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PUZZLE - Mord am Kanal. Martin Berthold Heinrich Diebma
Читать онлайн.Название PUZZLE - Mord am Kanal
Год выпуска 0
isbn 9783742755919
Автор произведения Martin Berthold Heinrich Diebma
Жанр Языкознание
Серия Tim Schlüter ermittelt
Издательство Bookwire
»Nein, nein, ist o.k., ist schon o.k.«, wehrte Tim ab. »Gab es denn überhaupt keine Hinweise auf Reginas Verbleib?«
Charlotte musste tief durchatmen. »Sie war mit Freundinnen in einer Disco in Kiel. Später sah sie ein Besoffener in irgendein Auto steigen. Eine tolle Spur ...«
»Hm«, machte Tim. »Konnte man denn den Abend nicht irgendwie rekonstruieren?«
»Was willst du da rekonstruieren? Der eine hat dies gesehen, der andere das. Die Polizei hatte am Ende so viele verschiedene Aussagen, wie es Fischsorten im Indischen Ozean gibt. In dem Schuppen herrschte ein Riesengewusel, und die drei Mädels haben sich ziemlich schnell aus den Augen verloren.«
»Der Schuppen, das war das Dream, oder? Warst du schon –?«
»Traum«, fiel Charlotte ihm ins Wort. »Weißt du, manchmal träum' ich nachts davon, wie es früher war, wir, eine glückliche Familie in einem gemütlichen Landhaus mit allem, was man zum Leben braucht, Frühstück zu viert auf der Terrasse an einem herrlichen Sommermorgen, die freie Natur um uns herum, zwitschernde Vögel ... Und wenn ich aufwache, dann braucht es eine ganze Weile, bis ich kapiere, wie die Realität aussieht, wie trostlos sie ist und in welchem eklatanten Gegensatz sie steht zu diesem Traum- oder Wunschbild. Man fragt sich, wie sich Dinge so ändern können, so grundlegend. Manchmal stell' ich mir vor, Papa und Regina kommen zur Tür herein, als wäre nichts gewesen. Regina bringt irgendeinen ironischen Spruch, und Papa gibt Mama einen Kuss und sagt: ›Tut mir leid, Schatz, es ist etwas später geworden!‹ Komisch, nicht?« Tim verspürte wieder diesen Drang, Charlotte an sich zu ziehen. Aber solchen spontanen Impulsen nachzugeben war seine Stärke nicht. Er sah sie stattdessen lange an und sagte schließlich: »Ich muss gehen.«
»Was willst du denn jetzt tun? Zur Polizei?«
»Ja, muss ich wohl.«
»Bitte geh nicht zur Polizei.«
»Warum nicht?«
»Wegen Mama. Die werden kommen und die ganze Geschichte wieder aufwühlen. Ich weiß nicht, ob Mama das verkraften würde.«
»Naja, ich habe die Polizei bis jetzt nicht informiert, weil die Sache ja wohl keine Eile hat. Aber irgendwann, denke ich, wird sich das nicht mehr umgehen lassen.«
»Ich habe noch eine Bitte«, sagte Charlotte. »Ich möchte gern die Knochen haben.«
»Die liegen noch in der Uniklinik. Aber ja, du ... kannst sie haben. Ich, ähm, werde sie dir besorgen.«
»Und noch was«, bat sie.
»Ja?«
»Ich möchte, dass du mich über alles auf dem Laufenden hältst, was du über Regina herausfindest. Wirst du das tun?«
»Ich verspreche es«, sagte Tim.
Als Tim das Haus der Familie Wilhelmsen hinter sich gelassen hatte, überkam ihn ein regelrechter Schüttelfrostanfall. Da verbringt man also ein paar Jahrzehnte seines Lebens in Freude und Unbekümmertheit, und auf einmal überfällt einen das Schicksal mit solcher Wucht, dass selbst Hamlet seines dagegen nicht hätte tauschen mögen. Man kann derartige Dinge so wenig aufhalten wie den Sonnenuntergang am Ende eines jeden Tages. Tim fiel dieser Vergleich ein, weil er der Abendsonne genau entgegenfuhr. Ihre Strahlen fielen durch die Windschutzscheibe in seinen Wagen und hatten wegen ihrer Blendwirkung etwas entschieden Feindliches. »Du lässt Nacht werden und du bringst an den Tag«, sagte Tim. »Sollte ich mich stören an deinem Licht?«
5 Diva
Tim hatte auch in dieser Nacht wieder eher unerfreuliche Begegnungen. Anfangs ging's ihm noch gut. Er aß mit Charlotte und ihrer Mutter, die auf wundersame Weise ihr jugendliches Aussehen von dem Foto wiedererlangt hatte, zu Mittag wie in einer heilen Familie. Dass sein eigener Vater mit am Tisch saß, verblüffte ihn überraschend wenig. Beim Nachtisch kam Tim versehentlich auf Regina zu sprechen. Er wollte die erfreuliche Mitteilung machen, dass er sie gesehen habe, lebend. Im Nu verfinsterte sich Vera Wilhelmsens Miene. Eine schaurige Metamorphose ließ ihren Körper zucken wie in einem Gruselfilm. Verwandelt in die Alte vom Sonntagnachmittag, sah sie ihn jämmerlich und vorwurfsvoll zugleich an und fragte: »Regina! Wo ist eigentlich Regina? Sie haben sie zuletzt gesehen. Was haben Sie mit Regina gemacht?«
»Du hast einen schweren Fehler begangen«, rügte sein Vater mit ernster Miene. Tim verteidigte sich, er sei unschuldig. Doch die Worte kamen