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meinst du Maxi, machen wir dem Opa eine Freude und schneiden deine Haare nachher ein bisschen?“

      „Ja Mama…“, murmelt er. „Ich hab Hunger.“

      „Na das können wir schnell ändern“, lacht meine Mutter auf.

      Nach dem Frühstück will Maxi unbedingt mit Leopold am Traktor mitfahren. Keine Ahnung warum, ich bin mindestens tausend Mal am Traktor mitgefahren, irgendwie fühle ich mich unbehaglich dabei. Vielleicht klammere ich wirklich zu viel. Ich versuche mir meine Sorge nicht anmerken zu lassen. Ihm scheint es jedenfalls riesigen Spaß zu machen.

      „Ich muss mir die Reben am Südhang anschauen, keine Sorge, ich passe schon gut auf dein Bärchen auf“, beruhigt mich mein Bruder und fährt von dannen.

      Mit einem komischen Gefühl des Verlassen seins, auch wenn es nur für eine Stunde ist, sehe ich den beiden nach.

      Ich helfe Mama im Haus, ich hab vergessen wie viel es hier immer zu tun gibt. Vielleicht werde ich heute Abend einmal müde genug sein, um ordentlich schlafen zu können.

      „Mei Resi, kannst du bitte zur Apotheke fahren, die Blutdrucktabletten von deinem Vater sind leer, die braucht er aber ganz dringend“, fällt Mama während dem Betten machen ein.

      „Ja sicher, ich fahre gleich, brauchst du sonst noch etwas?“

      „Nein, sonst haben wir alles.“

      Ich stehe vor dem Spiegel und drehe meine Haare zu einem Knoten hoch. Auch meinen Haaren würde ein wenig Pflege guttun. Wenn ich schon in den Ort fahre, werde ich gleich bei Sabine vorbei schauen und einen Termin ausmachen. Ich habe in ihrem Salon gelernt. Sie war eine tolle Chefin, alles was ich kann hat sie mir beigebracht und in München war man mit meinen Künsten sehr zufrieden. Ich fahre den Weg ins Dorf entlang. Ich bin schon unzählige Male diese Strecke gefahren und doch ist es seltsam wieder hier zu sein. Im Salon von Sabine ist heute nicht besonders viel los. Sie hat schon gehört, dass ich wieder zurück bin und freut sich sichtlich darüber. Übermorgen hat sie noch einen Termin für mich frei. Fullservice sozusagen. Ich lasse das Auto gleich am Parkplatz vor dem Frisörsalon stehen und gehe die paar Meter zur Apotheke zu Fuß. Ich liebe unseren Ort. Alles ist so beschaulich, romantisch, fast kitschig. Vor vielen Geschäften stehen Blumen, es ist so einladend und liebevoll. In der Apotheke besorge ich die Tabletten für meinen Vater und gleich ein pflanzliches Mittel, dass mir etwas mehr Ruhe verschaffen sollte. Das ich nicht schlafen kann macht mich ziemlich fertig. Dann denke ich über Dinge nach, die mich noch weniger zur Ruhe kommen lassen.

      „Wenn sich das nicht legt, müssen Sie aber bitte zum Arzt gehen“, klärt mich die Apothekerin auf.

      „Ja, sicher. War alles ein bisschen viel in der letzten Zeit, ich bin zuversichtlich, dass es mir bald wieder besser geht“, entgegne ich.

      Sie nickt, packt alles in eine Papiertüte und kassiert. Bevor ich die Apotheke verlasse, spricht mich noch Frau Binder an, ich hab ihr früher immer die Haare gemacht. Sie redet wahnsinnig viel, aber sie ist nett. Irgendwie schaffe ich es dennoch mich loszureißen. Wir halten den ganzen Betrieb auf, hinter uns warten noch andere Leute.

      „Teresa?“

      Ich sehe auf. Kurz bleibt mir die Luft weg. Ein ganz eigenartiges Gefühl steigt in mir hoch. Es gibt nur einen Menschen der mich Teresa nennt.

      „Hallo“, stammle ich und sehe direkt in seine Augen.

      Ich habe das Gefühl mein Herz schlägt auf einmal rückwärts, alles um mich herum scheint zu verstummen.

      „Hallo…Wow…wir haben uns lange nicht mehr gesehen“, sagt er leise, fast nachdenklich.

      Ich nicke. Was ich sagen soll weiß ich nicht, dafür spricht er weiter.

      „Du hast dich gar nicht verändert.“

      Na ja… außer dass ich um sechs Jahre älter geworden bin, hab ich mich wahrscheinlich wirklich nicht viel verändert. Meine Haare sind immer noch dunkelblond mit hellen Strähnen, so wie früher. Sie sind zwar mal kürzer, mal länger, im Moment länger, aber die großen optischen Veränderungen wie das sonst bei Frisörinnen üblich ist, habe ich nie durchgemacht. Ich verändere lieber meine Modelle und bleibe selbst im Hintergrund. Immer noch perplex sehe ich ihn an. Ich schaue weiterhin direkt in seine dunklen Augen. Er hat sich allerdings ein wenig verändert. Ich würde sagen, er ist erwachsen geworden, männlicher könnte man sagen.

