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Sagenbuch der Bayrischen Lande. Alexander Schöppner
Читать онлайн.Название Sagenbuch der Bayrischen Lande
Год выпуска 0
isbn 9783742772664
Автор произведения Alexander Schöppner
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Weh! wer je dem Glück vertraute! –
Wenn es jetzt auch sonnig lächelt,
Eh' man mag den Blick verwenden,
Fährt der Blitz aus heitrer Höh'.
5.
Tief im Schilf am schönen Chiemsee
Sitzt ein Weib mit zweien Jungen,
Schön und schrecklich anzuschauen
Riesenhaft in Wahnsinnsgluth.
Sieh! zwei Bogen, straff gespannte,
Legt sie in die Hand der Knaben
Und zwei Pfeile, schnell beschwingte,
Reicht sie dar mit glüh'ndem Blick.
»Zwillingssöhne! Zwillingssöhne!«
Ruft sie, »lernt die Waffen brauchen,
Seht! i c h will das Ziel euch zeigen.
Dran verdient das Ritterthum!«
»War der T r u g nicht euer Vater?
Ist die R a c h ' nicht eure Mutter?
Zwillingssöhne, Zwillingssöhne!
Seht das Ziel dort! trefft mir's gut!
Z w e i der Söhne, z w e i der Pfeile,
E i n e Sünde, tausend Schmerzen, –
Faßt ihr's? – Söhn'! die ich geboren,
M u t t e r und kein e h l i c h W e i b !
Bergt euch tiefer! spannt die Bogen,
Seht! da kommen sie gezogen. –
Zwillingssöhn! Jetzt Zwillingspfeile
Auf ein zwiefach treulos Herz!«
Und es kam der falsche Ritter
Mit der Gattin Adelhaide,
Marquard war's, mit süßen Worten
Schmeichelnd dem entführten Kind.
Horch! da kam's herangeflogen –
Zischend von dem Zwillingsbogen;
Von dem Doppelpfeil getroffen
Lag der Ritter wund im Blut.
Tief im Schilf am schönen Chiemsee
Sank die Mutter mit den Knaben,
Von den Fluthen still begraben,
Dumpf verbarg der See die That.
»Doppelliebe! – Doppelpfeile!«
Ruft der Ritter, – »Wehe! Wehe!
Muß ich hier in Sünden sterben?
Weh! wer trägt mich hin zur Burg?
Daß ich möge Ruhe finden,
Daß ein Priester, mild vergebend
Mich entledigt meiner Sünden,
Weh! wer trägt mich zur Kapell!«
Und es hob die treue Gattin
An die Brust den wunden Ritter,
Schreitend durch die öden Auen
Zur Kapell im Marquardstein.
»Richter! laß mir Gnad ergehen.«
Stöhnt der Ritter – »fromme Seelen
Möchten sie mir Gnad erflehen
Im Gebet vor Gottes Thron.«
»Ueppig wächst der Baum der Sünden
Aus des Herzens tiefem Grunde,
Bis die Last der eignen Früchte
Kron, und Aest' und Stamm erdrückt.
Wer die Burg auf Sand gebauet,
Sehe zu, daß sie nicht stürze,
Daß der Hallen stolze Wölbung
Nicht den Bauherrn selbst begräbt.
Wie der Baum brech' ich zusammen
Mit der Burg werd' ich zertrümmert; –
Baut aus meinem Schatz ein Kloster
B a u m b u r g soll es seyn genannt.«
Reuig lag der wunde Marquard; –
Sein Gelübde fromm beschwörend
Sank die Gattin Adelhaide
Treu dem Todten an das Herz.
W e r zu Stunde sey verschieden?
Schwer zu nennen war die Leiche; –
War's der Ritter dort, der Bleiche?
Ist's die Frau, versteint in Schmerz?
66. Adalbert und Otkar, die Gründer von
Tegernsee.
Erzählt von M.v. F r e y b e r g , älteste Gesch. v.
Tegernsee. München 1822, S. 15 ff. A n d r .
P r e s b . in v. F r e y b e r g s Samml. hist. Schriften II.,
385 ff. P e z thes. anecd. III., 473. E r t l rel. II., 161.
H u n d metrop. III., 389 u.A.
Adalbert und Otkar, zwei Brüder aus fürstlich Burgundischem
Stamme, von einer Mutter Agilolfingischen
Geschlechtes, lebten als fromme, erleuchtete,
tapfere Männer an König Pipins, ihres Blutsverwandten
Hofe. Da begab es sich, daß des Königs Sohn,
jenen Herrn Otkars in der Hitze des Streites erschlug.
Pipin, die Rache jener Brüder fürchtend – denn sie
waren so groß an Macht als Gesinnung, und reich begütert
in Bayern und Burgund – wußte durch eine
weise List dem Ausbruche ihres Schmerzes zu begegnen.
Noch ehe der Todtschlag ruchbar geworden, versammelte
er seine Großen und unter diesen Herrn
Otkar bei sich. Als sie erschienen, sprach Pipin zu
jenen: »Wie bedünkt euch wohl, daß einem Uebel,
dem in keinem Falle abzuhelfen, zu begegnen sei?«
Nicht ahnend das Ziel dieser Rede, erwiederte Herr
Otkar: »Solches Uebel wahrlich ist mit Gleichmuth zu
ertragen.« Als ihm nun der König hierauf den entsetz-
lichen Unfall entdecket, verhüllte der unglückliche
Vater seinen gränzenlosen Schmerz in ein tiefes, anhaltendes
Schweigen. Nach langer Trauer aber kamen
beide Brüder des Entschlusses überein, der Welt auf
immer zu entsagen. Nun hatten sie schon früher am
Tegrinsee, im bayerischen Südgau, das Kirchlein St.
Salvators auf ihrem Vatergut gegründet. Sie befahlen
jetzt, den Wald an dem Ufer des Sees zu lichten, und
beschlossen dicht an jener Kirche ein Gotteshaus zu
stiften, und all' ihr Besitzthum in diesen Gegenden,
dem Altare zu weihen. Um aber andächtige Sehnsucht
zu stillen, und für die zu gründende Kirche ein hochgefeiertes
Heilthum zu erwerben, erhob sich das erleuchtete
Brüderpaar vor Allem zu einer Pilgerfahrt
nach Rom. Versehen mit St. Winfrieds Briefen, der
sie in so herrlichem Entschluß mächtig bestärket, erreichten