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kurz nach dem Tod meiner Mutter an. Ich habe viel Mist gebaut und wäre schlussendlich fast selbst daran gestorben.“

      Es sprudelt nur so aus mir heraus, es ist als ob ein Stein nach dem anderen von mir abfällt. Ich erzähle alles, von den Drogen und dem Alkohol, von Ben, von unserem Unfall und von Bens Selbstmord bis zu den Problemen mit Dad. Alles von Anfang bis zum Ende. Max hört mir geduldig zu und verzieht keine Miene. Ich kann seinen Blick nicht einordnen, was mich ziemlich verunsichert, aber jetzt gibt es sowieso kein Zurück mehr.

      „Ich glaube ich habe das noch niemals jemanden so im Detail erzählt“, sage ich abschließend tief ausatmend. Alles ist draußen und wenn ich so zu ihm sehe habe ich plötzlich Angst vor dem was er jetzt sagt, aber er sagt kein Wort und streicht monoton mit seinem Finger über die Knöchel meiner Hand. Erst nach ein paar Augenblicken sieht er mich wieder an.

      „Du warst fünfzehn Jahre alt und danach kamst du deshalb ins Internat?“

      Ich nicke.

      „Was hast du denn genommen?“

      Fühlt sich ein bisschen nach Verhör an, aber ich kann verstehen, dass er es wissen will.

      „Am Anfang Cannabis und Marihuana, danach Extasy einmal Kokain ich habe viel getrunken, eigentlich so ziemlich alles.“

      Er verzieht keine Miene. „Hast du einen Entzug gemacht?“

      „Nein, das war nicht nötig, ich war lange genug im Krankenhaus und auf Reha nach dem Unfall. Du kennst ja meine Narbe am Bein. Ich habe den Absprung gerade noch so geschafft, ohne gröbere Beeinträchtigungen.“

      „Du hast seither nie mehr etwas genommen, oder?“

      Die Frage schockiert mich etwas, aber dennoch verstehe ich sie.

      „Nein natürlich nicht, ich würde es auch nie wieder tun, glaub mir ich habe genug erlebt um ein Leben lang genug davon zu haben.“

      „Und es hat dir nie gefehlt?“

      Ich schüttle den Kopf mit gesenktem Blick.

      „Gefehlt hat mir nur das Gefühl weg von der Realität und dem Schmerz zu sein. Das ging sehr leicht wenn ich etwas genommen habe, danach fühlte sich alles gut und leicht an. Alle Probleme ließen sich so für einige Zeit verdrängen. Ich musste erst lernen die Wirklichkeit zu akzeptieren, das Leben so wie es ist, das war nicht einfach.“

      Er schweigt kurz. „Hast du ihn geliebt?“

      Ein komisches Gefühl in meinem Magen macht sich breit, ehrlich gesagt fällt es mir schwer das zu beantworten. Wie fühlt sich denn Liebe mit fünfzehn Jahren an? Er war alles für mich, er war der erste Mann in meinem Leben. Er war da, als ich ihn brauchte nachdem meine Mutter starb. Ja vermutlich habe ich ihn geliebt, auf meine eigene Art und Weise.

      „Damals dachte ich Liebe fühlt sich so an, jetzt bin ich mir nicht mehr sicher, aber es tat unglaublich weh ihn zu verlieren. Er tat mir weh, und er hat mich einfach so zurück gelassen.“

      Ich versuche etwas aus seinem Gesicht ablesen zu können, was mir aber zu meinem Leidwesen weiterhin nicht gelingt.

      „Denkst du noch oft an ihn?“

      Jetzt ist es ein Verhör. Was will er denn noch alles hören? Ich beherrsche mich um meine Augen nicht zu verdrehen.

      „Für mich ist das Schlimmste, dass ich mich nie von ihm verabschieden konnte, er war einfach weg von einem Tag auf den anderen. Ich denke oft darüber nach, ob ich seinen Tod hätte verhindern können.“ Ich senke meinen Kopf. „Ich weiß erst seit ein paar Wochen wie sich richtige Liebe anfühlt Max. Noch nie habe ich für jemanden so empfunden wie für dich und jetzt weiß ich nicht einmal, ob deine Gefühle für mich noch dieselben sind. Ich habe Angst. Angst davor, dass mich meine Vergangenheit immer und immer wieder einholt.“

      Ich warte auf eine Reaktion von ihm, aber er sitzt nur da und sieht mich an, so als ob er noch auf etwas warten würde.

      „Willst du jetzt den ganzen Abend so dasitzen und mich anschauen?“, frage ich darum schnell.

