Скачать книгу

Ich schmunzle für mich selbst. Ja, das Haus ist alt, aber in jedem Raum und hinter jeder Tür stecken Erinnerungen. Schöne Erinnerungen. Wir werden uns schon bald eingewöhnt haben, da bin ich mir sicher.

      „Mama?...“

      Maxi setzt sich auf und schaut suchend in den halbdunklen Raum.

      „Ich bin da mein Bärchen.“

      Schnell lege ich mich wieder zu ihm ins Bett.

      „Komm, schlaf weiter. Das war nur der Wind.“

      Er muss sich erst eingewöhnen, alles ist noch fremd für ihn. Die großen Räume und die Weitläufigkeit des Haues ist er nicht gewöhnt. Noch einmal streiche ich durch seine Haare und über seine Wange, dann kuschle ich mich an ihn. Ganz fest. Ich bin da. Immer.

      Kapitel 2

      „Guten Morgen Mama.“

      Ich betrete die große Küche in der meine Mama so ganz allein ziemlich verloren aussieht, auch wenn sie um diese frühe Uhrzeit, es ist erst kurz nach sieben, schon geschäftig herumwerkt.

      „Guten Morgen Resi. Frühstück ist gleich fertig. Schläft Maxi noch?“

      Sie lächelt mich mild an, ich stelle das Babyfon auf den großen Eichentisch der bereits mit dem Frühstücksgeschirr gedeckt ist. Gmundner Streublumen. Ein Blick auf den Tisch und das wohlige Gefühl daheim zu sein macht sich in meinem Bauch breit.

      „Ja er schläft noch ganz tief. Er ist wegen dem Regen ein paarmal munter geworden heute Nacht. Ich nehme mir nur einen Kaffee. Danke.“

      Ich gieße mir eine Tasse ein und setze mich auf die kleine Bank neben dem Kachelofen. Der ist zwar um diese Jahreszeit nicht eingeheizt, wäre für Anfang Juni wirklich nicht passend, zumal es draußen auch ziemlich warm ist, aber ich liebe den Platz. Immer schon.

      „Glaubst du das Babyfon ist wirklich notwendig? Maxi weiß doch wo er uns findet. Ihr seid doch jetzt schon fast zwei Wochen da. Über die Stiege herunter und er ist bei uns. Er ist fünf und kein Baby mehr.“

      Ich seufze und nehme einen Schluck vom Kaffee. Doch. Er ist mein Baby, das wird er immer bleiben. Ich will einfach nicht, dass er aufwacht und sich erschreckt, weil ich nicht da bin. Es ist alles neu und fremd für ihn. Das Haus ist riesig und hier auf dem Hof gibt es tausende neue Eindrücke die auf ihn einstürzen. Alle sind ihm fremd. Meine Eltern und meinen Bruder kennt er nur von WhatsApp Anrufen. Nein stimmt nicht, einmal besuchten sie mich in München, aber da war Maxi noch ein Baby. München ist auch nicht der nächste Weg. Sogar für mich ist momentan alles ungewohnt, obwohl ich unser Weingut wie meine Westentasche kenn. Nach sechs Jahren Stadtleben in einer kleinen Wohnung habe ich das Gefühl mich hier zu verlieren, auch wenn ich die Weitläufigkeit früher immer so geschätzt habe. Daran muss ich mich erst wieder gewöhnen. Mein kleiner Bruder Leopold hat in den letzten Jahren alles liebevoll renoviert und erneuert, sowohl im Haus als auch am Hof und schlussendlich auch mein Zimmer, als wir vor ein paar Wochen beschlossen zurück zu kommen. Zum Glück hat er den alten Holzboden den ich so liebe nur geschliffen und eingelassen. Kleiner Bruder…Er ist nicht mehr der Nerd von früher. Er ist erwachsen geworden. Das Weingut Lorenz ist jetzt am neuesten Stand, was sich zu rentieren scheint. Lorenz Wein hat einen ausgezeichneten Ruf und in den letzten Jahren einen ordentlichen Aufschwung erlebt. Ich bin mir zwar nicht sicher ob mein Vater sich das am Anfang wirklich gedacht hat, aber Leopold hat ihn wieder einmal überrascht. Der stille Leopold. Der Streber. Der Student. Der Stubenhocker. So hat ihn mein Vater immer aufgezogen. Doch das Strebern scheint sich gelohnt zu haben. Er ist ein würdiger Nachfolger und ich freue mich darüber. Meine Eltern haben jahrzehntelang mühsam und hart für das Alles hier gearbeitet. Aus mir ist nicht mehr als eine einfache Frisörin geworden, über die vielen Blödheiten die ich immer im Kopf hatte will ich gar nicht nachdenken. Meine Eltern hatten es nicht immer leicht mit mir. Die Schule war mir nicht besonders wichtig, auch wenn ich heute weiß, dass ich mehr schaffen hätte können. Aber ich hab mich damit abgefunden und ich mag meinen Beruf auch richtig gern. Es ist gut, dass Leopold das Lebenswerk Lorenzhof weiterführt. Ja, ich freue mich wirklich.

