nicht um die Sägegrube herum. Missmutig machte er sich nach dem Morgenessen auf den Weg, und schon nach wenigen Schritten hatten sich seine gefütterten Mokassins mit Wasser vollgesogen. Wenigstens war die Sägegrube gedeckt, so dass sie im Trockenen arbeiten konnten.

      Als er dort ankam, wartete Matu schon auf ihn. Über der Grube war auf zwei Querbalken ein etwa acht Schritt langer Stamm festgezurrt, und mit einer gespannten, in Asche gewälzten Schnur hatte jemand längs über den Stamm eine gerade Linie eingezeichnet, der entlang der erste Schnitt zu erfolgen hatte.

      „Oben oder unten?“, fragte Matu.

      Karo zuckte die Schultern. Bis zum Abend würden sie ihre Positionen noch x-mal wechseln. Er würde von beidem noch genug abbekommen: Von der gebeugten Haltung und dem schmerzenden Rücken, welche die Arbeit auf dem Stamm mit sich brachte, und von den eimerweise Sägemehl, die bei der Arbeit in der Grube auf ihn nieder rieselten.

      „Also dann beginnst du unten“, sagte Matu, nahm die mannslange Säge und kletterte auf den Stamm. Widerwillig sprang Karo in die Grube und streckte sich nach dem Griff der Säge, den Matu ihm entgegenhielt.

      Zunächst arbeiteten sie langsam und vorsichtig, doch sobald die Kerbe tief genug war, um dem Sägeblatt Halt und Führung zu geben, wurden ihre Bewegungen ausladender. Immer wenn die Säge den höchsten Punkt erreicht hatte, kippte Matu sie leicht nach hinten, sodass sich die spitzen Zähne ins Holz gruben, und Karo hängte sich mit seinem ganzen Gewicht an den Griff. Am tiefsten Punkt entlasteten sie das Blatt leicht und zogen es fast ohne Schnittwirkung wieder nach oben. Bei jedem Zyklus drangen sie einen halben Finger breit tiefer ins Holz ein, und bald schon waren ihre Körper trotz der Kälte schweissnass.

      An ein Gespräch war nicht zu denken, dafür waren die Arbeit zu anstrengend und der nieder rieselnde Holzstaub, der sofort Karos Mund gefüllt hätte, zu lästig. So blieb ihm bei der monotonen Plackerei genug Zeit, seinen Gedanken nachzuhängen. Irgendwo in seinen hintersten Hirnwindungen hatte sich im Halbschlaf der letzten Nacht ein Gedanke festgesetzt. Dieser war am Morgen zwar weg gewesen, doch irgendwie spürte Karo, dass er wichtig gewesen wäre. Doch so sehr er es auch versuchte, er bekam ihn nicht zu fassen. Es war wie Angeln mit blossen Händen: Man konnte dem Fisch zwar sehr nahe kommen, doch sobald man ihn packen wollte, entwand er sich dem Griff und verschwand in den Tiefen des Wassers.

      Schliesslich hatten sie den ersten Querbalken erreicht, und Karo kletterte aus der Grube. Sie hängten den Baum an den Flaschenzug, hoben ihn leicht an und versetzten den Balken so, dass sie weiter arbeiten konnten. Während seine Hände die Arbeit automatisch verrichteten, forschte er weiter nach dem verlorenen Gedanken. Es hatte etwas mit ihrer vertrackten Situation hier im Norden zu tun und damit, wie sie sich daraus befreien konnten, aber mehr konnte er nicht erhaschen.

      Schliesslich holte ihn Matu aus seiner Trance. „Kurze Pause?“, fragte er.

      Karo nickte. Sie gingen zum Brunnen, wo Karo sich den Holzstaub aus dem Gesicht wusch, und setzten sich dann auf das Steinmäuerchen daneben. Inzwischen hatte der Regen nachgelassen, und die Sonnenstrahlen suchten sich zaghaft einen Weg durch die immer noch dicht stehenden Wolken. Matu kramte in seinen Taschen, förderte einen vertrockneten Teigfladen zutage, zerbrach ihn und reichte Karo die Hälfte.