      „Solange bis du fertig bist Luisa.“

      Ich bin fertig und von einer Sekunde auf die andere macht mich seine undurchschaubare Reaktion so unsicher, wie ich schon lange nicht mehr war. Er ist ein Gentleman, ein feiner Mann und ich komme mir vor wie ein abgetragener Lumpen. Das wir aus zwei verschiedenen Welten kommen, ist mir seid unserer ersten Begegnung klar, aber so klar wie in diesem Moment war es mir noch nie.

      „Ich bin nicht so makellos wie du es bis jetzt vielleicht gedacht hast. “

      Mehr bringe ich nicht mehr heraus, es fühlt sich an als würde mir jemand die Kehle zuschnüren, am liebsten würde ich heulend davon laufen. Ich stehe auf, ich habe Angst vor seiner nächsten Frage, und Angst davor was er jetzt von mir hält.

      „Wohin willst du denn jetzt?“ Er hält meine Hand fest und zieht mich zurück. „Setzt dich bitte wieder hin.“

      Ich befolge seine Anweisung ausnahmsweise ohne Widerstand. Er wischt mir zärtlich eine Träne die sich nicht mehr zurückhalten ließ von meiner Wange, bevor er seine Arme um mich legt.

      „Du glaubst doch nicht wirklich, dass sich deshalb an meinen Gefühlen zu dir irgendetwas ändert?“

      Ich zupfe nervös an meinem Pflaster, er legt sanft seine Hand auf meine um mich davon abzuhalten. Er fasst mein Gesicht sanft am Kinn und dreht mein Gesicht so zu ihm das ich seinem Blick nicht mehr ausweichen kann.

      „Nichts was du je getan hast würde meine Liebe zu dir ändern.“

      Sein Blick ist tief und durchdringend, seine Stimme ist ernst aber einfühlsam.

      „In deiner Jugend ist einiges schief gegangen. Na und, sieh dich an, du bist eine wunderbare Frau, auch wenn du den ersten Anlauf verpatzt hast, beim Zweiten hast du alles richtig gemacht. Ich bewundere dich, du hast dich nicht aufgegeben, auch wenn du allen Grund dazu gehabt hättest. Nicht viele schaffen es ihr Leben zu ändern, du hast aus deinen Fehlern gelernt.“

      Sanft streicht er mit seinem Daumen über mein Kinn und schenkt mir ein Lächeln.

      „Ich hatte mich aufgegeben. Ich war ganz unten, es gab für mich keinen Grund am Leben zu sein, aber irgendwie hab ich es geschafft. Meine Mum hat mir schon früh beigebracht, dass nichts im Leben aus Zufall passiert und man den Weg den man geht selbst bestimmen kann, das war mein Antrieb.“

      Er fasst mein Gesicht mit beiden Händen und küsst mich lang, bevor er mich ganz fest an seine Brust zieht.

      „Deine Mutter war eine kluge Frau, genau wie du, und das mit fünfzehn, das ist außergewöhnlich.“

      Es ist komisch, ich fühle mich jetzt wirklich besser, ich habe nicht gedacht das er es so ruhig aufnimmt, ich hätte es ihm schon viel früher sagen sollen. Ich bin total am Ende und müde. Ich lasse mich zurück aufs Bett fallen und schnaufe tief aus.

      „Auch wenn dir das vermutlich nicht gefällt, ich verstehe jetzt deinen Vater. Er hat aus Liebe so gehandelt, das Internat hat dir geholfen dein Leben in den Griff zu bekommen. Glaub mir hätte ich eine Tochter, ich würde sie in den letzten Winkel der Welt verbannen, damit sie so einen Mist kein zweites Mal macht, auch wenn es mir noch so wehtun würde.“

      Bravo, jetzt ist er auch noch auf Dad`s Seite, aber vielleicht hat er recht. Ich hoffe ich komme nie in die Situation eine solche Entscheidung treffen zu müssen, leicht hatte Dad es wirklich nicht mit mir.

      „Außerdem musst du dich von Ben verabschieden um deine Vergangenheit ruhen lassen zu können, du musst endlich loslassen. Am besten du sprichst mit seiner Mutter wenn du zurück in New York bist.“

      „Ich bin mir nicht sicher ob sie erfreut ist mich wiederzusehen.“

      „Das wirst du dann schon herausfinden.“

      Vermutlich hat er auch in dem Fall recht. Darüber habe ich noch nie nachgedacht, aber jetzt möchte ich über all das nicht mehr sprechen. Ich bin froh, dass er nicht mehr weiter

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