      „Geht es dir gut?“, frage ich ihn, weil mir sonst einfach nichts einfällt und die Stille zwischen uns unerträglich ist, dabei versuche ich zu lächeln.

      „Ja, Danke.“

      „Bist du gar nicht auf irgendeiner Meisterschaft oder so?“

      Er schüttelt den Kopf. „Ich bin verletzt.“

      „Echt?“, frage ich ungläubig. Ich kann nichts erkennen. „Als Schwimmer kann man sich verletzten?“

      „Schwimmerknie.“

      „Aha“, sage ich, auch wenn ich nicht weiß, was das für eine Verletzung ist.

      „Du bist dran“, füge ich noch hinzu, er ist der nächste in der Warteschlange, worüber ich ziemlich froh bin. Ich weiß nämlich nicht mehr was ich sagen soll.

      Er schaut zur Apothekerin, dann zu mir.

      „Ich muss jetzt auch los. War schön dich zu treffen“, sage ich schnell um die Situation nicht unnötig in die Länge zu ziehen.

      „Ja finde ich auch“, entgegnet er und lächelt ein bisschen.

      Ich habe zwar das Gefühl er will noch etwas sagen, aber ohne ein weiteres Wort verlasse ich fast fluchtartig die Apotheke. Völlig neben der Spur haste ich zum Auto. So schnell bin ich noch nie aus dem Ort hinaus gefahren. Keine Ahnung warum. Es ist lange her. Es ist vorbei. Mein Herz klopft, nein es rast und meine Hände schwitzen. An der langen Geraden die zu unserem Hof führt bleibe ich an einer Lichtung stehen. Ich löse den Sicherheitsgurt schnell, denn ich habe das Gefühl darunter gleich zu ersticken, ich öffne das Fenster, schließe meine Augen und atme tief durch. Markus Strasser. Ich war mir sicher ihn hier nicht so schnell wieder zu sehen, aber ich hätte damit rechnen müssen. Langsam normalisiert sich mein Puls wieder. Darauf war ich nicht vorbereitet. Markus…Ein kurzes Lächeln huscht über meine Lippen. Selbst wenn ich es wollte, ich schaffe es nicht die Gedanken an unsere erste Begegnung beiseite zu schieben.

      Es war an einem Freitag im Juli vor sechs Jahren. Ich half meinen Eltern am Stand beim großen Weinfest im Ort. Es war unglaublich viel los, das Wetter schien perfekt und der Wein schmecke in diesem Jahr ausgezeichnet. Dementsprechend viele Gäste tummelten sich um die Stände herum. Es nervte mich total, dass ich mich nach der Arbeit im Salon noch in den Trachtenrock zwängen musste, um am Stand mitzuhelfen. Meine Laune war im Keller. Am liebsten hätte ich mich gedrückt, aber ohne meine Hilfe war es nicht zu schaffen. Zu allem Übel versammelte sich kurz vor Mitternacht, gerade als wir mit dem Abbauen begannen, eine Runde Jungs um den Stand. Es stellte sich heraus, dass es eine Geburtstagsfeier war, die Burschen schienen schon ziemlich angeheitert zu sein. Einige waren sogar so betrunken, dass sie kaum stehen konnten. Trotzdem mussten sie natürlich auch noch den Lorenz Wein ausgiebig kosten. Ich war unglaublich genervt, vor allem weil ich am nächsten Tag arbeiten musste. Einer wollte mich zu allem Übel auch noch begrabschen, da war es mit meiner Geduld am Ende. Ich bin fast ausgerastet. Auf solche blöden Anmachen hatte ich absolut keinen Bock. Ich war erst ein paar Monate getrennt von einem Typen der ein komplettes Arschloch war, für ihn hatte ich meinen langjährigen Freund Anton verlassen. Anton und ich waren fünf Jahre zusammen. Er war mein erster Freund. Wir waren das perfekte Paar, ich glaube meine Eltern hofften, dass wir heiraten. Seine Familie hat einen großen Rinderzuchtbetrieb im Nachbarort, den er inzwischen weiterführt. Eine gute Partie sozusagen. Ja, nach außen waren wir das perfekte Paar, aber irgendwie war unsere Beziehung nicht wirklich so toll. Ich fühlte mich immer ein bisschen bevormundet von ihm. Er ist um vier Jahre älter als ich und ein richtig bodenständiger Bauer. Sein wichtiges und gescheites Getue nervte mich oft. Auch seine Ansichten teilte ich nicht immer, was er mich mit seinen Ansangen spüren ließ, oft auch

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