      Eine Weile assen sie schweigend, dann fragte Karo: „Was meinst du, warum ist die Mehrheit gegen die Wanderung in den Süden?“

      Matu zuckte die Schultern. „Was weiss ich? Sie waren halt dagegen, und jetzt hocken wir hier für ein weiteres Jahr fest.“

      „Aber warum? Sehen sie denn nicht, dass wir hier im Norden über kurz oder lang erfrieren und verhungern werden?“

      „Doch, ich glaube, das ist den Meisten klar. Aber die Angst vor dem, was uns da draussen erwarten könnte, ist einfach noch grösser als die Angst, hier zu sterben. Das wird sich vermutlich erst ändern, wenn wir wieder einen wirklich schlimmen Winter erleben – oder zwei oder drei hintereinander.“

      „Aber dann wird es zu spät sein“, sagte Karo. In diesem Moment tauchte der Gedanke wieder aus dem Dunkel seines Unterbewusstseins auf, und diesmal bekam er ihn zu fassen. Und – er war wirklich gut. Vor Aufregung sprang er auf. „Das ist es“, rief er und schlug sich mit der Faust in die offene Hand.

      Matu starrte ihn entgeistert an. „Was ist was?“

      „Die Lösung, wie wir unsere Leute dazu kriegen, spätestens im nächsten Jahr auf Wanderschaft zu gehen. Vielleicht sogar schon diesen Herbst!“

      8

      Inzwischen war es Abend geworden, und die Hochstimmung, die auch Matu erfasst hatte, nachdem ihm Karo seine Idee mitgeteilt hatte, war in tiefe Enttäuschung umgeschlagen. Boro hatte ihnen nicht einmal zugehört! Er hatte ihre Worte schon im Keim erstickt und sie zurück an die Arbeit geschickt. „Die Entscheidung ist gefallen“, hatte er gesagt, sich weggedreht und die beiden allein im wieder stärker werdenden Schneeregen stehen gelassen.

      Jetzt sassen sie bei Nala am Tisch. Die Heilerin stand am Herd und rührte in einer Pfanne, aus der es nach Kräutertee duftete. Walda hatte es sich auf dem Bett im Hauptraum bequem gemacht. Kissen in seinem Rücken stützten ihn, so dass er aufrecht sitzen konnte. Das verletzte Bein lag ausgestreckt auf der Decke, an der Wunde drückte ein wenig Blut durch den Verband. Noch immer waren seine Augen rot unterlaufen, und Karo fragte sich, ob das vom Fieber oder von der Trauer herrührte.

      Matu streckte sich auf seinem Hocker und rieb sich mit beiden Händen das Kreuz. Nach Boros Abfuhr hatten sie den ganzen Tag hindurch wie die Berserker gearbeitet, um sich ihre Frustration vom Leib zu schwitzen. Doch es hatte nichts genützt. Zwar schmerzten sie nun sämtliche Glieder, aber die Zurückweisung war noch immer nicht vergessen.

      „Ich verstehe immer noch nicht, warum sich Boro deine Idee nicht wenigstens angehört hat“, sagte Matu wohl zum hundertsten Mal an diesem Tag.

      Nala zog die Pfanne von der Heizplatte und kam zu ihnen an den Tisch. „Was für eine Idee?“, fragte sie.

      „Ach, Karo hatte einen Plan, wie wir vielleicht doch noch dieses Jahr in den Süden kommen könnten. Oder spätestens nächstes Jahr.“

      „Das tönt interessant. Erzähl weiter.“

      „Eigentlich ist es ganz einleuchtend“, holte Matu aus. „Wir müssten nur einen Erkundungstrupp losschicken. Wenn der Weg in den Süden einfach ist, dann ist dieser vielleicht schon wieder zurück, bevor der Sommer richtig da ist, und wir könnten noch dieses Jahr auf Wanderschaft gehen. Und wenn der Weg beschwerlicher ist, … nun, dann haben sie bis zum Herbst Zeit, einen Übergang über die Berge zu finden. Und wenn es keinen gangbaren Übergang über die Berge gibt, dann ist es immer noch besser, das zu wissen, als jedes Jahr von neuem darüber zu diskutieren, ob wir nun aufbrechen wollen oder nicht.“

      Erwartungsvoll schaute er Nala an. Diese schwieg lange. Schliesslich sagte sie: „Das ist wirklich eine gute Idee. Und was hat Boro genau dazu gesagt?“

      „Ach, er hat uns nicht einmal angehört“, antwortete Matu und schüttelte den Kopf. „Er hat gesagt, das Volk habe entschieden, und uns weggeschickt. Ich hätte nicht übel Lust, selber auf Erkundung zu gehen.“

      Karo schaute erstaunt auf. Auf diese Idee war er noch gar nicht gekommen. Nala sagte kein Wort und blickte den beiden Jungen abwechslungsweise ins Gesicht. Dann stand sie vom Tisch auf, ging zum Eingang und drehte sich noch einmal um. Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, und sie sagte: „Ich will kein Wort davon hören.“ Dann wandte sie sich ab und verschwand nach draussen.

      „Was war denn das?“, fragte Matu konsterniert, nachdem Nalas Schritte auf dem Platz

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