      „Mama…ich fühle mich sicherer wenn dieses Babyfon hier steht und ich ihn höre, sonst kann ich keine Sekunde ruhig sitzen“, wehre ich mich gegen ihren Vorwurf.

      Sie nickt und lächelt wieder. Natürlich hat sie schon bemerkt, dass ich mir was mein Kind betrifft nicht viel sagen lasse. Eigentlich hab ich mir nie viel sagen lassen. Egal worum es ging. Darum bin ich auch ziemlich oft an die Wand gefahren in den letzten Jahren, aber bei Maxi will ich einfach alles richtig machen. Er ist mein Lebensmittelpunkt und ich würde einfach alles für ihn tun. Ich atme durch und lehne mich zurück. Unsere Wohnung in München war im Vergleich zum Lorenzhof eine Schuhschachtel. Küche, Badezimmer, Wohnzimmer und ein kleines Schlafzimmer. Für Maxi und mich hat es gereicht. Sie war klein, aber dennoch unglaublich teuer. Die Mietpreise in München sind Wucher. Doch darum bin ich nicht wieder hier. Ich habe schon lange überlegt wieder nach Hause zu kommen. Meine Stelle bei einem Fernsehsender als Stylistin war der Wahnsinn, herausfordernd und auch gut bezahlt, aber ich hatte einfach zu wenig Zeit für Maxi. Zwar hat sich meine Tante Elfi aufopfernd um ihn gekümmert wenn ich gearbeitet habe, trotzdem hatte ich immer ein schlechtes Gewissen. Außerdem wollte ich, dass mein Kind nicht in der Stadt aufwächst, auch wenn München ein Dorf ist. So wie in der Steiermark ist es nicht. Hier kann er einfach hinauslaufen und sich frei bewegen. Rundherum nur grüne Wiesen, viele Tiere und gute Luft. Wir haben zwar selbst am Hof keine Tiere, außer ein paar Hühnern und die Katzen Minka und Petzi, aber auf der angrenzenden Weide stehen die Schafe vom Nachbarn und etwas weiter, etwa fünf Minuten zu Fuß, gibt es eine Pferdekoppel. Wir müssen jetzt jeden Tag einen großen Spaziergang machen und alle Tiere besuchen. Das macht mich zufrieden. Glücklich und zufrieden. Zu sehen wie gut ihm das alles hier tut. Endlich habe ich mehr Zeit für ihn. Kein schlechtes Gewissen. Jetzt ist es nur noch wichtig Freunde in seinem Alter zu finden, doch ich bin mir sicher wenn er im Herbst in den Pfarrkindergarten kommt, wird sich das von selbst erledigen. Keine Ahnung ob ich zurückgekommen wäre wenn meine Tante Elfi nicht so plötzlich einem Schlaganfall erlegen wäre. Es war ein Schock für mich. Doch für Maxi war es noch schlimmer. Elfi war wie eine Oma für ihn. Er hat sie geliebt. Als ich vor sechs Jahren nach München kam hat sie mich ganz selbstverständlich aufgenommen, ohne Wenn und Aber. Keine blöden Fragen. Keine Vorwürfe. Kein Besserwissen. Sie war immer da. Egal ob ich länger arbeiten musste, überraschend für eine Kollegin eingesprungen bin, oder einfach ein Date hatte. Dates kamen jedoch selten vor. In meinem Leben gibt es nur einen Mann. Maxi. Das fanden die meisten Typen nicht so prickelnd, die wollten immer an erster Stelle stehen, doch die ist in meinem Herz fix besetzt. Ich nehme noch einen großen Schluck Kaffee, als sich die Küchentüre öffnet. Leopold steht in der Tür mit Maxi im Arm, der mich verschmitzt angrinst.

      „Schau mal wen ich im Treppenhaus getroffen habe“, grinst mein Bruder und lässt Maxi herunter.

      „Hey…bist du schon wach? Ich hab gar nichts gehört…“ Ich sehe verwundert auf das Babyfon.

      Er tapst in seinem Dinopyjama auf mich zu und krabbelt auf meinen Schoß. Schnell schmiegt er sich an mich und ich vergrabe meine Nase wie gewohnt in seinen Haaren. Das könnte ich den ganzen Tag lang tun, ich muss aufpassen ihn nicht aufzufressen, so sehr liebe ich ihn.

      „Guten Morgen mein Bärchen. Ausgeschlafen?“

      Als auch noch mein Vater die Küche betritt, nickt er schüchtern. Zu viele Leute. Definitiv.

      „Geh Resi, der Maxi ist doch kein Bärchen, sondern wenn schon, dann ein mutiger Bärenfänger, nicht wahr?“

      Leopold wuschelt durch Maxis Haare, der sofort laut auflacht. Er mag meinen Bruder, das finde ich gut. Bislang gab es nur mich und Tante Elfi in seinem Leben. Ich schätze so ein bisschen männlicher Erziehungsanteil könnte nicht schaden. Das dürfte in diesem Haus kein Problem sein, mein Vater war immer ziemlich autoritär, gut dass ich in Maxis Fall das Sagen und auch das letzte Wort habe.

      „Also dafür, dass du Frisörin bist, schaut dein Junior ziemlich zerzaust aus.“ Mein Vater zieht die Augenbrauen

Скачать книгу